Neuer VfL-Trainer Kohfeldt:Jetzt bitte so wie er will

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Florian Kohfeldt verkündet vor seinem ersten Sieg als Wolfsburg-Trainer, dass er nach den Erfahrungen in Bremen seine Art des Fußballs konsequenter durchziehen will. Das ist verständlich - verbaut ihm aber auch Möglichkeiten.

Kommentar von Martin Schneider

Statistisch gesehen wird es in dieser Saison mindestens noch sechs Mal passieren, dass ein Trainer so wie Florian Kohfeldt seinen ersten Arbeitstag hat. Schaut man sich die vergangenen zehn Jahre an, dann waren sieben Trainerwechsel im laufenden Wettbewerb der Tiefstwert. Ansonsten wurde fröhlicher getauscht und das vergangene Jahr bildete insofern einen Rekord, als dass zu Anfang der aktuellen Saison überhaupt nur noch vier Teams mit dem Coach starteten, mit dem sie das Jahr zuvor begonnen haben - nämlich Stuttgart, Hoffenheim, Union Berlin und natürlich Freiburg.

Das gute alte Fahrgeschäft "Trainerkarussell" auf dem einst Friedhelm Funkel, Felix Magath oder Ewald Lienen saßen und absprangen und auf dem Bruno Labbadia ja irgendwie immer noch seine Runden dreht, wurde allerdings teilweise durch das Gesellschaftsspiel "Trainerdomino" ersetzt, bei dem ein Wechsel den anderen bedingt - so zu beobachten bei den Spielsteinen Rose (von Gladbach nach Dortmund), Hütter (statt Rose nach Gladbach) und Glasner (statt Hütter zu Frankfurt).

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Florian Kohfeldt war 15 Jahre lang Fan, Jugendtrainer und Trainer beim SV Werder Bremen, doch die Beziehung endete im Abstieg. Dennoch blieb sein Ruf exzellent - nun kann er sich direkt in der Champions League beweisen.

Von Thomas Hürner

Da fragt man sich nach zehn Spieltagen natürlich, was das alles gebracht hat. Nun: Marco Rose und Julian Nagelsmann können eigentlich ganz zufrieden sein, haben aber jeweils ein fieses 0:4 (gegen Ajax) und 0:5 (gegen Gladbach) in der Bilanz, das am Selbstbewusstsein nagt wie ein Biber an der Buche. Adi Hütter und Oliver Glasner haben die Bayern geschlagen, allerdings würde Glasners Eintracht ohne diesen Sieg fast auf dem Relegationsplatz stehen. So richtig euphorisch sind bezeichnenderweise die beiden Klubs, die ihren Trainer behalten haben: Union und Freiburg.

Der Ansatz von Kohfeldt: Erst kommt meine Idee, dann kommt die Mannschaft

Die Frage, wann ein Trainerwechsel wirklich etwas bringt, ist also weiter stark vom Einzelfall abhängig, aber damit zurück zu Kohfeldt, der vor dem ersten Spiel mit seinem neuen Team einen interessanten Gedanken äußerte. Er sagte, er wollte eine Mannschaft trainieren, bei der es möglich ist "bei meiner Idee vom Fußball nicht zu viele Abstriche zu machen. Man muss selbstkritisch sagen, dass wir im letzten Jahr in Bremen nicht den Fußball gespielt haben, den ich mir vorstelle."

Das ist eine recht selbstbewusste Aussage: Erst kommt meine Idee, dann kommt die Mannschaft. Kohfeldt versteht sich also ausdrücklich nicht als pragmatischer Dienstleister, der anhand der Spieler und der Tabellensituation die Taktik anpasst. Nein, umgekehrt soll es sein.

Man kann das schon verstehen. In seiner Zeit in Bremen hat er ja einmal alles durchgemacht.

- Erste Phase: Mit attraktivem Fußball fast im Europapokal. (Saison 18/19)

- Zweite Phase: Mit attraktivem Fußball fast zum Abstieg. (Saison 19/20)

- Dritte Phase: Mit destruktivem Fußball fast zum Nicht-Abstieg (Saison 20/21 bis Spieltag 24).

- Vierte Phase: Mit nicht-ganz-so-destruktivem Fußball dann doch noch in die zweite Liga rauschen. (Saison 20/21 ab Spieltag 24)

Da liegt Kohfeldts Schlussfolgerung nahe. Und es gab ja in der Vergangenheit schon mehrere Konstellationen, in denen Vorstellung von Coach und Mannschaft überhaupt nicht zusammenpassten, exemplarisch etwa Niko Kovacs Zeit beim FC Bayern, wo der Trainer so gern leidenschaftlich verteidigen, seine Mannschaft aber so gern leidenschaftlich angreifen wollte.

Kohfeldts Aussage erleichtert es auch zukünftigen Arbeitgebern. Als in Abstiegsgefahr befindlicher Traditionsklub, der sich nichts sehnlicher wünscht als ein dreckiges 1:0, Kopfball nach Ecke, und ansonsten das Tor verteidigen, als wäre es eine Schatzkammer, muss man gar nicht erst bei Kohfeldt anrufen.

Als Feuerwehrmann, um neben Trainerkarussell mal noch eine leicht angestaubte Vokabel aus der Bundesliga-Geschichte zu bemühen, will Kohfeldt also offensichtlich nicht arbeiten. Wobei nichts unehrenhaftes an diesem Berufsbild ist. Bruno Labbadia führte die drei Mannschaften, die er zuletzt in der Saison übernahm (Hamburg, Wolfsburg und Hertha) zum Klassenverbleib. Und die These ist nicht so gewagt, dass es gegen Ende der Saison wieder irgendwo brennen wird. Kohfeldt will sich das aber gern aus sicherer Distanz angucken. Auch das ist nach seiner Zeit in Bremen nur allzu verständlich.

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