Lukas Podolski:"Für mein Herz ist Köln einfach das Beste"

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Warum Lukas Podolski sich vorstellen kann, für immer beim 1. FC Köln zu bleiben - und zugleich ein Führungsspieler in der Nationalmannschaft zu sein.

Ralf Wiegand

SZ: Herr Podolski, seit wann sind Sie wieder ein Kölner?

Das war sein letztes Tor gegen Köln: Lukas Podolski bejubelt im September 2008 sein 3:0 für die Bayern. Sein Jubel zeigt: Er bittet um Verzeihung. (Foto: Foto: AP)

Podolski: Seit drei Tagen bin ich zurück. Ich war ja schon nach dem letzten Bundesliga-Spieltag für zwei Tage hier, dann kamen die Asienreise mit der Nationalelf und der Urlaub auf Kreta. Aber jetzt werden viele Kisten ausgeräumt.

SZ: Wie ist das Gefühl, wieder zu Hause zu sein?

Podolski: Die Vorfreude war ja schon groß. Während der Asienreise und im Urlaub war es aber halt immer noch so, dass ich ein Gefühl hatte, als käme ich danach nach München zurück. Doch das habe ich jetzt nicht mehr. Ich bin jetzt wieder richtig Kölner, wie man sagt.

SZ: Phasenweise wirkte Ihr Wechsel vom FC Bayern zum 1. FC Köln wie eine Flucht. Wie haben Sie das empfunden?

Podolski: So ist es nicht. In den Jahren in München hat sich auch etwas entwickelt. Ich sage ja nicht: München war eine komische Stadt und der FC Bayern ein schlechter Verein. Es gab auch positive Erlebnisse. Die Stadt war schön, mein Sohn ist da geboren, und ich habe top gewohnt. Es waren tolle drei Jahre da.

SZ: Aber Sie gehen von einem Ort, an dem Sie sich nicht so wohl fühlten, in eine Stadt, die Ihre Heimat ist. Klingt nach dem bequemen Weg.

Podolski: Ich hatte ja mehrere Optionen, hätte auch ins Ausland gehen können. Aber für mich persönlich, für mein Herz, ist Köln einfach das Beste. Ich hatte tolle Gespräche mit Christoph Daum, der damals noch Trainer war, und mit Manager Michael Meier. Der Verein will in den nächsten Jahren einige Schritte nach vorne machen, und das hat mich überzeugt. Wenn ich das Gefühl hätte, der FC spielt nur gegen den Abstieg, dann hätte ich das wohl nicht gemacht.

SZ: Sie verzichten auf Mailand, Barcelona, Madrid, die großen Spiele. Sie müssen Köln wirklich mögen.

Podolski: Ich habe seit der D-Jugend in dem Verein gespielt, da ist ja klar, dass ich deshalb zum FC eine ganz enge Beziehung habe. Da gehört das super neue Stadion dazu, dann die Fans - die sind, glaube ich, einmalig in der Liga, da gibt es nix Besseres.

Auf der nächsten Seite: Lukas Podolski über Erwartungen an ihn, Karriereplanung und den überraschenden Abgang von Christoph Daum.

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SZ: Vor allem sind sie leidensfähig. Der Anhang hofft seit Jahrzehnten, dass der FC es ganz nach oben schafft, und wird immer wieder enttäuscht.

Podolski im Trikot des 1. FC Köln, 2006: "Fußball ist ein Beruf, auf den hat man schon als kleiner Junge hingearbeitet, auf dem Bolzplatz. Das muss man schätzen." (Foto: Foto: AP)

Podolski: Ja, das gehört zum Fußball. Das ist wie bei einem Spieler: Wenn es bei mir immer nur aufwärts gegangen wäre, immer nur "super Poldi, super Poldi", wäre das nicht normal gewesen. Man muss auch Rückschläge haben. Die waren beim FC Bayern nun mal da, damit bin ich gut umgegangen, denke ich. Da kommt man gestärkt raus. Und jetzt beginnt ein neues Kapitel.

SZ: Wie wollen Sie verhindern, dass die Erwartungen Sie erdrücken?

Podolski: Es ist gar nicht so, wie viele immer sagen: "Boah, da ist jetzt der Druck so groß, warum macht er das überhaupt". Nä - ich freue mich auf Köln, wirklich! Ich freue mich, wenn es am 25. Juni im Stadion losgeht und ich das FC-Trikot wieder tragen kann. Ich kann es kaum erwarten, wieder auf dem Platz zu stehen und zu trainieren. Fußball ist ein Beruf, auf den hat man schon als kleiner Junge hingearbeitet, auf dem Bolzplatz. Das muss man schätzen, das macht Spaß, und den Spaß will ich zeigen.

SZ: Eine gute Karriereplanung sähe aber anders aus.

Podolski: Klar, viele sagen: Ach, der muss Champions League spielen. Klar, das muss der Anspruch sein, aber momentan sind mir andere Dinge wichtiger. Ich habe jetzt eine tolle Aufgabe mit dem FC. Natürlich wäre ein Schritt zu einem Topverein im Ausland oder in der Bundesliga besser gewesen für die Karriere. Aber sehen Sie, viele haben mir Werder Bremen und den Hamburger SV ans Herz gelegt - und die spielen auch nicht Champions League. Ich freue mich halt auf Köln, was soll ich da sagen?

SZ: Beschreiben Sie doch mal die sportliche Aufgabe in Köln.

Podolski: Das ist mein Verein, ich will mit dem FC nach vorne. Das ist doch auch eine Aufgabe, genauso wie es eine Aufgabe wäre, Pokale zu gewinnen. Das ist momentan eben nicht so. Wer weiß, was in den nächsten Jahren passiert. Ich spiele ja nicht allein auf dem Platz, ich habe gute und erfahrene Mitspieler, Mondragon, Petit. Das wird gut!

SZ: Christoph Daum hätte viel von den Erwartungen von Ihnen nehmen können, als schillernde Persönlichkeit. Nun ist er in die Türkei gegangen, und Sie sind das einzige Kölner Original.

Podolski: ... neben Overath. Es dreht sich nicht alles um Lukas Podolski. Auf dem Platz steht eine Mannschaft, die muss versuchen, den FC nach vorne zu bringen. Der FC gehört nach vorne, vom Potential und vom Gesamtpaket her.

SZ: Bekommt der FC einen anderen Poldi zurück als den, der vor drei Jahren gegangen ist?

Podolski: Ich bin Lukas Podolski, ich habe mich nicht groß verändert. Aber ich habe eine Menge gelernt, nicht nur durch die Rückschläge. Ich habe zwei EMs, eine WM gespielt, das sind alles Erfahrungen, die einen als Fußballer und als Mensch voran bringen. Man trainiert bei Bayern München mit den Besten. Und privat: Es ist ganz wichtig für mich gewesen, dass mein Sohn geboren ist, denn man hat jetzt eine andere Rolle als Vater, viel Verantwortung. Oder Verträge: Als 17-, 18-Jähriger weiß man doch gar nicht, was man damit anfangen soll. Jetzt treffe ich gewisse Entscheidungen alleine.

SZ: Ihr neuer Trainer Zvonimir Soldo erwartet das auch von Ihnen. Er hat Sie zum Führungsspieler erklärt. Wie sehr hat Sie der Trainerwechsel beeindruckt?

Podolski: Ich habe bei der Nationalmannschaft in Dubai einen Anruf bekommen, dass der Trainer weg ist. War natürlich überraschend. Aber wir haben jetzt ein neues, gutes Trainerduo, das war eine gute Entscheidung vom Präsidium. Dass Christoph Daum weg ist, muss man respektieren wie meine Entscheidung, nach Köln zu gehen. Er hat wohl ein tolles Angebot gehabt. Ich bin ja nicht wegen dem Trainer zum FC gewechselt. Bei einem anderen Verein wäre es vielleicht anders gewesen. Aber in Köln kenne ich einen Wolfgang Overath, einen Jürgen Glowacz, einen Michael Meier schon Jahre. Ich wollte das Gesamtkonzept des Vereines sehen, und das ist gut.

Auf der nächsten Seite: Podolski über sein Schicksal als Auswechselspieler unter Klinsmann, seinen neuen Trainer Zvonimir Soldo und den Streit mit Michael Ballack.

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SZ: Wären Sie überhaupt nach Köln gekommen, wenn es in München nicht nur in den letzten fünf Spielen unter Jupp Heynckes, sondern vielleicht 55 Spiele so gut gelaufen wäre?

Podolski: Ich habe es immer wieder gesagt: Wenn man mir mal die Chance gegeben hätte, über so eine Strecke zu spielen wie unter Jupp Heynckes, dann wäre es die letzten Jahre vielleicht anders gelaufen. Aber ich hatte nie die Chance, mich da auszuzeichnen. Es ist als Einwechselspieler schwer, Bäume rauszureißen. Man kann andeuten, was man kann, aber im Endeffekt will ein Fußballer über 90 Minuten zeigen, was er kann, und das über mehrere Spiele. Ich bin einfach kein Einwechselspieler oder Bankspieler. Ich habe den Anspruch, dass ich immer 90 Minuten spielen will.

SZ: Andere auch.

Podolski: Stimmt, andere auch. Aber ich kann es einfach nicht. Ich brauche das Vertrauen. Das war bei Bayern nicht so gegeben. Da war man ein Auswechselspieler, und der Trainer, also Jürgen Klinsmann, hat mich gar nicht richtig wahrgenommen. Wenn dann mal einer ausgefallen ist, wurde man plötzlich gestärkt und war wieder wichtig. Man muss vom Trainer aber auf Dauer das Vertrauen haben, dann kann hinterher auch angesprochen werden, wenn man schlecht gespielt hat. Das gehört dazu. Ist ja nicht so, dass Podolski jetzt hier in Köln ist und nicht angegriffen werden darf, wenn er schlecht spielt.

SZ: Wie wichtig war es für Sie, dass Sie unter Heynckes noch einmal glänzten, und wie hat er Sie stark gemacht?

Podolski: Er hat klare Vorstellungen auf dem Platz, er hat ja auch eine Menge Erfahrung. Ich habe viel mitgenommen aus diesen letzten Wochen, er hat viel mit mir geredet, hat mir Mut zugesprochen. Ich wusste, dass ich unter ihm spielen werde. Da habe ich mir gedacht, jetzt zeigst du noch mal, was du kannst und verabschiedest dich gut.

SZ: Und wie war es davor?

Podolski: Ich bin von der Euro 2008 gekommen und habe das Gespräch mit Jürgen Klinsmann gesucht. Da hat er mir klar gemacht, dass er mit den zwei Stürmern plant, die da waren, und dass ich hintendran hänge. Er sagte, es würde ein Prozess von ein, zwei Jahren sein, bis ich vorbeiziehen kann. Das war für mich ein Schlag ins Gesicht. Da war für mich klar: Falls du jetzt keine Einsätze bekommst, musst du reagieren. Die Entscheidung ist dann ja auch im Januar getroffen worden, dass ich nach Köln gehe. Uli Hoeneß war da sehr korrekt, er hat ein bisschen als Freund agiert. Er hat mir geholfen, dass der Wechsel zustande kommt.

SZ: Ihr neuer Trainer Soldo sieht in Ihnen einen Führungsspieler. Verändert das Ihren Stellenwert im Nationalteam?

Podolski: Führungsspieler ist nicht der, der am lautesten schreit, sondern der, der mit Leistung überzeugt. Ich habe über 60 Länderspiele, viele Turniere gespielt, 'ne gute WM, 'ne gute Euro, 'nen guten Confed-Cup. Es muss mein Anspruch sein, Führungsspieler zu sein. Dass ich das Aushängeschild im Verein bin, ist mir klar. Wenn da plötzlich eine Welle auf mich zukommen würde, wäre das was anderes. Aber ich weiß das alles.

SZ: Nationalmannschafts-Kapitän Michael Ballack vermittelte zuletzt den Eindruck, das anders zu sehen. Er hat Ihre Respektlosigkeit aus dem Wales-Spiel, als Sie ein kleines Handgemenge mit ihm hatten, noch nicht abgehakt. Klingt weiterhin wie Meister und Lehrling.

Podolski: Klar hat er Erfahrung und ist ein guter Spieler. Aber ein Lahm, ein Schweinsteiger, Arne Friedrich oder ich sind auch gute Leute, die über 50, 60 Länderspiele haben und etwas sagen können. Wales war für mich eigentlich schon nach ein, zwei Wochen erledigt. Wir hatten das Gespräch mit Michael Ballack, Trainer Jogi Löw, Manager Oliver Bierhoff, den Co-Trainern und mir. Ich habe mich entschuldigt. Es war ein Fehler von mir, der hätte nicht passieren dürfen. Aber jetzt beginnt eine neue Zeit, dieser Vorfall ist für mich erledigt. Mein Verhältnis zu Michael ist gut. Wie vorher.

SZ: Jogi Löw gehört zu Ihren Förderern. Wie hat er den Wechsel nach Köln begleitet?

Podolski: Es ist nicht immer alles vom Trainer abhängig. Wo ich jetzt in der Nationalelf stehe, habe ich mir erarbeitet durch gute Leistungen. Vor der Euro kam ich als Stürmer Nummer fünf, und am Ende habe ich jedes Spiel gemacht. Als ich 18 war, bin ich auch durch die Leistungen, die ich in Köln gebracht habe, zur Euro und zur WM gereist. Warum sollte das jetzt nicht gehen? Löw hat gesagt: Entscheide nach deinem Herzen.

SZ: Man hat nicht den geringsten Zweifel - Ihr Herz schreit Köln.

Podolski: Es hat mich nicht so gereizt, jetzt ins Ausland zu gehen. Das kann man vielleicht später noch machen. Vielleicht spiele ich aber auch für immer beim FC, bis zum Karriereende. Das ist einfach ein Super-Verein, da passt alles.

© SZ vom 20.06.2009/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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