Zweifel an DFB-Version:Millionen strömen aus merkwürdigen Richtungen

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Franz Beckenbauer (l.) und Wolfgang Niersbach waren an der Organisation der WM 2006 beteiligt. (Foto: Chung Sung-Jun)
  • Durch die Hilfe des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder hatte Franz Beckenbauer Kontakt zu zahlreichen Geldgebern aus der Wirtschaft.
  • Die 6,7 Millionen Euro für die Fifa hätten auch dort geliehen werden können.
  • Ein ehemaliger DFB-Funktionär befeuert die Zweifel an dem Geldtransfer.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott

Am Abend des 3. Juli 2002 traf sich Gerhard Schröder im Kanzleramt mit Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft. Der damalige Regierungschef drängte die Manager, die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zu unterstützen. Es gelte, "alles zu unternehmen", um das Turnier in Deutschland zu einem "herausragenden Sportfest" zu machen. Das sagte der Mann, den sie als Fußballer "Acker" nannten.

Der Kanzler erklärte, er habe auf Vorschlag von Franz Beckenbauer zu diesem Treffen eingeladen. Das vom Fußball-Kaiser geleitete Organisationskomitee (OK) der WM brauchte Geld, und Schröder half. Das war selbstverständlich. "Nägel mit Köpfen" sollten gemacht werden, sagte Schröder. Beckenbauer saß, so sah es die Tischordnung vor, rechts vom Kanzler.

Alle wollten mitmachen

Das Treffen lief wie erwartet. Tags darauf erstellte das Kanzleramt eine Art Zwischenbilanz: Deutsche Post AG: Sachleistungen und Geld. Ebenso die Deutsche Bahn. Volkswagen: Interesse. Obi: Macht mit. Siemens AG: Kann sich nicht vorstellen, nicht dabei zu sein. Hinzu kam, wie das Kanzleramt bereits vorab aufgeschrieben hatte, die Hilfe der Bundesländer. Bei denen bestehe Einvernehmen, das OK aus Mitteln der staatlichen Sportwette Oddset zu fördern, mit bis zu 130 Millionen Euro. Auf den Kanzler war gleich Verlass, auf die Länder und manche Konzerne auch.

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Angesichts der Euphorie, die es schon damals gab, ist es höchst verwunderlich, was Beckenbauer nun laut DFB-Präsident Wolfgang Niersbach behaupten soll: Anfang 2002 soll er gemeint haben, das OK brauche zehn Millionen Schweizer Franken, um 250 Millionen Franken Zuschuss vom Weltverband Fifa für das Turnier zu bekommen; und wenn das nicht möglich sei, werde er das Geld aus seiner Privatkasse vorstrecken.

Hätte denn keine Bank ein Darlehen gewährt, kein Unternehmen die Summe vorgestreckt? Dann schließlich zahlte Robert Louis-Dreyfus, der frühere Chef des Sportkonzerns Adidas. Wofür, warum - das ist ebenso unklar wie die Sinnhaftigkeit des gesamten Vorgangs. Die Geschichte ergibt eigentlich nur Sinn, wenn eine schwarze Kasse bei der Fifa aufgefüllt oder jemand ausgestattet werden sollte. Oder glaubt jemand, dass Beckenbauer, dem so viel möglich war, an einem vergleichsweise kleinen Betrag wie 6,7 Millionen Euro gescheitert wäre? Ihm standen doch alle Türen offen.

Es gibt zu dem Vorgang auch eine andere Geschichte. Sie stammt von einem Mann, der früher manchmal im Fernsehen zu sehen war und sechs DFB-Präsidenten erlebt hat, aber meistens agierte er im Hintergrund: Horst R. Schmidt, die treue Seele des DFB. Der Mann, der den Laden in Schwung hielt. Er war Vizepräsident des weltweit größten Fußballverbandes und eine Schaltstelle bei der WM.

Der pensionierte Schmidt, der in diesen Tagen seinen Garten winterfest gemacht hat, aber auch beim DFB vorbeischaute, hat sich am Donnerstag mit einer Erklärung gemeldet: Die Beckenbauer-Geschichte stimme. Ihm selbst sei es nicht gelungen, von der Fifa einen Zuschuss für die WM-Organisation zu bekommen. Solche Zuschüsse seien üblich, Höhe und Zeitpunkte "jedoch unterschiedlich" gewesen. Beckenbauer habe den Durchbruch erzielt. Louis-Dreyfus soll gezahlt haben.

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Zahlung war mit dem OK nicht abgesprochen

Schmidt behauptet, er habe erstmals im Herbst 2004 durch einen Anruf von Günter Netzer erfahren, dass Louis-Dreyfus einen Anspruch gegen das OK in Höhe von 6,7 Millionen Euro haben sollte. "Zeitnah" habe er damals die Mitglieder des OK-Präsidiums darüber informiert. Also auch Wolfgang Niersbach. "Ohne den Zuschuss wäre die WM zum damaligen Zeitpunkt nicht zu finanzieren gewesen. Dass wir einen riesigen finanziellen Erfolg mit der Ausrichtung der WM erzielen würden, war zu diesem Zeitpunkt nicht ansatzweise vorhersehbar." Die Zahlung der 6,7 Millionen sei nicht mit dem OK abgesprochen worden. Im Namen von Beckenbauer sei ein Schuldschein abgegeben worden. "Das OK hätte im Jahr 2002 eine solche Zahlung ohnehin wirtschaftlich nicht aufbringen können."

Ist diese Geschichte nachvollziehbar? Ist der treue Schmidt auf Kurs gebracht worden oder sagt er die Wahrheit?

In seiner Erklärung teilt er mit, er sei "natürlich nicht glücklich über die intransparente Gestaltung". Für alle aber sei klar gewesen, "dass letztlich das OK und nicht Franz Beckenbauer persönlich für diese Verbindlichkeit einzustehen" hat. Er habe gemeinsam mit dem damaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger Anfang 2005 mit Louis-Dreyfus darüber gesprochen, ob der nicht auf seine Forderung verzichte. Der habe das abgelehnt. Dann sei die Fifa als "Zuschussgeber" eingeschaltet worden.

Die 6,7 Millionen Euro für Louis-Dreyfus seien auf ein Fifa-Konto gezahlt und von dort weitergeleitet worden. Die Zahlung sei mit der Beteiligung des DFB an den Kosten der geplanten WM-Gala verrechnet worden. Als die Gala abgesagt wurde, habe die Fifa das OK "im Gegenzug nicht an den bereits entstandenen Kosten der Feier beteiligt". Deshalb habe man das Geld nicht zurückgefordert. Beckenbauer habe "nur im Interesse des OK gehandelt".

© SZ vom 23.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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