Oliver Glasner bei Crystal Palace:Der Modernisierer muss warten

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Gilt schon als Nachfolger, obwohl Roy Hodgson als Trainer von Crystal Palace noch im Amt ist: Oliver Glasner, früherer Coach von Eintracht Frankfurt. (Foto: Cathrin Mueller/Getty Images)

Wann kann Oliver Glasner beim Premier-League-Klub Crystal Palace die Nachfolge der erkrankten Trainerlegende Roy Hodgson antreten? Zunächst muss der Klub eine heikle Trennung moderieren.

Von Sven Haist, London

Seit diesem Wochenende ist die Premier League wohl um ein Kuriosum reicher: Obwohl Oliver Glasner noch nicht als neuer Trainer von Crystal Palace vorgestellt worden ist, nahm er am Samstag mutmaßlich bereits die Arbeit auf. Der Österreicher verfolgte auf der Pressetribüne die Liga-Heimniederlage von Tottenham Hotspur gegen Wolverhampton, einem der kommenden Gegner des Londoner Vorstadtklubs in der Meisterschaft. Dem Vernehmen nach soll sich Glasner mit dem abstiegsgefährdeten Palace auf einen Vertrag bis Juni 2026 verständigt haben. Der 49-Jährige war bis zum Ende der Vorsaison in Diensten von Eintracht Frankfurt und gewann dort 2022 die Europa League, sein bisher größter Erfolg als Trainer. Die Frage ist nur noch, wann genau er das Amt in London übernehmen wird.

Nach zuletzt nur zwei Siegen in 13 Ligaspielen herrscht Alarmstimmung bei Palace. Der Vorsprung auf die Abstiegsplätze beträgt nur noch fünf Punkte. Als sich der Verein mit dem bisherigen Trainer Roy Hodgson offenbar gemeinsam auf das Ende der Zusammenarbeit verständigt hatte, musste jener am Donnerstag plötzlich zu Untersuchungen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Dem 76-Jährigen soll während einer Trainingseinheit unwohl geworden sein. Die Süd-Londoner gaben später Entwarnung, teilten mit, der Zustand des Veteranen sei "stabil".

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Einen ähnlichen Vorfall hatte es im vergangenen September gegeben, als Hodgson am Tag des Auswärtsspiels bei Aston Villa ausfiel. Diesmal könnte er das richtungsweisende Kellerduell beim FC Everton am Montagabend verpassen. In diesem Fall würden ihn seine beiden Assistenten Ray Lewington und Patrick McCarth an der Seitenlinie vertreten.

Viele Kollegen haben sich mit Hodgson bereits solidarisiert

Hodgsons Abstinenz dürfte Palace die Dringlichkeit der Nachfolgersuche nochmals vor Augen geführt haben. Gleichzeitig stellt sie den Klub und insbesondere dessen Vorsitzenden Steve Parish aber vor eine ungeahnte Herausforderung: Wie lässt sich die Ablösung von Hodgson der Öffentlichkeit übermitteln, ohne dass sie stillos wirkt? Offenbar ist sich Palace diesbezüglich selbst nicht sicher. Der Klub hat sich bis jetzt nicht zu den Spekulationen geäußert. Angeblich hatte Hodgson geplant, von sich aus den Weg freizumachen.

Am Freitag nun trafen sich Parish und Glasner in einer Hotellobby in Greenwich - ziemlich ungeschickt, weil sich Sheffield Wednesday an ebenjenem Ort zeitgleich auf das Auswärtsspiel beim FC Millwall vorbereitete. So gelangte die an sich wohl vertrauliche Zusammenkunft an die Öffentlichkeit.

Trainer Roy Hodgson hat sich mit Crystal Palace offenbar bereits auf eine Trennung verständigt. Den ältesten Trainer der Liga-Historie zwingt wohl auch die Gesundheit zum Rückzug. (Foto: Martin Rickett/dpa)

Viele Premier-League-Trainer setzten sich für den beliebten Kollegen ein und übermittelten Genesungswünsche. Tottenhams Ange Postecoglou kritisierte, dass der Beruf des Fußballtrainers einer der wenigen sei, in dem bereits Nachfolger gehandelt würden, obwohl man selbst noch das Amt bekleide. Allerdings werde das nichts an Hodgsons Reputation im Fußballbetrieb ändern, ist sich Postecoglou sicher. Zwei Mal setzte Palace zuletzt in Abstiegsnot auf Hodgson, nachdem zuvor jeweils der Versuch gescheitert war, einen mehr auf Ballbesitz ausgerichteten Spielstil zu implementieren: 2017 mit Frank de Boer und 2023 mit Patrick Vieira.

Klublegende Hodgson sicherte Palace in beiden Fällen den Ligaverbleib und hängte im vergangenen Sommer noch eine weitere Spielzeit dran - trotz seines stattlichen Alters. Kaum ein Fußballtrainer besitzt ein größeres Durchhaltevermögen als Hodgson, der seine Tätigkeit als "sadistisches Vergnügen" bezeichnet. Der Engländer hat quasi sein ganzes Berufsleben an der Seitenlinie verbracht. In einem halben Jahrhundert wies er 17 verschiedene Klubs in sechs Ländern und vier Nationalteams an. Doch nun zwingt den ältesten Trainer der Liga-Historie wohl auch die Gesundheit zum Rückzug.

Die Ergebnismisere in dieser Saison und der damit verbundene Druck waren Hodgson zunehmend anzusehen gewesen. Die Fans äußerten regelmäßig ihre Unzufriedenheit, auf einem Plakat stand: "Vergeudetes Potenzial auf und neben dem Spielfeld wirft uns zurück." Die Proteste der Anhängerschaft gingen Hodgson besonders nahe, er bezeichnete sie sogar als die "härteste Phase" seiner Trainerkarriere. Seit dem Aufstieg 2013 schloss der Verein nur eine Saison in der oberen Tabellenhälfte ab. Die Weiterentwicklung schien zuletzt zu stagnieren.

Mehrheitseigentümer John Textor soll sich bereits um sein Investment sorgen

Die Fähigkeiten der Palace-Spieler kamen unter Hodgsons von Pragmatismus geprägtem Ansatz immer weniger zur Geltung. Dabei besitzt die Mannschaft trotz der Verletzungen von mehreren Schlüsselspielern das Potenzial für eine aufregendere Spielweise. Palace verfügt über hochveranlagte Profis in den eigenen Reihen. Erst im Winter investierte der Klub 30 Millionen Euro in den Kader, so viel wie kein anderer Verein in der Premier League. Vor allem Mehrheitseigentümer John Textor, der Glasner in dieser Saison schon für das ebenfalls ihm gehörende Olympique Lyon verpflichten wollte, soll sich um sein Investment sorgen. Ein Abstieg käme den Verein teuer zu stehen.

Ähnlich wie seinerzeit bei den Bundesliga-Stationen Frankfurt und Wolfsburg besteht die Aufgabe für Glasner bei Palace also darin, die Mannschaft zu modernisieren. Die Fans scheinen seine bevorstehende Verpflichtung wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen, sein Tatendrang bei der Spielbesichtigung in Tottenham kam gut an. Jetzt muss Oliver Glasner nur noch offiziell loslegen dürfen.

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