Japan bei der Fußball-WM:Selbst die Gegnerinnen sind begeistert

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Aktuell Japans Beste: Hinata Miyazawa jubelt auch gegen Norwegen. (Foto: Grant Down/AFP)

Mit Ball, ohne Ball, immer anders, aber immer gut: Japans Anpassungsfähigkeit führt dazu, dass ein junges Team durchs Turnier spaziert und im Viertelfinale steht - mit einer Stürmerin, die auf einmal sogar mutige Ansagen macht.

Von Felix Haselsteiner, Wellington/Auckland

Zur Pressekonferenz erschien Hinata Miyazawa ohne ihr Markenzeichen. Das Haarband, das sie auf dem Platz trägt, ist eine Hommage an Nahomi Kawasumi - inzwischen 37 Jahre alte Haarbandträgerin, die in Japan während der WM 2011 in Deutschland bekannt wurde, als sie im Halbfinale beim 3:1 gegen Schweden zwei Tore erzielte und damit den Weg bereitete für den WM-Titel und den großen Fußballboom des Landes. Auch junge Mädchen wie Miyazawa, damals zwölf Jahre alt, wurden so inspiriert. Ihrem großen Bruder sei sie damals immer mit dem Fußball hinterhergelaufen, erzählte Miyazawa einmal, und mit dem Haarband wolle sie seit ihrer Kindheit ihre Bewunderung für die alten Heldinnen ausdrücken. Mit denen sie inzwischen verglichen wird.

Nach dem Sieg im Achtelfinale gegen Norwegen allerdings hat sie Kawasumi längst hinter sich gelassen: Fünf Tore hat Japans überraschende Torjägerin bereits erzielt, das sind so viele wie die ebenfalls als Ikone verehrte Stürmerin Homare Sawa 2011 im ganzen Turnier - und genug, um aktuell die Torjägerliste anzuführen. Ein schüchternes Lächeln entfuhr ihr nach dem Spiel, als sie darauf angesprochen wurde. Auf ihrer zweiten Pressekonferenz als "Spielerin des Spiels" nacheinander wirkte Miyazawa weiterhin sehr zurückhaltend.

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Sie sei "sehr glücklich", dass sie den Rekord eingestellt habe, sagte sie - dann folgte für japanische Verhältnisse eine fast schon mutige Ansage: "Ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir so weit kommen. Aber jetzt, wo ich hier bin, möchte ich gerne noch öfter treffen."

3:1 gewannen die Japanerinnen in Wellington gegen Norwegen das zweite Achtelfinale der Weltmeisterschaft, durch ein Eigentor sowie Treffer von Risa Shimizu und Miyazawa. Und allmählich müssen auch sie selbst akzeptieren, dass sie den Status als Geheimfavoritinnen gegen den eines echten Favoriten eingetauscht haben. 5:0 gegen Sambia, 2:0 gegen Costa Rica, 4:0 gegen Spanien und nun - trotz des ersten Gegentores zum zwischenzeitlichen 1:1 durch Guro Reiten - ein klarer Sieg gegen die Norwegerinnen: Das ist eine Bilanz, die dem Rest des Feldes längst große Furcht einjagt vor Japan und seiner unglaublichen Anpassungsfähigkeit.

Das Team ist sehr jung: Die einzige Spielerin über 30 ist Innenverteidigerin Saki Kumaga

Während die meisten anderen Teams sich vor dem Turnier für einen Stil entschieden haben, überlegt sich Japans Trainer Futoshi Ikeda für jeden Gegner etwas Neues. Bestes Beispiel: Am Montag besiegten die Japanerinnen völlig überrumpelte Spanierinnen mit gerade einmal 20 Prozent Ballbesitz durch vier schnelle Konter - nun schlugen sie Norwegen mit fast 60 Prozent Ballbesitz. Was in beiden Spielen zu sehen war, waren die gefährlichen Schnittstellenpässe und die eiskalten Abschlüsse vor dem Tor, wie jener von Miyazawa beim 3:1. Siegen, das beweist Japan, kann man mit und ohne Ball.

"Ich hatte schon vermutet, dass sie den Ball nehmen, aber Respekt für Japan für diese Leistung", sagte Norwegens Trainerin Heege Riise. Die Gegnerinnen sind überhaupt hellauf begeistert von den Leistungen der Japanerinnen, schon die Spanierinnen äußerten sich sehr respektvoll, nun auch die Norwegerinnen.

"Sie sind sehr diszipliniert und sehr strukturiert in der Art und Weise, wie sie offensiv und defensiv spielen. Sie haben so viel Qualität vor dem Tor, dass sie nicht viele Chancen brauchen. Ich denke, sie haben viele Stärken, die sie ausspielen können, und sie haben gezeigt, dass sie das gegen verschiedene Arten von Mannschaften tun können", sagte Außenstürmerin Caroline Graham Hansen, die in Abwesenheit der immer noch angeschlagenen Ada Hegerberg die Offensive organisieren sollte - aber immer wieder an der japanischen Viererkette scheiterte.

Japans Taktik geht auf - das ist auch die Leistung des Trainers

Die Anpassungstaktik Japans ist auch insofern überraschend, als dass sich außerhalb von Christchurch eines der jüngsten Teams der WM niedergelassen hat. Die einzige Spielerin über 30 im Kader ist Innenverteidigerin Saki Kumagai, die 2011 schon Weltmeisterin wurde und bis vor kurzem beim FC Bayern spielte. Der Sieg bei der U20-WM 2018 und der zweite Platz im Jahr 2022 waren bereits Indizien dafür, dass nach dem WM-Titel 2011 eine weitere starke Generation entstand, nun stellen Miyazawa und Spielerinnen wie Yui Hasegawa von Manchester City das unter Beweis.

Es ist allerdings auch die Leistung des Trainers, die im Land für großes, dringend benötigtes Interesse sorgt, weil die vor zwei Jahren neu gestartete Profiliga noch nicht der TV-Renner geworden ist, der sie sein sollte. Futoshi Ikeda hat sich einen Namen gemacht als jemand, der sich gut darin versteht, eine Einheit zu formen, und viel Wert auf einen guten Draht zu seinen Spielerinnen legt. Er ist auch großer Anhänger besagter Gegneranalyse, über die er in Pressekonferenzen allerdings ungern genaueres verrät.

Auf Hansens ausführliches Lob angesprochen, bedankte sich Ikeda und stimmte zu, dass sein Team "im Verlauf des Turniers immer selbstbewusster wird", weil die Taktik aufgeht. Über die eigene redete er gerne, erklärte detailreich die Raumaufteilung in der zweiten Halbzeit, aber man denke im Hinblick auf die Gegner, so Ikeda, nur "schrittweise von Spiel zu Spiel". Eine altbekannte Floskel, die allerdings im Falle der anpassungsfähigen Japanerinnen überraschend zutreffend ist.

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