Eishockey:Wie man Unersetzliche ersetzt

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Der neue Kapitän ist gleich verletzt: Augsburgs David Warsofsky fällt sechs bis acht Wochen aus. (Foto: Goldberg/Beautiful Sports/Imago)

Bayerns Klubs vor dem DEL-Start: Die Augsburger Panther haben schon Personalsorgen, die Nürnberg Ice Tigers erwarten Wichtiges von einem jungen US-Amerikaner, die Ingolstädter setzen auf die Form ihrer Nummer eins und die Straubinger fragen sich, wer nun ihre Tore schießen soll.

Von Christian Bernhard und Johannes Schnitzler

Augsburger Panther

Man könnte von einer Ironie des Schicksal sprechen, wenn man nicht wüsste, dass das Schicksal wie immer Größeres im Sinn hat als die Augsburger Panther, vulgo die "kleinen Pantherlein", wie deren Hauptgesellschafter Lothar Sigl sie nennt. Die starteten recht anständig in die vergangene Saison, bis Dennis Endras, 38, der ehemalige Nationaltorhüter, wochenlang verletzt ausfiel. Endras' Malaise war der erste Dreh einer Abwärtsspirale, die Trainer Peter Russell pünktlich zu Weihnachten den Job kostete und an deren Ende die Panther die Saison auf Platz 14 abschlossen, als Vorletzter.

Die Verantwortlichen vollzogen einen scharfen Schnitt, trennten sich von langjährigen Leistungsträgern und Publikumslieblingen wie Drew LeBlanc und Brady Lamb und planten für die DEL 2. Denn dass aus dem Bewerbertrio Kassel, Krefeld und Dresden ein Zweitligist aufsteigen würde, galt als sicher. Aber erst eliminierte Krefeld Dresden, nur um im Halbfinale an Ravensburg zu scheitern, während die Roten Teufel vom EC Bad Nauheim Kassel ausschalteten - und so dem Gründungsmitglied Augsburg auch im 30. Jahr die DEL-Mitgliedschaft sicherten (nebenbei: DEL-2-Meister wurde dann das nicht aufstiegsberechtigte Ravensburg unter einem gewissen Peter Russell).

Für die AEV-Planer ist diese 30. Saison dadurch nicht einfacher geworden. Die ersten drei Testspiele unter dem neuen Coach Christoph Kreutzer (vormals Schwenningen) gingen verloren, die Panther erzielten dabei null (in Ziffern: 0) Tore. Danach folgten fünf Siege gegen überwiegend unterklassige Gegner, zum Abschluss am vergangenen Sonntag ein 6:5 (nach 0:5-Rückstand) bei den roten Retterengeln in Bad Nauheim.

Ausgerechnet dort (s. Ironie des Schicksals) erlitt nun aber der neue Kapitän David Warsofsky, vergangene Saison noch einer der Stabileren, eine Verletzung, die den Abwehrchef zu einer sechs- bis achtwöchigen Pause zwingt. Nach Stürmer Justin Volek (Schulter, fällt vermutlich die komplette Saison aus) und dem zurückgekehrten ehemaligen Nationalverteidiger Simon Sezemsky (drei bis vier Wochen) der dritte als Leistungsträger eingeplante Profi, auf den Kreutzer langfristig verzichten muss. Kleiner Trost: Da die Liga nach einem Corona-Aufschub nun wieder auf ihre Sollstärke von 14 Teams reduziert ist, würde der vorletzte Platz sicher zum Klassenverbleib reichen.

ERC Ingolstadt

Das erste Champions-League-Heimspiel dieser Saison war für den ERC Ingolstadt aus mehreren Gründen ein spezielles: Es war das erste seit sieben Jahren, es endete mit einem Sieg gegen den schwedischen Spitzenklub Färjestad Karlstad - und es war das Comeback-Spiel von Torhüter Michael Garteig. Der Kanadier, der gehörigen Anteil daran hatte, dass die Oberbayern die vergangene DEL-Saison als Zweite abschlossen, hatte die Playoff-Halbfinal- und Finalserie verpasst, nachdem er vom Düsseldorfer Alec McCrea auf dem Eis umgefahren worden war, als er gerade von der Bank kommend zum Jubeln aufs Eis lief. Es war die kurioseste Szene einer besonderen ERC-Saison, die dann noch besonderer wurde, da Kevin Reich und Jonas Stettmer Garteigs Fehlen überraschend kompensieren konnten.

In Garteig-Form: ERC-Torwart Michael Garteig. (Foto: Gintare Karpaviciute/Gepa pictures/Imago)

Reich und Stettmer allerdings haben Ingolstadt im Sommer verlassen, die neue Nummer zwei heißt jetzt Devin Williams und kam aus Regensburg. Die unangefochtene Nummer eins ist aber weiterhin Garteig - und das bewies er in den ersten drei CHL-Spielen der Saison, die der ERC allesamt gewann. Speziell gegen Färjestad hielt er den Sieg fest. "Mit uns kann man rechnen", sagt Wojciech Stachowiak. Ein Garteig in Garteig-Form würde diese These enorm stützen.

Nürnberg Ice Tigers

Der Blick in die Kabine wird zahlreichen Ice-Tigers-Spieler immer noch ungewohnt vorkommen. Die vergangenen elf Jahre war dort Patrick Reimer ihr Bezugspunkt und Anker, doch der erfolgreichste Scorer der DEL-Geschichte hat im Frühling seine Karriere beendet. Da auch Oliver Mebus den Klub Richtung Düsseldorf verließ, ist der Ice-Tigers-Verlust an Führungsstärke kaum zu quantifizieren. Nun sind neue Spieler gefragt, in eine Führungsrolle zu schlüpfen, Spieler wie Marcus Weber oder der erfahrene Constantin Braun, der dafür geholt wurde.

Kongenial: Charlie Gerard (vorne) harmoniert mit Zugang Evan Barratt. (Foto: Thomas Hahn/Eibner/Imago)

Evan Barratt wurde nicht verpflichtet, um diese Lücke zu schließen. Der US-Amerikaner ist schließlich erst 24 Jahre alt und spielt erstmals in Europa. Von ihm erwarten sich die Ice Tigers allerdings andere, nicht minder wichtige Dinge: Tore. Scoringpunkte. Auch in diesen durchaus quantifizierbaren Dingen wird sich Reimers Fehlen ja bemerkbar machen. Da ein 24-jähriger Europa-Neuling eine solche Verantwortung für die Offensive nicht alleine tragen sollte, haben ihm die Ice Tigers jemanden zur Seite gestellt, den er bereits kennt und mit dem er in Nordamerika sehr gut harmoniert hat: Charlie Gerard. Die besondere Chemie zwischen den beiden Stürmern blitzte in der Vorbereitung regelmäßig auf, bei Fünf gegen Fünf und in Überzahl.

Straubing Tigers

Profieishockey ist derart reich an Statistiken, dass wenig dagegen spräche, Stochastik-Studenten ein Pflichtsemester in der Eishockeybranche aufzudrücken. Einige der Statistiken tragen Namen wie Corsi (soll die Spielkontrolle einer Mannschaft messen) oder Fenwick (für die Schussversuchsdifferenz bei Fünf gegen Fünf) und sind eher für Fachleute gedacht, doch es gibt auch welche, die sehr leicht zu verstehen sind. Die Straubing Tigers haben über den Sommer Taylor Leier, Travis St. Denis und Jason Akeson verloren - und damit 60 Hauptrundentore sowie 145 Scorerpunkte. Zur Einordnung: Insgesamt haben die Tigers vergangene Saison 190 Treffer erzielt, knapp ein Drittel ist also weggebrochen.

Wer soll nun die Straubinger Tore schießen? Zum Beispiel Marcel Brandt (Mitte), einer der offensivstärksten Spieler der Liga. (Foto: Stefan Ritzinger/Imago)

Die Frage, welche die Niederbayern über den Sommer begleitete, lautete also: Wer soll nun die Tore schießen? Das Positive: Einige derer, die auf diesem Gebiet ihre Qualitäten bewiesen haben, sind weiterhin in der Gäubodenstadt. Marcel Brandt (43 Scorerpunkte) ist einer der offensivstärksten Verteidiger der Liga, Stürmer JC Lipon steuerte vergangene Saison 20 Treffer bei. Frische Tore sollen der 23-jährige Cole Fonstad und der Ex-Nürnberger Tyler Sheehy beisteuern. Auf die Dienste seines Sohnes Noah verzichtete Manager Jason Dunham - das Sturmtalent unterschrieb in Ingolstadt.

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