PSG in der Champions League:Neue Liebe lockert alte Bande

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Lionel Messi auf Höhe der Grasnarbe? Das war, als schickte man die vollaufgedonnerte Catherine Deneuve in die Kanalisation. (Foto: Franck Fife/AFP)

"Ich hatte Lust, endlich zu treffen": Gegen Manchester City stellt sich Lionel Messi in den Dienst der Mannschaft - und Neymar dementiert mit einem Foto Gerüchte über interne Verwerfungen.

Von Javier Cáceres, Paris

Alle Untugenden, die gerade modern sind, gelten als Tugenden, wusste schon Molière, der im XVII. Jahrhundert als Komödiant so berühmt wurde, dass ihm im I. Arrondissement von Paris ein Denkmal gewidmet ist. Und hatte es nicht komödiantische Züge, als sich Lionel Messi in der nahezu letzten Szene des Champions-League-Spiels von Paris Saint-Germain gegen Manchester City verwandelte?

Der Referee hatte einen Freistoß zugunsten von Manchester City dekretiert, und Messi tat das, was neuerdings im Weltfußball en vogue ist. Er legte sich hinter die Mauer, die von seinen größer gewachsenen Mitspielern gebildet worden war; auf dass sie hochspringen können, ohne dabei fürchten zu müssen, dass der Schütze den Ball unter der Barriere hindurch schießt und sie und den Torwart düpiert. Dieser niedere Dienst mutete schon bei Marcelo Brozovic unwürdig an, der Kroate war 2018 derjenige gewesen, der die Mode in Europa bekannt machte, als er sich bei einem Spiel von Inter Mailand gegen den FC Barcelona - bei einem Freistoß von Messi, ausgerechnet - wie ein Krokodil hinter eine Freistoßmauer legte.

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Sprint über den halben Platz, dann aus 16 Metern unter die Querlatte: Lionel Messi trifft erstmals für PSG und beschert seinem Klub den 2:0-Sieg gegen Manchester City - mit einem Akt fast schon unvergleichlicher Kunst.

Von Javier Cáceres

Brozovic, okay. Aber Messi auf Höhe der Grasnarbe? Der gottesähnlich verklärte Weltfußballer im Dreck?

Das war, als würde man einen echten Renoir auf dem Pissoir einer abgetakelten Brasserie aufhängen. Aber es war tatsächlich so. Messi legte sich danieder, als wollte er in den letzten Sekunden der Partie, die mit einem 2:0-Sieg für PSG endete, versinnbildlichen, was sein Trainer Mauricio Pochettino später sagen sollte: dass "alle den Blaumann angezogen" hätten, Diven inklusive. Und all das, nachdem er seinen Mythos erneuert hatte - und mit großer und genialer Geste sein neues Heim in Beschlag genommen hatte, das Prinzenparkstadion von Paris mit "einem Juwel" dekorierte, wie die Zeitung L'Équipe am Mittwoch schrieb.

"Ich hatte Lust, endlich zu treffen", sagte Messi nach seinem ersten Tor im PSG-Dress, als hätte er nicht seine eigene Kunst aufs Neue durchdekliniert, sondern bloß einen schnöden Abstauber erzielt. So wie dem Dichter (laut Molière) die Lust anhaftet, seine Werke vorzutragen, so kann auch Messi nicht umhin, Fußball in Vollendung zu bieten. In der 74. Minute - und das heißt: als die früh durch Idrissa Gana Gueye erzielte Führung (7.) hier und da wackelte - nahm Messi den Ball auf Höhe der Mittellinie in Empfang, stürmte aufs gegnerische Tor zu, bis er einen Partner für einen Doppelpass am Strafraum entdeckte, Kylian Mbappé. Der Franzose legte den Ball mit einem Absatzkick ab, der eleganter war als die Models im Pariser Schneiderviertel Sentier, und nachdem Messi aus 16 Metern abgezogen hatte, flog der Ball unter dem entsetzten Blick des schockgefrorenen City-Keepers Ederson unter die Querlatte. Das Stadion tobte, der in Barcelona verstoßene Messi lachte erleichtert, als hätte er Molière gelesen ("neue Liebe lockert alte Bande"), und sogar sein neuer Trainer Pochettino verlor die Contenance.

Messi bringt sogar den gegnerischen Trainer ins Schwärmen

"Ich juble normalerweise nicht bei Toren meiner Mannschaft", sagte Pochettino später, "aber ich habe oft genug vom gegenüberliegenden Trottoir seine Tore sehen müssen. Wie sollte ich da nicht bei seinem ersten Tor für mich jubeln?" Auch Citys Trainer Pep Guardiola schwärmte, trotz der Niederlage, im Stile eines aufgeräumten Ex-Liebhabers. "Er hat mich in den vier Jahren, in denen wir (beim FC Barcelona) zusammengearbeitet haben, so häufig glücklich gemacht - wenn er seine Zeit in Paris genießen kann, werde auch ich glücklich sein", sprach der Katalane.

Guardiolas wahre Zuneigung an diesem Abend aber galt dem defensiven Mittelfeldspieler von PSG, Marco Verratti, der dazu beigetragen hatte, dass Paris wankte, aber nicht unterging. Wie es sich für Paris gehört, verliebte sich Guardiola: "I'm in love", sagte er über Verratti und ärgerte sich vernehmlich darüber, dass sein belgisches Genie Kevin De Bruyne es unterlassen hatte, den Italiener aggressiver zu stören. Wobei Guardiola insgesamt und sogar aus nachvollziehbaren Gründen zufrieden war mit dem Vortrag seines Teams, das nun in der Gruppe A der Champions League hinter PSG und Brügge und vor Leipzig auf Rang drei der Tabelle liegt.

Denn: City hatte dominiert und den Ball gut durch die eigenen Reihen laufen lassen und war auch zu teilweise großartigen Chancen gekommen. Doch PSG-Torwart Gianluigi Donnarumma war auf der Hut oder aber mit dem Glück im Bunde oder beides. Vor allem in der ersten Halbzeit, als City erst durch Raheem Sterling und dann durch Bernardo Silva in einer Szene zweimal die Querlatte traf.

Und Messi? Trat nach der Partie vors Mikrofon des übertragenden TV-Senders und schwelgte, auch dies frei nach Molière, nicht in gespreizten Reden, sondern mit Einlassungen von der Stange. "Dies war ein sehr wichtiger Sieg, gegen einen großartigen Rivalen, und das war nach dem Unentschieden in Brügge auch wichtig", sagte Messi. "Das war erst mein zweites Spiel zuhause, ich integriere mich langsam, meine Anpassung geht voran", beteuerte er. L'Équipe wartete am Mittwoch mit der Schlagzeile "Liberé(s)" auf, "befreit" in Singular und in Plural also. Denn es war gemünzt auf Messi, der die Titelseite schmückte, aber durch das abgetrennte "S" auch auf Mbappé und Neymar, die das teuerste Sturmtrio der Welt stellen, und sich noch voll in der Findungsphase befinden.

Noch in der Nacht zum Mittwoch postete Neymar ein Foto in einem Sozialnetzwerk, auf dem er Arm in Arm steht mit Messi und Mbappé, und was auch dazu dienen sollte, die Gerüchte über interne Verwerfungen zu dementieren. "Ich hoffe, Euch nicht allzu bald begegnen zu müssen", schrieb der einstige PSG-Kapitän Thiago Silva, der nun beim FC Chelsea spielt, "möge Gott mich davor bewahren", fügte er hinzu. "Nur die Ruhe", schrieb Neymar seinem Freund mit lauter lachenden Emojis zurück, "noch greifen wir nicht ineinander." Aber der Dienstagabend bewies auch, dass sie auf dem besten Wege sind, zueinanderzufinden, allen Unkenrufen zum Trotz.

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