Möglicherweise sollte man bei Pak'nsave beginnen, um die Geschichte Spaniens bei dieser Weltmeisterschaft zu erzählen. Was Lidl für die Deutschen ist, ist Pak'nsave für die Neuseeländer, 57 riesige, gelbe Lebensmitteldiscounter gibt es im Land - und einer leuchtete bis zuletzt die spanische Nationalmannschaft an. In Palmerston North hatten sie sich niedergelassen, in einem Drei-Sterne-Hotel aus Beton, umgeben von Industriebauten. Etwas überraschend war das: Palmy hat inmitten eines Landes, das für seine wundervolle Natur bekannt ist, vorsichtig formuliert, nicht den besten Ruf. Man könnte gar sagen: einen unheimlich schlechten.
Dass sich diese Mannschaft von Weltklasse-Fußballerinnen also wochenlang in jener Kleinstadt aufhielt, in der der Discounter einer der Anlaufpunkte der Bevölkerung ist, hatte den nicht allzu überraschenden Effekt, dass sich laut Medienberichten Langeweile in der Mannschaft ausbreitete, weshalb der Bürgermeister sich bald pikiert meldete und eine Einladung zu einem spaßigen Ausgehabend anbot, um zu retten, was nicht mehr zu retten war.
Neuseeländische Medien reagierten ebenfalls, mit dem Tenor, dass die Spanierinnen sich eben vorher hätten informieren sollen. Beliebt gemacht haben sie sich nicht bei den Gastgebern, auch wenn der Verband umgehend dementierte und seine große Dankbarkeit für die Gastfreundschaft in Palmy ausdrückte, es war wohl etwas dran an der Geschichte mit dem Unwohlsein: Ab sofort wohnen und trainieren die Spanierinnen in Wellington.
Also, alles bestens, oder? Auf keinen Fall.
Am Montagabend verlor Spanien bei windigem, kalten Wetter 0:4 gegen Japan, was zwar zum Einzug ins Achtelfinale gegen die Schweiz reichte, aber auch ein sehr ernsthafter Warnschuss ist für ein Team, das eigentlich gerade in den Flow gefunden hatte. Zumindest auf dem Feld.
Aber die Geschichte ist eine von Streitereien, die weit über die Langeweilekrise von Palmy hinausgeht. Abseits des Platzes denken in Spanien immer noch alle an den September zurück, als das Projekt Weltmeisterschaft zum ersten Mal in Gefahr geriet. Las 15 etablierte sich damals, eine Gruppe von Rebellinnen innerhalb der Nationalmannschaft. Allesamt hochdekorierte Spielerinnen, die dem Verband per E-Mail mitteilten, dass sie bitte nicht mehr nominiert werden möchten. Die Gründe: Schlechte Behandlung, schlechte Stimmung, "emotional und gesundheitlich" seien Schäden davon getragen worden. Und auch wenn sein Name nicht explizit vorkam richtete sich die meiste Kritik offensichtlich an Trainer Jorge Vilda.
Erkennbar war ein Zusammenraufen durchaus - doch dann kam Japan
Der Verband verteidigte seinen Trainer allerdings und gab dem Protest nicht nach, weshalb auch kein Frieden einkehrte. Drei Rebellinnen flogen trotzdem mit nach Neuseeland: Auf Außenverteidigerin Ona Batlle, Flügelspielerin Mariona Caldente und Regisseurin Aitana Bonmatí - allesamt vom FC Barcelona - konnte Vilda nicht verzichten. Und natürlich galt dasselbe auch für La Reina, die Königin, die große Nummer Elf, ebenfalls von Barça, die ein Jahr lang verletzt ausfiel und gerade noch rechtzeitig fit wurde.
Alexia Putellas ist wieder Teil dieses Teams, sie soll es anführen. Politisch ist ihre Rückkehr aber auch: Den Protest gegen Vilda hatte sie verletzungsbedingt verpasst, doch in Gedanken unterstützt und eigentlich wäre daher dringend eine royale Regierungserklärung notwendig. Nur: "Alexia non habla" - Alexia redet nicht bei dieser WM, tagtäglich geht sie an den Journalisten vorbei, ohne ein Wort zu sagen. Immerhin tun das andere.
Teresa Abelleira etwa, von Real Madrid, die eine derjenigen Spielerinnen ist, die von der Absenz der zwölf Rebellinnen profitiert und sich neben Bonmatí und Putellas in der spanischen Stammelf wiederfindet. "Es ist sicherlich wahr, dass es diesen Konflikt gab", sagte sie unter der Woche: "Wir haben uns aber für diese zwei Monate vorgenommen, eine Einheit zu sein. Für ein unglaubliches Ziel, dem wir alles unterordnen müssen." Abelleira gilt trotz ihrer neuen Rolle nicht gerade als Fan der Rebellion und zeichnet daher das Bild einer temporären Zweckgemeinschaft. Es ist ein Frieden auf Zeit im spanischen Lager, das sagen auch andere: "Man muss nicht die beste Freundin seiner Mitspielerin sein", sagte Ona Batlle vor dem Turnier zu The Athletic. Aber könnte man es nicht zumindest versuchen, wenn man schon wochenlang in einer Kleinstadt nebeneinander sitzt?
Erkennbar war ein Zusammenraufen durchaus: Die Grundstimmung bei den Spanierinnen entspannte sich nach den zwei klaren Auftakterfolgen gegen Sambia und Costa Rica, immerhin auf dem Feld funktionierten die Abläufe - dann allerdings kam Japan. Den Ballbesitzfußball der Spanierinnen, die nach 90 Minuten 934 Pässe gespielt hatten, führten die Japanerinnen ad absurdum, standen tief und warteten auf Kontergelegenheiten. Vier Tore aus sieben Schüssen erzielten sie auf diese Art und Weise in einem bemerkenswerten Spiel, das die Illusionen einer Dominanz beendete, die man Spanien zugetraut hatte.
Aitana Bonmatí appelliert ans Team
Es war ein Auftritt, der eine Mannschaft vor sehr grundsätzliche Fragen stellte, diesmal waren sie nicht nur von persönlicher, sondern auch von fußballerischer Natur. Vilda übernahm die "volle Verantwortung für die Niederlage", eine Spielerin nach der anderen ärgerte sich nach dem Spiel in die Mikrofone. Putellas ignorierte sie nach einer schwachen Leistung erneut.
Die wahre Anführerin dieser Mannschaft allerdings gab eine Regierungserklärung ab, sie kommt sogar aus dem Kreis der Rebellinnen. Aitana Bonmatí hatte schon auf dem Feld nach jedem Tor energisch an ihre Mitspielerinnen appelliert, nun fand sie die Worte, die zeigten, wie eine gelebte Version des zeitlich begrenzten Friedens aussehen könnte. Eine, die erfolgreich sein könnte, zumindest aber zuhause in Spanien die Menschen erreichen dürfte: "In schlechten Zeiten zeige ich Charakter, ich möchte niemanden auf dem Feld am Boden sehen", sagte Aitana: "Wir stehen mit Stolz wieder auf, mit Liebe für diesen Sport, mit Liebe für dieses Land."