Golfer Stephan Jäger:135 Turniere bis zum Durchbruch

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Papa hat Feierabend: Stephan Jäger beendet das PGA-Turnier Houston Open nach vier Runden als Sieger. (Foto: Joe Scarnici/Getty/AFP)

Stephan Jäger aus Eichenried musste sich auf der PGA-Tour lange gedulden bis zu seinem ersten Pokal. Sein Sieg in der höchsten Liga ist das Ergebnis harter Arbeit - und der Erkenntnis, dass Golf nicht alles im Leben ist.

Von Felix Haselsteiner

Am Morgen des Tages, an dem Stephan Jäger den bisherigen Höhepunkt seiner Karriere erreichen würde, ging er einem gewohnten Ritual nach. In einem Seitenfach seiner Golftasche hat er drei sogenannte Ballmarker verstaut, kleine Chips in Münzgröße, die man auf dem Grün anstelle des Balles hinlegt, um ihn aufheben zu können, damit er anderen Spielern nicht im Weg liegt. Seine Frau Shelby hat diese Ballmarker selbst gestaltet, vor jeder Runde wählt Jäger zufällig einen aus: Einer soll ihn an seinen Hund Phil erinnern, einer an seinen 16 Monate alten Sohn Fritz. Und einer an seinen Vater Klaus, der im März 2022 verstorben ist.

"Heute früh habe ich den mit Papa Klaus aus dem Bag gezogen und musste lächeln, weil ich wusste, dass das ein gutes Omen sein würde", sagte Jäger später im Memorial Park Golf Club nahe Houston, Texas, auf dem Pressepodium - als vierter deutscher Sieger auf der PGA-Tour nach Bernhard Langer, Martin Kaymer und Alex Cejka. Der Pokal, auf den er so lange hingearbeitet hatte, stand neben ihm.

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135 Turniere hat der 34-Jährige in seiner Karriere auf der PGA-Tour gespielt, der höchsten Golf-Liga, die nicht immer seine Heimat war. Jäger ist aufgestiegen, abgestiegen, wieder aufgestiegen, hat Tiefpunkte erlebt, sich zurückgekämpft und landete nun an diesem besonderen Punkt in seiner Laufbahn, an dem sich die Dinge auf einmal doch in seine Richtung wandten. Am finalen Loch etwa, als der Weltranglistenerste Scottie Scheffler, der derzeit als kaum zu schlagen gilt, einen Putt aus kurzer Distanz vorbeischob und Jäger damit den Sieg schenkte.

Die Plätze sind länger als früher - das wurde für Stephan Jäger zum Problem

Zwei Tage lang hatten sich beide auf höchstem Niveau gemessen. "Es hat Spaß gemacht, den Drachen zu zähmen diese Woche", sagte Jäger über das Duell, in dem er sich nicht unterkriegen ließ und seine beachtlichen neuen Qualitäten zeigte. Vor etwa zwei Jahren hatte Jäger nämlich eingesehen, dass der Grund, warum er auf der PGA-Tour kein Turnier gewann, nicht einfach nur mit Glück und Pech zu tun hatte - sondern mit ihm selbst. Jäger galt bis dahin als solider Spieler, man nannte ihn einen Grinder, einen harten Arbeiter, aber: Er konnte den Ball nicht besonders weit schlagen, was auf zunehmend länger werdenden Plätzen im Profigolf zum Problem wurde.

Etliche Stunden im Fitnessstudio und auf der Übungsrange später zählt der 1,75 Meter große Jäger zu den längsten Spielern auf der gesamten Tour - was den Abschlag betrifft: Einer nach dem anderen flog an Schefflers Ball vorbei. Jäger hat nun mehr Kontrolle über sein Spiel, auch mehr Selbstvertrauen. Und doch ist das nur die sportliche Seite des Erfolgs.

In Eichenried wuchs er neben dem Golfplatz auf

135 Turniere brauchte es bis zu Jägers Sieg, vor allem aber viele Jahre auf dem Weg des sportlichen Erwachsenwerdens. Seine Frau Shelby begleitet ihn seit 2015, damals hatte er gerade auf der lateinamerikanischen Golftour seine Saison beendet und etwa 12 000 US-Dollar verdient. "Sie hat alles mit mir durchgemacht", sagte Jäger, als er auf der Pressekonferenz noch mal kurz seine Geschichte erzählen sollte für das US-Publikum, das den Deutschen nicht kennt, auch wenn er seit 16 Jahren in Tennessee lebt und in einem Südstaatenakzent Englisch redet, wobei nur selten das Bayerische durchkommt.

Jäger erinnerte sich also an seine Kindheit in Eichenried, wo er neben dem Golfclub aufwuchs. An die Golfurlaube mit Eltern und Schwester und daran, wie er und Trainer Ken Williams sein beachtliches Golftalent entdeckten. Die 1,6 Millionen US-Dollar, die er in Texas gewann, sind für Jäger nicht der Antrieb: Er liebt den Wettbewerb an sich, lange Zeit allerdings nahm er ihn nach eigener Aussage zu ernst.

"Ich habe schlechte Runden früher immer im Kopf mit nach Hause genommen", sagt Jäger. Das sei inzwischen anders, mit dem kleinen Fritz zu Hause, der auch seinen Beitrag leistete zum lang erhofften ersten Sieg, weil er Jägers Einstellung zu seinem Sportlerleben veränderte: "Ich habe einfach gemerkt, dass er mich lieben wird, egal ob ich ein erfolgreicher Golfspieler bin oder ein Schreiner."

Jäger verfolgt nun weitere große Ziele: In zwei Wochen wird er zum ersten Mal in seiner Karriere beim Masters in Augusta mitspielen, sein Fernziel ist der Ryder Cup im Herbst 2025, der nun ein gutes Stück realistischer geworden ist. Vor allem aber will Jäger in den kommenden Jahren noch öfter Turniere gewinnen, wenn Sohn Fritz etwas älter ist und mehr mitbekommt als diesmal, als er von Papa kurzum in den Siegerpokal gesetzt wurde: "Ich hätte gerne, dass er sich irgendwann daran erinnert, dass Papa mal irgendetwas richtig gut konnte."

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