Olympische Spiele in Peking:Die Friedenssaga muss pausieren

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Nordkoreanische Cheerleaderinnen bei den Winterspielen 2018 in Pyeongchang. (Foto: Lucy Nicholson/Reuters)

Nordkorea sagt für die Winterspiele ab, obwohl das IOC es ohnehin suspendiert hat. Um dem Gastgeber China trotzdem zu gefallen, erhebt Kims Reich Vorwürfe gegen die "USA und ihre Vasallen-Mächte".

Von Thomas Hahn, Tokio

Post aus Pjöngjang ist etwas Besonderes, denn mitteilsam ist Nordkoreas Parteidiktatur normalerweise nicht. Und wenn sich das Regime von Machthaber Kim Jong-un doch mal rührt, ist die Ansprache oft etwas kantig. Auch der Absagebrief, den das Nationale Olympische Komitee und das Sportministerium aus dem Kim-Reich vergangene Woche an das Chinesische Olympische Komitee schickten, war nicht ganz ausgewogen. Lob gab es laut der nordkoreanischen Arbeiterparteizeitung Rodong Sinmun für den "hingebungsvollen Kampf", mit dem Chinas Partei, Regierung und Generalsekretär trotz Pandemie die Winterspiele in Peking bewerkstelligten - aber Vorwürfe gegen die "USA und ihre Vasallenmächte", die "wie eh und je unverblümt in ihren Regungen gegen China" seien und deshalb eine Nordkorea-Teilnahme in Peking unmöglich machten.

Immerhin, die isolierte Demokratische Volksrepublik Korea hatte sich mal wieder gemeldet.

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Nordkorea und Olympia - das ist eine große Geschichte, die mal von Hoffnung und Frieden erzählt, mal von Trennung und Streit. Schon der Umstand, dass Nordkorea für die Pekinger Winterspiele absagte, ist ein eigenes Kapitel in dieser Saga. Streng genommen konnte Nordkorea nämlich gar nicht absagen. Im September hatte der Vorstand des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) das Land bis Ende 2022 von den Spielen suspendiert. Grund: "Die einseitige Entscheidung, nicht an den Olympischen Spielen in Tokio 2020 teilzunehmen."

Das Gesundheitssystem in Nordkorea ist schwach. Impfstoff-Hilfen hat das Regime bisher abgelehnt

Nordkorea bekämpft das Coronavirus seit Januar 2020 mit konsequenten Aus- und Einreiseverboten. Kim Jong-un hat dafür sogar in Kauf genommen, dass Lebensmittel knapp werden und Handelswege abgeschnitten sind. 2021 keine Olympiamannschaft nach Tokio zu schicken, war da noch ein kleineres Übel. Das IOC hatte trotzdem kein Verständnis und zeigte mit der Suspendierung, wie es in der Pandemie die Loyalität seiner Mitgliedsländer absichert: durch die Teilnahmepflicht, die in Regel 27.3 der Olympischen Charta festgeschrieben ist.

Aber selbst ohne Suspendierung und mit einem fabelhaften Verhältnis zu den USA - nach Stand der Dinge würde kein Team aus Nordkorea bei den Winterspielen im Februar starten. Wegen der Pandemie, natürlich. Das Gesundheitssystem in Nordkorea ist schwach. Impfstoff-Hilfen hat das Regime bisher abgelehnt. Es verfolgt die Null-Covid-19-Strategie und wartet noch darauf, dass es zur vorpandemischen Reiseroutine zurückkehren kann, durch die auch wieder internationale Hilfsorganisationen ins Land könnten. Wie lange? "Bis die Pandemie vorbei ist, und zwar nicht bis sie objektiv vorbei ist", sagt der Nordkorea-Experte Andrei Lankov von der Kookmin-Universität in Seoul, "sondern bis sie in den Köpfen der Entscheider in Nordkorea vorbei ist." Paris 2024 könnte noch zu früh kommen für Nordkoreas Olympiamannschaft.

Der diplomatische Boykott der USA und anderer Nationen verändert das Ereignis. In Peking 2022 wird glatter Live-Sport verkauft

Die demonstrative Höflichkeitsadresse Richtung China mit USA-Bashing hatte Nordkorea wohl nötig. Der riesige Nachbar ist gerade die einzige große Hilfe, die Kim Jong-un akzeptiert. Nordkorea braucht China, die Solidaritätsbotschaft gegen den diplomatischen Boykott durch Amerika und andere sollte vermutlich die Freundschaft erhalten. Nordkoreas Regime kann gerade nicht viel mehr, als die Fronten zu pflegen, die ihm Orientierung geben.

Das sind die Nebenwirkungen der Pandemie: Die Mauern zwischen den Nationen erscheinen höher als bisher, und die Olympischen Spiele ändern daran nichts. Schon gar nicht die in Peking. Die China-Kritik hat das IOC diesmal nicht aus seinen Ereigniskulissen heraushalten können. Der besagte diplomatische Boykott verändert das Ereignis. In Peking 2022 wird glatter Live-Sport verkauft. Als Gesprächsbühne fällt das Ereignis teilweise aus. Dabei wirkten die Spiele gerade in der Korea-Frage immer wieder wie ein Forum der Versöhnung.

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Wenn es darum geht, Pekings Bevölkerung zwecks Infektionsschutz von Olympia-Teilnehmern fernzuhalten, werden chinesische Behörden ziemlich herzlos. Andererseits: A bisserl mehr Maßnahme geht immer.

Glosse von Johannes Knuth

Offiziell herrscht zwischen Nord- und Südkorea seit dem Ende des Koreakriegs immer noch Krieg. Aber bei den Eröffnungsfeiern in Sydney 2000, Athen 2004 und Turin 2006 marschierten die Teams beider Koreas gemeinsam ein. Südkoreas damalige Regierung betrieb die sogenannte Sonnenscheinpolitik zur Annäherung an den Norden.

2018 in Pyeongchang, Südkorea, gab es wieder Friedenssport. Wieder bestritten beide Teams die Eröffnungsfeier gemeinsam. Im Frauen-Eishockey trat eine gesamtkoreanische Mannschaft an. Kim Jong-un entsandte als Botschafterin des guten Willens seine Schwester Kim Yo-jong. Für die 22 Teilnehmerinnen und Teilnehmer war ein 400-köpfiger Unterstützungstross mit Cheerleadern und Großorchester dabei. Gut für Nordkoreas Propaganda. Aber im gleichen Jahr gab es tatsächlich historische Treffen zwischen Südkoreas Präsident Moon Jae-in und Kim Jong-un. Olympia schien zu helfen.

Der Durchbruch kam dann nicht, das Verhältnis wurde schnell wieder schlecht. Südkoreas Hauptstadt Seoul hat zwar im vergangenen April einen Vorschlag für Olympia 2032 in Seoul und Pjöngjang beim IOC eingereicht, aber das wirkte eher wie guter Wille mit der Brechstange. Kim Jong-un tut nichts, was seine Parteidiktatur ins Wanken bringen könnte. Die Vereinten Nationen können ihre Wirtschaftssanktionen gegen die kleine Atommacht nicht aufweichen, wenn das Kim-Regime sich nicht bewegt. Und wegen der Pandemie ist jetzt ohnehin alles schwierig.

Auch ohne diplomatische Olympia-Flaute könnte Peking 2022 Nordkorea gerade nicht wieder in den Kreis der anderen Nationen zurückholen. Aber auf Dauer ist es für die Menschen in Nordkorea nicht gut, wenn der Rest der Welt allenfalls Post aus Pjöngjang bekommt.

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