Länderspiel gegen Schweden:Alles fokussiert sich auf den Sommer

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Merle Frohms stand beim 0:0 gegen Schweden öfter im Mittelpunkt. (Foto: Ludvig Thunman/Bildbyran/Imago)

Das Renommee des DFB-Frauenteams ist groß wie lange nicht, das zeigt sich auch gegen Schweden. Dieses Jahr bietet die WM der Auswahl die Chance, ihre Beliebtheitswerte weiter zu steigern - bis dahin wartet allerdings noch sportliche Arbeit.

Von Anna Dreher, Duisburg

Fast die Dauer einer Halbzeit brauchte Marina Hegering, bis sie nach dem Schlusspfiff aus dem bereits abgedunkelten Duisburger Stadion in den hell beleuchteten Innenraum kam, dicke Daunenjacke über den Schultern, Lächeln im Gesicht. Ohne Kenntnis des Verlaufs des Länderspiels gegen Schweden hätten Beobachter auf die Idee kommen können, dass beim deutschen Fußball-Nationalteam alles ganz prima gelaufen sei. Aber Hegering war nicht so lange mit Jubeln beschäftigt gewesen, sondern mit Autogrammen, Fotos und Unterhaltungen. Freunde, Familie und Fans waren am Dienstag gekommen, 20 169 Zuschauer, um genau zu sein. Damit ließ sich eine Frage zum Auftakt ins WM-Jahr schon beantworten.

Ja, die öffentliche Euphorie, die dieses Team mit seiner Art und dem Finaleinzug bei der Europameisterschaft 2022 entfacht hat, ist noch da. Dass Hegering so lange im Stadion weilte, hatte zwar auch damit zu tun, dass die Abwehrchefin stark in dieser Region verwurzelt ist. Die 32-Jährige wurde in Bocholt geboren, hat früher für den FCR 2001 Duisburg, Bayer Leverkusen und die SGS Essen in der Bundesliga gespielt. "Aber wir merken schon eindeutig den Effekt der EM", sagte Hegering: Alle seien heute länger draußen geblieben als früher üblich.

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Bei dieser EM ging es nicht allein darum, wer am Ende die Trophäe bekommt. Sondern auch um den Effekt dieser Veranstaltung. Gerade der DFB darf nicht wieder eine Chance verpassen.

Kommentar von Anna Dreher

Was das deutsche Nationalteam noch viel lieber mitnehmen will, sind Selbstvertrauen und das quasi blinde Verständnis füreinander. Eigenschaften, die sich vergangenes Jahr eindrucksvoll zeigten und zu starken Leistungen führten. Die Frage, ob auch das gelungen ist, beantwortete das ruckelige 0:0 noch nicht so recht. Dieses erste Spiel nach einer dreimonatigen Pause seit Tests gegen Weltmeister USA lieferte nicht ausreichend empirisches Material dafür. Oder doch? "Wir sind schon noch in diesem Momentum drin, wir fühlen uns echt gut zusammen", sagte Hegering. "Schweden war ein sehr guter Test, eine Wasserstandsmeldung, wo wir gerade stehen und was uns erwartet im Sommer."

Die DFB-Frauen haben ein großes Ziel: die WM in diesem Sommer

Auf den Sommer fokussiert sich dieses Jahr alles. Vom 20. Juli bis 20. August findet in Australien und Neuseeland das große Turnier statt, und nachdem die EM so wunderbar lief, soll bei der Weltmeisterschaft möglichst alles mindestens genauso klappen. Die Nationalspielerinnen haben natürlich vor allem deshalb Interesse daran, weil sie dann wahrscheinlich wieder weit kommen würden - im Idealfall gekrönt mit dem dritten WM-Titel nach 2003 und 2007. Die Vorstellung ist angesichts der Konkurrenz gewagt. Nach der Entwicklung, die das Team von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg durchlaufen hat, kann dieses Ziel dennoch mit einer gewissen Berechtigung formuliert werden.

Aber es geht auch darum, eine Chance zu nutzen, die gleich die ganze Sparte pushen könnte: Die WM ist das zweite Großereignis innerhalb kurzer Zeit - und die Aufmerksamkeit müssen sich die Frauen nun nicht einmal mit den Männern teilen. Ihr Renommee ist so groß wie lange nicht. Dass Bundeskanzler Olaf Scholz unter den Zuschauern war, mit Voss-Tecklenburg sowie DFB-Präsident Bernd Neuendorf sprach und erneut eine Angleichung der Prämien thematisierte, unterstreicht das.

Die Beliebtheit der DFB-Frauen dürfte auch deshalb geblieben sein, weil die EM in England im deutlichen Kontrast zur politisch belasteten, teils aus Protest abgelehnten und aus deutscher Sicht verkorksten WM der Männer in Katar stand. Zugespitzt formuliert: Bodenständig auf der Insel vs. abgehoben in der Wüste - so wurde das von vielen wahrgenommen. Der Abstrahleffekt eines erfolgreichen Nationalteams auf den Vereinskosmos, ganz abgesehen von einer höheren gesellschaftlichen Akzeptanz, ist bekannt, das könnte diesmal nachhaltig genutzt werden, wenn der Deutsche Fußball-Bund die richtigen Lehren aus früheren Fehlern zieht.

Jubiläumsspiel: Alexandra Popp (links) war in ihrer 125. Partie wieder die treibende Kraft im DFB-Team. (Foto: Martin Meissner/AP)

Für eine erfolgreiche WM ist jedoch noch einiges zu tun, das zeigte das kampfbetonte Schweden-Spiel. Denn das deutsche Team tat sich schwer, begann nervös und brachte sich mit unsauberen Pässen um einen Rhythmus. Die athletischen, cleveren Schwedinnen machten permanent Druck, sie traten entschlossener und torgefährlicher auf. Dass daraus kein Treffer resultierte, verdankten die Deutschen der Abseitsregel, dem Pfosten, mangelnder Präzision sowie den starken Reflexen von Torhüterin Merle Frohms und einem akrobatischen Abwehrspagat von Alexandra Popp. In ihrem 125. Länderspiel war die Kapitänin mal wieder Antreiberin und überall auf dem Platz zugegen, ein "Mentalitätsmonster, sie ist vorne wegmarschiert", lobte die Bundestrainerin.

Taktische Neuerungen hätten "nicht optimal funktioniert, das kann man aber auch nicht erwarten", sagt Popp

Als Voss-Tecklenburg in der zweiten Hälfte Wechsel vornahm und vom 4-3-3-System auf eine Dreierkette umstellte, lief es flüssiger nach vorne. In der Schlussphase aber verschickten die Deutschen erneut eine Strafraum-Einladung nach der anderen. Das Ausprobieren neuer Taktiken und ein variabler Wechsel zwischen ebendiesen wiederum war das ausgegebene Motto für diese Partie nach einem mehrtägigen Trainingslager in Spanien. Nur die Umsetzung lief nicht wie erwünscht.

"Wir haben das in Marbella bearbeitet, um das auch gegen Top-Mannschaften auszuprobieren", sagte Popp. "Das hat nicht optimal funktioniert, das kann man aber auch nicht erwarten, dass das nach so einer kurzen Zeit hervorragend klappt. Ich habe da keine großen Wunder erwartet." Die Bundestrainerin ebenso wenig, aber: "Dann sind eben andere Tugenden gefragt." Wenn man sich auf hohem internationalen Niveau bewege, müsse auch beim eigenen Spiel alles hohes internationales Niveau sein.

Vielleicht war zusätzlich zur allgemeinen Aufwärmphase auch einfach zu spüren, dass Lena Oberdorf vom VfL Wolfsburg verletzt ausfiel. Erst 21 Jahre alt, aber auf der Sechserposition weltweit eine der Besten, verleiht sie dem deutschen Spielaufbau Ruhe und Souveränität, so leicht ist das nicht zu ersetzen. Voss-Tecklenburg sah jedenfalls noch nicht ganz, was sie wollte, doch hilft in der frühen Jahresphase selbst das: Nun hat sie mit ihrem Team jede Menge frisches Videomaterial und eine Weile Zeit, sich an die Auftaktanalyse und die daraus resultierenden Maßnahmen zu machen. Das nächste Trainingslager mit zwei Partien steht im April an.

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