Spaniens Bonmatí bei der Fußball-WM:Sie tanzt und reißt alles an sich

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Zentrale Figur des spanischen Spiels aus der ewigen Talenfabrik des FC Barcelona: Aitana Bonmatí (Foto: Abbie Parr/dpa)

Aitana Bonmatí steht im Mittelpunkt des Spiels der Spanierinnen - nach dem 5:1 im Achtelfinale gegen die Schweiz darf sich das Team als WM-Favorit fühlen. Die einstige Königin sitzt vorerst auf der Bank.

Von Felix Haselsteiner, Auckland

Aitana Bonmatí tanzte auch noch vor dem Tor, so wie sie es gelernt hat. Ein Haken, ein zweiter Haken, die Schweizerinnen wussten nicht, wohin sie ihre Beine strecken sollten - dann folgte der Abschluss zum vorentscheidenden 3:1, an allen Beinen vorbei, wie ein etwas schärfer gespielter Pass flog er aus kurzer Distanz ins Netz. So lernt man in La Masia das Toreschießen, al estilo Barça, im Stil von Barcelona, an dem Bonmatí so sehr hängt: Xavi und Iniesta nennt die 25-Jährige als ihre Vorbilder - und dank Auftritten wie jenem im Eden Park von Auckland am Samstag könnte sie bald auf derselben Stufe stehen wie ihre Helden von einst.

"La España de Bonmatí" habe dieses Achtelfinale gegen die Schweiz gespielt, dominiert und gewonnen, schrieb El País: Das Spanien von Bonmatí, der Mittelfeldspielerin, die nicht nur zwei der fünf Tore erzielte, sondern auch den Rhythmus der Mannschaft vorgab. "Es geht nicht nur um die Tore", sagte sie nachher: "Ich habe versucht, manchmal nach vorne zu gehen, manchmal das Spiel zu verlangsamen, das war vor allem wichtig."

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Seit Monaten herrscht im spanischen Team um Alexia Putellas ein fundamentaler Streit. Bei der WM soll es zumindest zu einer Zweckgemeinschaft reichen - aber nun hat Japan die Schwächen gnadenlos aufgedeckt.

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Allerdings: Es ging schon um die Tore. 15 hat Spanien nun erzielt, in vier Spielen bei dieser Weltmeisterschaft, was eine beeindruckende Quote ist. Und doch wurde das Achtelfinale gegen die Schweiz zum Test auserkoren, weil das dritte Gruppenspiel alles in Frage gestellt hatte: 0:4 gegen Japan hatte Spanien am Montag in Wellington verloren, trotz unendlich viel Ballbesitz und gerade weil das Spiel zu langsam war, um zu Chancen zu kommen.

"Ich glaube, es war ein Unfall", sagte Kapitänin Irene Paredes nun im Rückblick auf die Pleite: "Heute waren wir Spanien. Wir haben den Ball gehabt, aber vor allem haben wir Chancen kreiert. Und wir hatten ein anderes Team."

Plötzlich sitzt Alexia Putellas, die Königin, nur noch auf der Bank

Trainer Jorge Vilda hatte sich dazu entschlossen, einige radikale Änderungen vorzunehmen. Für den Trainer, der nach dem Japan-Spiel inmitten der spanischen Stilkrise unter großer Kritik gestanden hatte, wurden die Umstellungen zu einem Triumph: Vilda wechselte seine Stammtorhüterin Misa aus, er brachte Flügelspielerin Alba Redondo von Anfang an, vor allem aber nahm La Reina, die Königin, auf der Bank Platz: Alexia Putellas wurde erst eingewechselt, als es bereits 5:1 stand.

Es ist insofern durchaus möglich, dass dieses Spiel in Auckland für den spanischen Frauenfußball auf mehrere Arten und Weisen historisch war. Ganz bestimmt in der Hinsicht, dass die Frauen-Nationalmannschaft zum ersten Mal überhaupt bei einem großen Turnier ein Viertelfinale erreicht hat, was viel darüber erzählt, welch beeindruckende Entwicklung der spanische Fußball in den vergangenen 15 Jahren genommen hat, von einem Land, dass den Frauenmannschaften kaum Beachtung schenkte, hin zu einem, das nun als Favorit auf den WM-Titel gilt.

Eine gegen alle: Aitana Bonmati schießt das dritte Tor für Spanien. Fünf Schweizerinnen können sie nicht aufhalten. (Foto: Molly Darlington/Reuters)

Denn ein Grund, dass sie Xavi und Iniesta folgte, war für Bonmatí auch, dass sie keine weiblichen Vorbilder hatte. Erst als sie beim FC Barcelona alle Jugendteams durchlaufen hatte und gerade vor der Frage stand, ob sie als angehende Profifußballerin nicht in die USA wechseln muss, um auch Geld zu verdienen, bildete Barça eine Profi-Frauenmannschaft. Bonmatí blieb da, wo sie ohnehin immer spielen wollte, genauso wie der Stamm der heutigen Nationalmannschaft, die sich vor allem aus Spielerinnen aus Barcelona und Madrid formiert. Auch deshalb war das Camp Nou für den Clasico der Frauen gegen Real Madrid in der vergangenen Saison erstmals ausverkauft.

Entscheidend beteiligt an dieser Entstehungsgeschichte war auch Putellas, bis auf einige Jahre in Valencia ebenfalls mit dem FC Barcelona verbunden, deren persönliche Entwicklung mit der Wahl zur Weltfußballerin im Jahr 2021 einen Höhepunkt erreichte, bevor sie sich das Kreuzband riss und ein Jahr ausfiel, bis in die WM-Vorbereitung hinein. Ein Jahrzehnt lang führte sie ein Team an, das als "España de Putellas" bekannt war. Es war ihr Spanien, nur ist die Frage, wie sich das in Zukunft gestaltet.

Bonmatí genießt die Rolle als zentrale Figur sehr

Das persönliche Verhältnis zwischen den beiden herausragenden Mittelfeldspielerinnen gilt als zerrüttet, auch wenn sie beide die Verbandskritik der "Las 15" unterstützen, jener Gruppe von Spielerinnen, die im vergangenen Herbst wegen zu geringer Unterstützung klagten und mit dem WM-Boykott drohten. Bonmatí sah rechtzeitig ein, dass ein Verzicht auf das Turnier ihrer persönlichen Karriere eher schaden würde. Zu Recht, weil sich nun jene Wachablösung abzeichnet, die gegen die Schweiz schon zu sehen war.

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Putellas und Bonmatí zusammen auf dem Feld könnte eine geniale Kombination sein, doch im Turnierverlauf führte es zu mehr Statik im Spiel als zu Kombinationen, weil beide mehr oder weniger unterschwellig die Rolle der Chefin für sich beanspruchen. Bonmatí äußerte sich dazu nach dem Spiel kryptisch: "Ich habe mich sehr wohlgefühlt auf dem Feld heute, für so etwas muss vieles zusammenkommen."

Man konnte ihr ansehen, dass sie die Rolle als zentrale Figur genoss. Auf dem Feld, weil sie die Freiheit hatte, überall Haken zu schlagen, so wie vor ihren Toren: "So etwas passiert, wenn man komplett im Fluss ist", sagte Bonmatí, die auf der Pressekonferenz später sitzen blieb, obwohl die Spielerinnen des Spiels normalerweise bereits nach den ersten Minuten gehen, wenn sie ihren Teil erledigt haben.

Doch Bonmatí blieb. Frage für Frage an ihren Trainer hörte sich an, ganz so, als würde sie alle am liebsten selber beantworten. Nur einmal zuckte sie kurz zusammen. Als Vilda gefragt wurde, ob Bonmatí nicht garantiert die nächste Weltfußballerin sei, vergrub sie ihren Kopf kurz in der Hand. Dabei war die Frage in gewisser Weise nur logisch, nachdem sie Putellas Rolle als Königin offensichtlich übernommen hat. Die Frage ist noch, wann die offizielle Krönung folgt - ein Termin in Sydney böte sich in naher Zukunft an.

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