Fußball: Löw/Bierhoff vs. DFB:Nicht mehr allein gegen alle

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Der Vertragsstreit führt Bundestrainer Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoff fest zusammen - wahrscheinlich aber nur bis zur Weltmeisterschaft im Sommer.

Philipp Selldorf

Michael Ballack ist auf seiner fernen Insel nicht entgangen, dass in Deutschland zurzeit ein wenig Unruhe um die Nationalmannschaft herrscht. Er sieht das zwar gelassener als die Beteiligten in der Heimat, aber nicht ohne Sorge: "Das ist keine optimale Situation. Ich glaube schon, dass das Thema noch lange köcheln wird", sagte der Kapitän der Nationalelf der SZ nach dem 2:0-Sieg mit dem FC Chelsea gegen den FC Arsenal am Sonntag.

Manager Oliver Bierhoff (links) und Bundestrainer Joachim Löw. (Foto: Foto: AP)

Ballack sieht die Sache sportlich und leitet aus dem erbitterten Konflikt zwischen der sportlichen Leitung und der DFB-Führung eine gestiegene Bedeutung für das Länderspiel gegen Argentinien am 3. März in München ab: "In dieser Hinsicht ist es jetzt besonders wichtig, dass wir gegen Argentinien ein gutes Spiel abliefern, damit die Diskussionen nicht endlos weitergehen."

Es gab Tage, in denen Ballack sein spezielles Vergnügen an dieser Situation gehabt hätte. Mit dem DFB-Teammanager Oliver Bierhoff verbindet ihn ein gewachsenes Missverhältnis, das während eines Vorfalls nach dem EM-Endspiel in Wien fast zu Handgreiflichkeiten geführt hätte. Derzeit hat man sich auf die friedliche Koexistenz geeinigt, aber Ballack konnte sich schon damals sicher sein, dass eine starke Allianz des Fußball-Establishments auf seiner Seite stand.

Bierhoff bleibt dagegen, wie der Streit um die gescheiterte Vertragsverlängerung zeigt, weitgehend ungeschützt in der Szene. Immerhin hat er einen starken Bündnispartner gewonnen: den Bundestrainer. Joachim Löw hat sich im Zuge der Affäre fest wie nie zum Crewmitglied Bierhoff bekannt. Gemeinsam oder gar nicht - das war seine Botschaft an den DFB. Im Verband und auch im Profilager, wo Bierhoff viele Gegner hat, erübrigt sich damit die Hoffnung, man könne Löw als Bundestrainer behalten, aber Bierhoff als Teammanager loswerden.

Bisher hat sich der Stoiker Löw aus politischen Dingen und ähnlichen Unannehmlichkeiten gerne herausgehalten. Lieber zieht er sich auf seine Aufgaben als Sportlehrer zurück, Bierhoff übernahm seine Interessenvertretung beim Verband.

Bisher hießen Löws Probleme Frings oder Kuranyi, er trug einen öffentlichen Krach mit Ballack aus und empfand das als Belästigung, und einmal musste er ein Hierarchieproblem lösen, nachdem Podolski den Kapitän geohrfeigt hatte. Dass ihm nun Geld- und Machtgier angelastet wird, sprengt den Rahmen seiner Erfahrungen und Erwartungen.

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"Selbst der Jogi versteht inzwischen, was los ist", sagt einer, der seit Jahren am Rande dabei ist, "er ist in den Sog dieser Geschichte geraten, und jetzt ist er mittendrin." Noch. Denn die Vertragsverlängerung, die sowohl er selbst wie DFB-Präsident Theo Zwanziger für eine Selbstverständlichkeit hielten, die wird es wohl nicht mehr geben. Löw teilt mit seinem Vorgänger Jürgen Klinsmann nicht viele Eigenschaften, aber die Geradlinigkeit, die er jetzt gezeigt hat, die wird er vermutlich beibehalten. Und deshalb im Sommer nach der WM, wie 2006 Klinsmann, die Konsequenzen ziehen.

Anders als Löw ist Bierhoff Polemiken von Funktionären und anderen Widersachern gewohnt. Als ihm sein früherer Trainer Rudi Völler vor zwei Jahren spöttisch "Füße aus Malta" nachsagte und ihn mit großer Zustimmung in der Klubszene zu "mehr Demut und größerer Zurückhaltung" aufforderte, erkannte Bierhoff: "In der Liga bin ich wohl nicht so beliebt." Der Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge bezeichnete ihn als "Ich-AG vom Starnberger See", womit er das diffuse Misstrauen der Branche gegen seine Geschäftstüchtigkeit definierte.

An dieser Ablehnung hat sich nichts geändert, die Vertreter der Liga standen bei der Präsidiumssitzung vorige Woche, als Bierhoff die Sonderwünsche für die neuen Verträge vortrug, ebenso gegen ihn wie die DFB-Gesandten. Im Verband hat Bierhoff in Gestalt von Sportdirektor Matthias Sammer einen stabilen Rivalen, der ihm offen trotzt, während Generalsekretär Wolfgang Niersbach ein Gegenspieler bleibt, der aus dem Schatten agiert.

Während Niersbach die Nähe des Nationalteams zum DFB zu erhalten sucht, betreibt Bierhoff ihre Entfernung, zuletzt mit der Entwicklung einer eigenen Internetseite, deren Erscheinungsbild selbst den wohlgesonnenen Begleiter meinen ließ, dass ein Stück gemeinsamer Basis verloren gegangen sei: "Da lese ich nur Rubriken wie Workout, Players profile, Second life - da sind wir dann schnell bei Signing Fee." Durch den Begriff Signing Fee ( Bonuszahlung bei Unterschrift) musste sich Bierhoff in die Ecke des Verächtlichen manövrieren lassen, das von ihm reklamierte Vetorecht bei der nächsten Trainerwahl wurde als Zeichen von Größenwahn gedeutet.

Dass er die Aversionen und Vorbehalte nicht mehr ausräumen wird, das hat er selbst eingesehen. Bierhoff hat jetzt viele Interviews gegeben, er hat Fehler eingeräumt, und er hat ein Treffen mit Löw, Zwanziger und Niersbach angeregt, "um die Dinge zu klären". Selbst Michael Ballack wird ihm dabei Glück wünschen. Philipp Selldorf

Im Video: Vertragspoker von DFB. Nun nimmt auch Oliver Kahn Stellung zum dem brisanten Thema.

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© SZ vom 09.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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