Fußball-WM im Fernsehen:Viel unerwarteter als erwartet

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Megan Rapinoe und die USA sind nur mit viel Glück ins Achtelfinale eingezogen. Weil sie das als Gruppenzweite taten, kommt nun der ganze Plan der Fifa durcheinander. (Foto: Jenna Watson/USA Today Network/Imago)

Die USA? Werden ihre Gruppe ja wohl gewinnen. Dachte die Fifa und richtete den WM-Spielplan danach aus. Nun kommt es anders. Für die Spannung ist das gut, für die TV-Quoten eher nicht.

Von Felix Haselsteiner, Auckland

Es hätte nicht einmal das deutsche Aus gegen Südkorea gebraucht, um unter Beweis zu stellen, dass diese Weltmeisterschaft historisch schwer zu planen ist - das stand nämlich längst fest. Vier Zeitzonen, zwei Länder, große geografische Unterschiede und mittendrin eine Fußball-Weltöffentlichkeit, die trotzdem bespielt werden möchte, mit dem Frauenfußball, der mehr Menschen interessiert als je zuvor. Wie praktisch also, dass es unter den 32 Mannschaften klare Favoriten gab, an denen man sich orientieren kann, dachte sich der Weltverband. Und muss inzwischen einsehen: Solche Gewissheiten gibt es nicht mehr. Weshalb sich im Spielplan rechtzeitig zum Achtelfinale Kuriositäten auftun.

Das akuteste Beispiel ist das bekannteste Frauenfußballteam der Welt. Die USA - Weltmeister 2015 und 2019 - würden sich in einer Gruppe gegen die Niederlande, Portugal und Vietnam ja wohl als Erstplatzierter durchsetzen, so die Annahme der Fifa. Weshalb sich auch der Spielplan danach ausrichtete und das potenzielle US-Achtelfinale für den Mittagsslot ansetzte. Um 12 Uhr Ortszeit in Sydney sollten die USA spielen, damit zwischen Los Angeles und New York City möglichst zur Prime Time am Abend die Fernsehgeräte angehen könnten.

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Dann allerdings kamen die Niederlande und wurden Gruppenerster, während die USA gegen Portugal beinahe ausschieden - und nun leidet die globale Fernsehstatistik: Die USA nämlich spielen am Sonntag um 19 Uhr in Melbourne gegen Schweden, weshalb die Partie auf dem Heimatmarkt mitten in der Nacht stattfindet, genauso wie ein mögliches Viertelfinale. Dasselbe gilt auch für die Niederlande, die am Sonntagmorgen im vorgesehenen USA-Slot gegen Südafrika auflaufen und daher nur für Gäste des Amsterdamer Nachtlebens live zu sehen sein werden, wobei selbst die um vier Uhr nachts schon recht müde sein dürften. Und auch für den Gegner aus Südafrika bedeutet das: Die historische Partie wird zwischen Kapstadt und Johannesburg nachts übertragen.

Beide Verbände fragten beim Weltverband nach, ob denn nicht eine nachträgliche Verschiebung noch möglich wäre, angesichts der neuesten Erkenntnis, dass Frauenfußball wesentlich ausgeglichener ist und man sich vor allem in den USA ein Quotendesaster ersparen wollte: Das zweite Gruppenspiel gegen die Niederlande sahen dort abends bei Fox Sports 6,43 Millionen Menschen, das dritte gegen Portugal mitten in der Nacht nur 1,35 Millionen.

Die Fifa hat sich in Sachen TV-Vermarktung nun selbst Probleme bereitet

Die Verschiebung allerdings wurde abgelehnt, es gab nämlich auch einen Profiteur des Ganzen: Das schwedische TV-Publikum bekommt die auf dem Papier vermutlich beachtenswerteste Partie dieser WM - Weltranglistenerster gegen Weltranglistendritter - am Sonntagvormittag serviert, weil die Schwedinnen ihre Aufgabe erfüllten und wie erwartet Gruppenerster wurden. Aber ohne den Skandinaviern zu nahe treten zu wollen: Schweden ist nicht der Fernsehmarkt, an dem sich die Anstoßzeiten einer WM ausrichten.

Die gewonnene Unberechenbarkeit mitsamt der These, dass es keine Kleinen mehr gibt, erfüllt bei der WM nahezu alle Beteiligten mit einigem Stolz. Nahezu auf jeder Pressekonferenz wird die Qualität von Trainern und Spielerinnen gelobt - fraglich ist allerdings, ob das auch im Sinne der TV-Vermarktung ist, für die der Weltverband vor dem Turnier noch warb und einigen internationalen Sendern vorwarf, nicht genug Geld auszugeben.

Die Einschaltquoten in Deutschland waren sehr hoch

Die Fifa verschickte dazu passend am Freitag stolz ihre Liste der Rekorde aus der Gruppenphase. Enthalten waren darin unter anderem die Nachrichten, dass im bislang eher fußballkritischen Gastgeberland Neuseeland 38 Prozent der Bevölkerung eingeschaltet hatten; dass in Brasilien schon das erste Gruppenspiel gegen Panama 13,9 Millionen Menschen vor die Fernseher geholt hatte; dass in China eine Rekordkulisse von 53,9 Millionen das Spiel gegen England verfolgte. Dazu kam noch die Nachricht, dass in Deutschland trotz Vormittags-Anstoßzeiten stets mehr Menschen zusahen als bei den Männern.

Die Problematik allerdings geht ebenfalls aus den Statistiken hervor: So schön es ist, dass in Marokko, Jamaika, Südafrika, Nigeria und Kolumbien die Überraschungsteams im Achtelfinale zahlreich vertreten sind - die Quotenbringer aus Neuseeland, Brasilien, China und Deutschland sind dafür alle ausgeschieden.

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