Nachruf auf Gigi Riva:Der stille, donnergrollende König Sardiniens

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Luigi "Gigi" Riva (rechts) im "Jahrhundertspiel" bei der WM 1970 in Mexiko gegen Deutschland (links Berti Vogts) - Italien gewann im Halbfinale nach Verlängerung 4:3, Riva hatte das 3:2 für die Azzurri erzielt. (Foto: Imago)

Er widerstand allen Lockrufen: Der italienische Mittelstürmer Gigi Riva war nicht nur ein grandioser Fußballer - bleiben wird er vor allem als Exempel der Treue.

Von Oliver Meiler

Wenn ein Großer geht, der zeit seines Lebens still war, dann ist die Versuchung besonders groß, ihm viel und laut nachzurufen. Um die Stille zu füllen, die Leere. In der Gazzetta dello Sport sind es siebzehn Seiten. Luigi "Gigi" Riva, wohl einer der besten Mittelstürmer, die der Fußball je erlebt hat, sicher aber der beste, den der italienische Fußball je erlebt hat, trug einen Spitznamen, den ihm einst der ebenfalls grandiose Sportreporter Gianni Brera gegeben hatte: "Rombo di tuono", Donnergrollen.

So fiel Riva über die gegnerischen Abwehrreihen her: mit schierer Naturgewalt, mit Tempoläufen, die das Spiel aufrissen, mit Akrobatik auch. Und mit dieser wahrscheinlich angeborenen List, wie sie unbedingte Goalgetter nun mal in sich haben. Fast nur auf einem Fuß allerdings, dem linken. Den rechten verwandte er nur aufs Gehen. Keiner traf öfter für die italienische Nationalmannschaft als Riva: 35 Tore in nur 42 Spielen, eine Quote wie ein Vermächtnis. 1968 wurde er Europameister mit den Azzurri.

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Natürlich erinnern sich nun alle auch an einen Nachmittag in Mexiko-Stadt, am 17. Juni 1970, an das Jahrhundertspiel im Halbfinale der WM, Italien gegen Westdeutschland, 4:3 - fußballerische Nostalgie pur für ganze Generationen. Riva traf damals zum zwischenzeitlichen 3:2. Seine von sich gestreckten Arme, die geschlossenen Fäuste, sie brannten sich ins kollektive Gedächtnis des Calcio ein. In jener Mannschaft standen auch noch: Gianni Rivera, Roberto Boninsegna, Sandro Mazzola, Tarcisio Burgnich, Giacinto Facchetti. Im Finale bedurfte es schon Pelés Brasilien, um diese Italiener zu stoppen.

Juve-Patron Agnelli bot alles für Gigi Riva - es war nicht genug

Doch wenn Italien - und Sardinien ganz im Speziellen - nun mit so viel Anteilnahme Gigi Rivas gedenken, jetzt, da er mit 79 Jahren nach einem Herzinfarkt gestorben ist, liegt das höchstens halbwegs an seinem Spiel, an seinen Toren. Riva beeindruckte alle mit seiner menschlichen Geradlinigkeit, seiner Treue. Luigi Riva kam in Leggiuno bei Varese zur Welt, ganz im Norden Italiens. Die Familie war arm, vier Kinder, Gigi und drei Schwestern. Der Vater starb, als der Junge neun Jahre alt war. Die Mutter musste arbeiten, so brachten sie Luigi in ein Waisenheim.

Aus jener Zeit erzählte Riva einmal, er habe die Erniedrigung erfahren, die allen Armen widerfahre. "Wir mussten immer still sein, gehorsam, ordentlich - wie alte Kinder." Schon bald starb auch die Mutter. Luigi Riva fiel bei Sommerturnieren auf. Er zeigte eine außergewöhnliche Ernsthaftigkeit beim Fußballspiel, das Leben hatte sie ihm antrainiert.

Gigi Riva 1970 im Azteken-Stadion in Mexiko-Stadt: Da schaute sogar der große Pelé zu ihm auf. (Foto: Carlo Fumagalli/AP)

Cagliari Calcio holte ihn mit 19 auf die Insel. Und Gigi Riva sollte seine gesamte Karriere hier verbringen. Allen Sirenen widerstand er: Inter, Milan, Juventus Turin - alle großen Vereine wollten ihn zu sich holen. Gianni Agnelli, Patron von Fiat und Juve, bot ihm eine Milliarde Lire an, wenn er zur Juve käme, damals eine völlig verrückte Summe. Doch Riva lehnte ab, er hatte seine Seelenheimat gefunden. Mit und dank Riva wurde Cagliari 1970 italienischer Meister, es war der erste Titel der Sarden und blieb bis heute der einzige.

Riva war sardischer als die Sarden - dabei stammte er aus Norditalien

Sardinien war zu jener Zeit tiefer Süden, arm und abgehängt. In der klischierten Wahrnehmung vom Festland war die Insel ein verwunschener Flecken im Meer, für Schafhirten und Banditen. Mit seiner sturen Weigerung, dem Lockruf von Reichtum und Ruhm zu folgen, habe Riva wesentlich dazu beigetragen, dass die Sarden ihr Selbstwertgefühl stärken konnten, sagt der sardische Schriftsteller Marcello Fois. Riva war sardischer als die Sarden, ein Paradesarde. Sie nannten ihn auch den "König Sardiniens".

1976 hörte er auf, nach einer schweren Verletzung, der x-ten. Riva zog nie zurück, die Gegner brachen ihm die Knochen. Von 1990 bis 2013 war er Team-Manager der Nationalmannschaft, Maskottchen und Vaterfigur für die Jungen. Still und streng. Bis zu seiner Bestattung hängen auf Sardinien die Fahnen auf halbmast.

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