Fußball:Im Goldrausch

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Neymar bei seiner Vorstellung in Paris. (Foto: AFP/Getty Images)

Diese Transferperiode zeigt wie noch niemals zuvor: Der Fußballsport ist eine Geldvermehrungsmaschine mit sagenhaften Renditen. Wer das stoppt? Niemand.

Kommentar von Thomas Hummel

Der "Deadline Day" verursachte das erwünschte Schwindelgefühl. Wie erwartet schafften es die katarischen Eigentümer von Paris Saint-Germain am letzten Tag der Fußball-Transferperiode, den 18-jährigen Kylian Mbappé zu kaufen. Äh, Entschuldigung: Sie leihen ihn erst, um ihn dann im kommenden Jahr zu erwerben, das Geschäft soll sich insgesamt auf 180 Millionen Euro summieren. Damit halten die Pariser angeblich die "Financial-Fairplay"-Regeln des Europäischen Fußball-Verbands Uefa ein, was vor allem eines zeigt: Diese Regeln der Uefa sind nicht die Kalorien wert, die man aufbringen muss, um das Wort vom Bildschirm abzulesen.

Im Mittelpunkt der letzten "Deadline-Day"-Stunden stand trotzdem ein anderer französischer Nationalspieler. Der allgemein recht unbekannte Thomas Lemar, 21-jähriger Offensivspieler mit Talent, aber nicht unbedingt ein Weltstar. An diesem Lemar hingen plötzlich die größten Deals des Fußballs, an seinem Beispiel zeigt sich der ganze Millionen-Wahn.

Kommentar
:Das Financial Fairplay ist höchstens ein Taschenmesser

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Er ging so: Der schlecht in die Saison gestartete FC Arsenal bietet angeblich am Donnerstag fast 100 Millionen Euro für Lemar, würde man sich einigen, dürfe der Chilene Alexis Sánchez für 60 Millionen Euro zu Manchester City wechseln. Doch Lemar spielt am Abend in Paris in der WM-Qualifikation gegen die Niederlande, wo er zwei Tore schießt, und so heißt es aus London, die Zeit werde zu knapp, um noch alle Formalien rechtzeitig abschließen zu können.

Blöd ist zudem, dass Lemar offenbar nicht nach London, sondern lieber nach Liverpool umziehen will. Käme es dazu, dann darf der streikende Brasilianer Coutinho endlich für etwa 135 Millionen aus Liverpool zum FC Barcelona wechseln. Doch Liverpool will wohl für Lemar nicht ganz so viel zahlen wie Arsenal. Was dessen Eigentümer beim AS Monaco nicht überzeugt. Keines der Domino-Steinchen fällt und so ist Freitagfrüh alles beim Alten.

Der AS Monaco zeigt, wie das Geschäft funktioniert

Apropos AS Monaco. Noch nie hat ein Klub in einem Sommer so einen Reibach erzielt. Benjamin Mendy für 58 Millionen Euro sowie Bernardo Silva für 50 Millionen zu Manchester City, Tiemoué Bakayoko für 40 Millionen zum FC Chelsea, Kylian Mbappé für 180 Millionen nach Paris. Das macht Einnahmen in Höhe von 328 Millionen Euro für Spieler, die der Klub einst für "nur" 38 Millionen erworben hatte.

Eine Wertsteigerung von 860 Prozent. Wo kann man solche Rendite einfahren? Der russische Eigentümer Dmitrij Rybolowlew freut sich. Der Milliardär hat sich mit dem portugiesischen Spielerberater Jorge Mendes zusammengetan, eine der mächtigsten Figuren des Weltfußballs. Die beiden verstehen den Fußball als das, was er heutzutage ist: eine Geldvermehrungsmaschine.

Der AS Monaco zeigt wie unter einem Brennglas, wie das Geschäft funktioniert. Seit Rybolowlews Übernahme 2011 hat Monaco mehr als 200 Transfers getätigt, der Verein kauft oder leiht am Fließband, ein großes Kommen und Gehen. Mendes lässt seine Kontakte spielen, die Profis sollen preiswert kommen und teuer gehen. Eins muss man ihm lassen: Er macht das ziemlich gut.

Was daran stört? Aus den "Football Leaks" ging hervor, dass Rybolowlew und Mendes auf Zypern heimlich einen Investmentfonds mit dem Namen Browsefish Limited unterhielten, in dem sie die Transferrechte an Spielern gebündelt hatten. Nicht der Klub, sondern vor allem sie selbst sollen profitieren. Das ist zwar verboten und gab ein bisschen Ärger, aber wen interessiert das am Ende in diesem aufgeblasenen Betrieb?

Jeder weiß, dass das Geld im Fußball aus teilweise dubiosen Quellen stammt, dass häufig von Geldwäsche und Korruption die Rede ist, dass viel zu viel in den Taschen zwielichtiger Mittelsmänner versickert. Doch das stört den Fußball nicht, es will zumindest niemand so genau wissen. Hauptsache das Geld fließt und es gibt keine Scherereien. Dabei herrscht ein wahrer Goldrausch. Die mit riesigen Summen dotierten Fernsehverträge oder die Investitionen aus China und dem Nahen Osten haben den Markt kolossal angeheizt. Der Deal rund um den Brasilianer Neymar, den die katarischen Eigner von Paris Saint-Germain aus Barcelona geholt haben, ist eine neue, schockierende Dimension. Ablöse, Handgelder, Beraterhonorare, Gehalt, Steuern sollen sich auf mehr als 600 Millionen Euro summieren.

Wer sollte noch bremsen?

Diese Entwicklung war von Insidern längt prognostiziert worden. Niemand hat sie gestoppt oder ernsthaft infrage gestellt. Warum auch? Und wer sollte der Bremser sein? Niemand im Fußball-Business kann ein echtes Interesse daran haben, dass die Geldströme reguliert werden oder gar versiegen. Am Ende bekommt noch jeder was ab. Und welche Geschäftszweige, welche Firmen würden sich gegen frische Millionen wehren? Selbst Staatschefs fliegen inzwischen in den Nahen Osten und geben den Tanzbär, damit die Scheichs oder Emirs ihre Schatulle für "Investitionen" öffnen.

Klar, im Fußball gibt es eine Basis: die Fans. Ohne sie geht es nicht, denn sie schaffen die nötige Aufmerksamkeit, um aus dem Fußball die größte Unterhaltungsindustrie der Welt zu machen. An dieser Basis rumort es angesichts der märchenhaften Summen in einer Parallel-Welt, der sie auch noch zujubeln. 120 Millionen für jenen, 80 Millionen diesen, 40 Millionen für den da drüben - und ach ja, der unbekannte Neuling kostet "nur" 17 Millionen. Volkssport?

Deshalb werden Reden gehalten, allenthalben wird über den "Wahnsinn" oder auch mal den "Irrsinn" geschimpft. Uli Hoeneß zum Beispiel, Präsident des FC Bayern, klagte in der Sportbild über "ein Spiel ohne Grenzen", er wisse nicht, wohin das noch alles führen solle. Der Fußball müsse "verdammt aufpassen ..., denn irgendwann hat der Zuschauer dann vielleicht doch die Schnauze voll." Um zu beschließen: "Man muss nun auch mal sagen: Es reicht!" Und: "Kein Spieler der Welt ist 100 Millionen Euro wert." Gut gepoltert, Herr Hoeneß. Aber mal ehrlich: 41,5 Millionen Euro für einen bis dato relativ unbekannten Mittelfeldspieler von Olympique Lyon namens Corentin Tolisso?

Mit Katar geschäftlich verbunden

Am Ende sind Hoeneß und sein Klub Teil des Spiels wie alle anderen. Mit einem Transferminus von 80 Millionen Euro bewegt sich der FC Bayern durchaus in der Spitzengruppe des sommerlichen Fußball-Monopoly. Weshalb man die Kritik daran getrost unter Imagepflege abheften kann. Nach dem Motto: Wir werfen zwar mit unglaublich viel Geld herum, aber die anderen sind noch viel schlimmer - ergo sind wir die Guten, die anderen die Bösen. Das ist gut für die Fanseele und wird im Münchner Heimspiel in der Champions-League-Vorrunde gegen Paris sicher die Stimmung anheizen.

Oder geht da doch was, zumindest gegen diese Kataris, die mit ihrem Staatsfonds die Fußball-Weltherrschaft erkaufen wollen? Nun ja, aus München zum Beispiel ist da wenig zu erwarten, denn wohin nochmal fliegt der FC Bayern im Januar ins Trainingslager? Genau. Und der "Hamad International Airport" in Doha ist ein Premium Sponsor des Klubs. Oder Barcelona: Fünf Jahre war die Stiftung "Qatar Foundation" Trikotsponsor, Klub-Idole wie Xavi (spielt derzeit bei Sadd Sports Club in Doha) oder Pep Guardiola (Botschafter der WM 2022 und früher mal Spieler bei Al-Ahli Sports Club) sind eng mit dem Land verbandelt, vor allem finanziell.

Die schönsten Worte zu diesem Sommer-Theater kamen übrigens aus dem sonnigen Freiburg. Der kritische Trainer-Geist Christian Streich unterhält sich da regelmäßig mit ein paar lokalen Reportern und weil auch Kameras im Raum stehen, geht das anschließend per Internet um die Welt. Also sagte Streich: "Der Gott des Geldes wird immer größer und irgendwann verschlingt er alles. Die Macht des Geldes ist grenzenlos." Amen.

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