Beinahe hätte dieser Abend mit einer Niederlage geendet, nur Millimeter fehlten, und der Schuss von Stina Blackstenius wäre in der 79. Minute im Tor gelandet. Und kaum hatten sich die deutschen Nationalspielerinnen wieder gefangen, hämmerte Johanna Rytting Kaneryd den Ball aufs Tor, nun war es der Pfosten, der als Schutzschild einsprang. Bis zum Schluss blieb diese Begegnung intensiv, bis zum Schluss mussten das Team von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg kämpfen und rennen und ackern - und am Ende froh über ein 0:0 gegen Schweden sein.
"Das war ein intensives Spiel von beiden Mannschaften, es ging viel über die Robustheit und die Athletik", sagte die deutsche Flügelstürmerin Klara Bühl dem ZDF. "Am Ende waren die Schwedinnen vielleicht einen Ticken intensiver. Wir müssen uns ankreiden, dass wir viele Bälle hergeschenkt haben."
Dieses Länderspiel markierte den Auftakt ins Jahr der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland, es war der erste ernsthafte Test und das direkt gegen einen starken Gegner. Vor einem Jahr um diese Zeit waren die Deutschen international schwer einzuordnen gewesen, nun traten sie als diejenigen auf den Platz, die bei der Europameisterschaft 2022 erst im Finale von den Engländerinnen gestoppt werden konnten und sich damit nach zwei enttäuschenden Turnieren auf der großen Bühne zurückmeldeten.
In der siebten Minute wurde Torhüterin Merle Frohms erstmals getestet, Felicitas Rauch verschätzte sich bei einem Pass und wäre Frohms nicht schnell genug am Ball gewesen, wäre Schweden früh durch Sofia Jakobsson in Führung gegangen. In der 22. Minute war der Ball dann nach einem Kopfball von Stina Blackstenius tatsächlich hinter die Torlinie geflogen - das Glück der Deutschen war die Abseitsstellung der Arsenal-Spielerin. Zum Start in diese Partie hätte der Rückstand gepasst. Die Schwedinnen machten früh viel Druck. Das deutsche Team hatte Mühe mit Offensivaktionen, Sara Däbritz schoss einmal knapp vorbei (25.).
"Das Treffen mit dem Bundeskanzler war ein interessanter, erster Austausch", sagt die Bundestrainerin
20 169 Zuschauer waren ins Duisburger Stadion gekommen, unter ihnen auch Bundeskanzler Olaf Scholz. Der hatte sich vor dem Anpfiff mit der Bundestrainerin ausgetauscht und dann im ZDF erneut für gleiche Prämien von Nationalspielerinnen und Nationalspieler starkgemacht. "Ich bleibe am Ball, und das werde ich kontinuierlich weitermachen", sagte Scholz, der sich auch mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf zusammensetzte. Während der EM sei die Begeisterung für den Fußball der DFB-Frauen groß gewesen. "Ich hoffe, dass der Trend anhält und ich ihn ein kleines bisschen verstärken kann", sagte Scholz. Schon vergangenes Jahr während der EM hatte er sich für gleiche Prämien ausgesprochen. "Das Treffen mit dem Bundeskanzler war ein interessanter, erster Austausch, den wir gerne auch in Zukunft aufrechterhalten und fortsetzen möchten", sagte Voss-Tecklenburg.
Die Bundestrainerin kam am Seitenrand kaum zur Ruhe. Sie lief hin und her und dirigierte und rief auf den Platz. Aber es waren die Schwedinnen, die immer wieder zu Chancen kamen. Der Schuss von Filippa Angeldahl ging knapp drüber (27.), an den von Kosovare Asllani (33.) kam Frohms dank einer starken Parade gerade noch dran. Dass dann nach einer Ecke nur eine Minute später Jakobsson nicht jubelte, nachdem sie ungestört abzogen hatte, lag an einer akrobatischen Rettungsaktion von Alexandra Popp. Die Stürmerin wechselte in die Rolle der Abwehrspielerin und sprang mit einem weiten Spagat in den Schuss, der Ball prallte an ihrem Bein ab.
Popp und Voss-Tecklenburg haben eine besondere Verbindung zu Duisburg
Für die Kapitänin brachte dieser Abend ein kleines Jubiläum, 125 Länderspiele hat sie nun absolviert. Und es schloss sich ein Kreis. Denn auch ihre erste Partie im Nationaltrikot gegen Nordkorea (3:0) absolvierte Popp 2010 als 18-Jährige in dieser Stadt. "Ich bin in Duisburg zur Nationalspielerin gewachsen und habe dort mein erstes Länderspiel bestritten", sagte Popp zuvor. "Mehr Duisburg geht ja fast schon nicht." Hier gab sie 2008 ihr Bundesliga-Debüt beim FCR 2001 Duisburg - mit Voss-Tecklenburg als Coach, zu der sie nun bei den DFB-Einsätzen aufgeschlossen hat. Für die Bundestrainerin war es noch mehr als für Popp ein Heimspiel, die 55-Jährige wurde in Duisburg geboren, spielte jahrelang für den FCR, bevor sie das Team später zu zwei DFB-Pokalsiegen und Gewinn des Uefa Women's Cup führte, der heutigen Champions League.
Kurz vor der Pause hatten Frohms und Abwehrchefin Marina Hegering noch Redebedarf, irgendwie lief das alles nicht so zusammen wie gedacht. Und auch in der zweiten Halbzeit blieb der deutsche Spielaufbau holprig. Voss-Tecklenburg wechselte Lena Lattwein für Sjoeke Nüsken ein und versuchte später noch die Offensive mit Lea Schüller für Lina Magull zu beleben. Jule Brand kam für Klara Bühl, Laura Freigang für Sophia Kleinherne. Dann auch noch Tabea Waßmuth für Svenja Huth und Janina Minge für Sara Däbritz. Viel frische Energie für ein finales Aufbäumen. In dieser Konstellation befreiten sich ihre Spielerinnen und sie wurden gefährlicher - aber eben nicht gefährlich genug.