Playoffs in der NFL:Spektakuläres Scheitern im Schneegestöber

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Bills-Quarterback Josh Allen (blaues Trikot) muss gegen die Cincinnati Bengals einiges einstecken - nach dem Aus in den Playoffs hat er nun genug Zeit, sich zu erholen. (Foto: Adrian Kraus/AP)

Nach dem überraschenden Playoff-Aus will Buffalos Quarterback Josh Allen die Saison als "null und nichtig" erklären. Doch es bleibt vieles hängen: der Herzinfarkt von Damar Hamlin - und Probleme bei der Aggressionsbewältigung.

Von Christoph Leischwitz

Viel war hernach die Rede davon, wer sich wann in der Kabine der Buffalo Bills aufgehalten hatte. Vor allem der Besuch von Damar Hamlin in der Halbzeit hatte Aufsehen erregt. Der Abwehrspieler des Super-Bowl-Anwärters hatte beim gleichen Duell mit den Cincinnati Bengals zwei Wochen zuvor einen Herzinfarkt erlitten. Jetzt war er als Motivator ins Highmark Stadion gekommen, zum ersten Mal seit der Entlassung aus dem Krankenhaus; vor dem Spiel und in der Halbzeit hatte er seine Mitspieler getroffen. Nach dem Spiel wiederum verließ Passempfänger Stefon Diggs den locker room etwas zu schnell. Für die Schlussworte der Trainer musste er noch einmal zurückgeholt werden.

Offensichtlich wollte Diggs auch weg von Josh Allen nach dieser deutlichen Klatsche. Vor seinem Quarterback hatte er, am Seitenrand in einer Spielpause, die Arme mehrmals ausgebreitet und ihm wohl an den Kopf geworfen, dass er den Ball zu selten bekomme. Der wichtigste Punktelieferant nach Allen selbst kam an diesem Abend gegen die Bengals auf läppische 35 Yards. Und die Bills im eigenen Stadion gerade einmal auf zehn Punkte. Endstand: ein überraschend deutliches 10:27.

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Der junge Quarterback leistet sich auch gegen die Dallas Cowboys kaum einen Fehler - und spielt nun um den Einzug in den Super Bowl. Der Top-Favorit aus Buffalo scheidet überraschend aus.

Sie waren damit der einzige Favorit, der am Wochenende der Divisional Playoffs ausschied. Ausgerechnet die wetterfesten Bills schienen vom permanenten Schneegestöber gehemmt, während die Bengals "einen guten Plan" hatten, wie es Josh Allen formulierte. Vor allem agierten sie viel stärker in mannschaftlicher Geschlossenheit als die sogenannte Bills Mafia, eine Name für die Fans, der aber gerne vom Team übernommen wird. Während bei den Bills sehr viel davon abhängt, dass das Duo Allen/Diggs funktioniert, verfügen die Bengals über mehrere überdurchschnittliche Passempfänger. Außerdem dominierten die schweren Jungs an der Linie klar, auf beiden Seiten: Bengals-Quarterback Joe Burrow kam selten, Josh Allen sehr oft in Bedrängnis. Das Laufspiel der Gäste war deshalb auch erfolgreicher, mit 172 Yards im Vergleich zu den 63 Yards der trägen Bills.

Hängen bleiben wird von dieser Saison der Schock-Moment, als Damar Hamlin bewusstlos zu Boden fiel

Die Halbfinals am Sonntag bestreiten in den beiden Konferenzen die San Francisco 49ers und die Philadelphia Eagles in der NFC. In der AFC reisen die Bengals zu den Kansas City Chiefs, die sich trotz einer Bänderverletzung ihres Spielmachers Patrick Mahomes 27:20 gegen die Jacksonville Jaguars durchsetzten. Wer Favorit in diesem Duell ist, entscheidet allein der Heilungsprozess in Mahomes rechtem Knöchel.

Durch das Aus der Bills kommt es nun auch gar nicht zu dem geplanten Novum eines Halbfinals auf neutralem Platz (in diesem Fall: Atlanta). Das hatte die National Football League (NFL) für den Fall des Duells Chiefs gegen Bills beschlossen. Das Saisonspiel Buffalos gegen Cincinnati war nach Hamlins Herzinfarkt abgebrochen worden und ging nicht in die Wertung ein. Gemessen an der Zahl der Niederlagen waren die Bills und die Chiefs nach der regulären Saison gleichauf.

Der Frust der Bills am Sonntagabend war insofern verständlich, als dass die Sehnsucht nach der Lombardi Trophy bei Mannschaft und Fans besonders stark ist. Champions waren sie noch nie; in den 1990er-Jahren verloren sie vier Super-Bowl-Spiele in Serie. Dann wurde es ruhig um das Team aus dem Norden des Staates New York, erst 2017 erreichten sie zum ersten Mal in diesem Jahrhundert die Playoffs. Seitdem läuft es eigentlich ganz gut. Erstens, weil die Erfolgsära des Divisions-Rivalen New England Patriots beendet ist. Und zweitens, weil Josh Allen zu den spektakulärsten Quarterbacks der Liga gehört. Sein Problem ist nur, dass er in den Playoffs spektakulär scheitert. Die nun beendete Saison erklärte der 26-jährige gebürtige Kalifornier schlicht für "null und nichtig" - der Sieg in der Division, das Erreichen der zweiten Playoff-Runde, solche Dinge zählen für die Mannschaft, die quasi unter den Titellosen die Erfolgreichste ist, also gar nichts mehr.

Gehört zum Spektakulärsten, aber nicht Erfolgreichsten, was die NFL zu bieten hat: Bills-Quarterback Josh Allen. (Foto: Mark Konezny/USA Today Sports)

Natürlich wird von dieser Saison trotzdem vieles hängen bleiben. Zum einen der Schock-Moment, als Damar Hamlin bewusstlos zu Boden fiel. Verbunden mit der rein sportlichen Tatsache, dass eben jener Hamlin diesmal an allen Abwehrecken und -enden fehlte - Jordan Poyer, wie Hamlin für den Rückraum der Abwehr zuständig, war bei den entscheidenden Würfen von Joe Burrow immer ein paar Zentimeter zu weit vom Gegner entfernt; gegen Ende musste er auch noch mit Verdacht auf Gehirnerschütterung vom Feld.

Zum anderen bleiben von dieser Bills-Saison Bilder einer erfolglosen Aggressionsbewältigung. Stefon Diggs' disziplinloser Auftritt nach der Niederlage ist da sogar nur Randnotiz. Einbrennen wird sich der schwarze Bildschirm nach dem Ausraster von Offensiv-Trainer Ken Dorsey. Als das Auswärtsspiel in Miami Ende September denkbar knapp verloren ging, zerstörte er die ihn filmende Kamera. Mit dem ultimativen Erfolg wird es für die Bills wohl erst klappen, wenn Niederlagen nicht immer gleich als null und nichtig erklärt werden.

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