Real Madrid in der Meisterschaft:Königliches Kriselchen

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Ein aufregendes 0:0 gegen den FC Valencia lässt den Vorsprung Reals gegenüber Titelrivale Barcelona in der spanischen Liga weiter schmelzen. Das Remis dürfte auch den Bayern Hoffnung machen: Im Hinblick auf das Halbfinale in der Champions League zeigt sich, dass die Madrilenen verwundbar sind - und dass auch sie noch alles verspielen könnten.

Javier Cáceres, Madrid

Es war im Bauch des Bernabéu-Stadions natürlich wieder vom Schiedsrichter die Rede, wie hätte es anders sein können. Denn Real Madrid hatte in einem selten passionsgeladenen Spiel voller Torgelegenheiten und markerschütternder Pfostentreffer neuerlich Punkte verloren, diesmal mit dem 0:0 gegen den FC Valencia. Punktverluste aber sind ein Verstoß gegen die vom Chefideologen José Mourinho implantierte Klubdoktrin, die besagt, dass nur Siege und Titel für Real dem ursprünglichen Sinn und Zweck der Ausübung des Fußballsports entsprechen.

Diesmal ohne Tor: Cristiano Ronaldo wurde vom FC Valencia aufmerksam bewacht. (Foto: AP)

"Das mit dem Schiedsrichter hat alle Welt gesehen . . .", raunte Trainerassistent Aitor Karanka, der von seinem Chef José Mourinho zum 42. Mal seit 2010 zur Pressekonferenz geschickt worden war. Mittlerweile beherrscht Karanka nicht nur die hohe Kunst der düsteren Andeutung ("Wir werden weiter um den Titel kämpfen, wenn man uns lässt"), sondern auch den Griff in die Kiste mit der Etikette: Blut, Ehre, Pathos und Tränen. "Je größer die Widrigkeiten sind, umso größer wird unser Stolz in der Stunde des Sieges sein", so Karanka.

Mit dem Brennglas in der Hand und nach 35maliger Wiederholung hätte der eine oder andere Unparteiische vielleicht tatsächlich den einen oder anderen Elfmeter gepfiffen - in beiden Strafräumen, wohlgemerkt. Zu den Besonderheiten eines in vielfacher Hinsicht bemerkenswerten Abends (50 Torabschlüsse, vier Pfostentreffer) zählte aber der Umstand, dass Real Madrid über den Mangel an Pedanterie von Schiedsrichter Carlos Clos eigentlich glücklich sein musste.

In der zweiten Halbzeit hätte Clos bei strengster Regelauslegung den notorischen Wiederholungstäter Pepe vom Platz stellen müssen - für eine Tätlichkeit an seinem Teamkameraden Álvaro Arbeloa. Nach einem zwar klaren, aber insgesamt eher harmlosen Foul von Valencias Mini-Stürmer Pablo Piatti (Körpergröße 1,63 m) wälzte sich Pepe so lange am Boden, dass es Arbeloa unangenehm wurde. Sinngemäß muss Arbeloa Pepe so etwas wie "jetzt tu nicht so und steh' endlich auf!" zugerufen haben.

Ehe Arbeloa aber die Aufforderung argumentativ unterfüttern konnte ("Wir haben keine Zeit, wenn wir das Spiel gewinnen wollen!"), hatte Pepe in blinder Wut nach Arbeloa getreten. Dieser trug keine weiteren Verletzungen davon. In Spaniens Twitter-Gemeinde wurde der Zeugwart von Real Madrid in die Pflicht genommen. Der solle nur ja darüber wachen, dass Pepe niemals aus Versehen zwei verschiedenfarbige Socken anzieht: "Der tritt sich sonst selbst."

Fakt ist nun: Reals Abstand auf Verfolger FC Barcelona ist binnen fünf Spielen von zehn auf vier Punkte zusammengefallen. Emilio Butragueno, früherer Weltklasse-Stürmer bei Real Madrid und heute dort "Leiter für Internationale Beziehungen", monierte im Fernsehen, dass Real bei der Vollendung der Angriffsspielzüge zu hektisch agiert habe. Das war aber auch der taktischen Leistung Valencias zu verdanken.

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Was für eine Wendung im spanischen Spitzenspiel: Ein Treffer von Sami Khedira sowie eine glänzende Vorlage von Mesut Özil verhelfen Real Madrid zum umjubelten 2:1-Sieg in Barcelona. Für Barça ist die Meisterschaft damit vom Tisch, während die "Königlichen" fast schon am Ziel sind. Das Team von José Mourinho zeigt: Die Bayern werden es schwer haben im Bernabeu.

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"Unsere Richtlinien lauteten: einen gewissen Prozentsatz an Ballbesitz zu haben, ihre Konter zu vermeiden, an unsere eigenen Optionen zu glauben und uns die Prise Glück, die wir fraglos auch hatten, zu erarbeiten", sagte Valencias Trainer Unai Emery. Er opferte den Argentinier Tino Costa als Wachhund für Real Madrids Strategen Xabi Alonso. Mit Erfolg. Oft lag so die wichtigste Phase des Spielaufbaus bei Spielern wie Arbeloa, dem deutschen Mittelfeldspieler Sami Khedira oder Raúl Albiol, deren Talent für derartige Belange knapper bemessen ist.

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Dass Real Madrid dennoch zehn Schüsse auf das von Torwart Vicente Guaita spektakulär gehütete Tor abgeben konnte - geschenkt. Die Qualität der Offensive um Spielmacher Özil, um Benzema, Higuaín und Ronaldo setzte sich nicht durch. "Die größte Schwierigkeit besteht darin, Reals explosives Umschalten in die Offensive zu kontrollieren, da sind sie sehr gut", sagte der frühere Wolfsburger Ricardo Costa.

Als "ungemein fordernd" beschrieb er die Defensivarbeit gegen Real Madrid, "sie verlangt totale Konzentration, Schnelligkeit, viel Kommunikation und Disziplin. Die kommen mit fünf, sechs Mann auf dich zu, sind in ihrem Spiel unglaublich vertikal und schnell. Da ist es umso wichtiger, nah an deinem Gegenspieler zu sein, sonst bist du verloren", so Costa, der sich mit Bravour seines portugiesischen Landsmanns Cristiano Ronaldo annahm.

Das Resultat ist, dass sich Real nach dem Remis ernsthaft Sorgen um den Titel machen muss. Am Mittwoch spielt Real bei Atlético Madrid - das zwar im Halbfinale der Europa League steht, seinem Anhang aber eigentlich nur eine Freude bereiten kann, wenn es die Titelpläne des Lokalrivalen durchkreuzt. Danach steht für Real ein Heimspiel gegen Abstiegskandidat Gijón an; doch zwischen den Halbfinalpartien der Champions League gegen den FC Bayern (17./25. April) muss Real ins Camp Nou zum FC Barcelona (21. April).

Umso wichtiger ist die Bedeutung eines guten Resultats im Hinspiel in München. "Natürlich können wir die Meisterschaft noch verspielen", sagte Torwart Iker Casillas. Andererseits ist Real das einzige Team der spanischen Liga, das im Titelkampf das Schicksal in der eigenen Hand hat.

© SZ vom 10.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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