Deutsches Nationalteam:Ein ganzer Stapel an Aufgaben

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Kaum auf dem Platz, schon gefordert: DFB-Torhüterin Ann-Katrin Berger trägt am Karfreitag entscheidend zum Sieg gegen die Niederlande bei. (Foto: Marius Becker/dpa)

Das 1:0 gegen die Niederlande bestätigt, dass die DFB-Frauen sich bis zur WM steigern müssen - außer im Tor. Beim nächsten Test gegen Brasilien muss das Team aber womöglich auf seine stärksten Spielerinnen verzichten.

Von Anna Dreher

Die zweite Halbzeit war keine Minute alt, als Martina Voss-Tecklenburg den nächsten Beleg geliefert bekam, dass sie sich zumindest auf einer Position keine Sorgen machen muss. Nach einem verpatzten Rückpass rannte Lineth Beerensteyn auf das deutsche Tor zu und zog ab, Ann-Katrin Berger streckte ihren Fuß an der Strafraumgrenze zur Seite aus und verhinderte die längst überfällige Führung der Niederländerinnen - mit ihrem ersten Ballkontakt. Die 32-Jährige war erst zur Pause eingewechselt worden. Den Nachschuss von Daniëlle van de Donk lenkte sie unmittelbar danach an den Pfosten. Dieser frühe Test sei "perfekt für mein Spiel gewesen", sagte Berger nach einer Partie, in der sie noch in weiteren Szenen glänzen konnte und entscheidend für einen erfolgreichen Abend war.

Voss-Tecklenburg hatte schon angekündigt, dass gegen die Niederlande und gegen Brasilien am Dienstag in Nürnberg (18 Uhr, ARD) viele Spielerinnen die Gelegenheit bekommen sollen, sich zu zeigen. Die Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland steht bevor, die Breite des Kaders war bei der Europameisterschaft in England im vergangenen Jahr eine große Stärke - und soll es diesen Sommer wieder sein. Ein Einsatz von Berger war aber eigentlich nicht geplant, Stammkeeperin Merle Frohms sollte am Karfreitag durchspielen, doch die 28-Jährige klagte über Rückenprobleme nach der ersten Hälfte. "Sie haben uns den Hintern gerettet", sagte Alexandra Popp über Frohms und Berger. "Wir müssen uns keine Sorgen machen, wer bei uns zwischen den Pfosten steht."

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Der 1:0-Sieg durch ein Kopfballtor von Sydney Lohmann nach einer Ecke (53. Minute) war äußerst glücklich und dass in diesem Moment ausgerechnet Beerensteyn beim Verteidigen das Nachsehen hatte, wirkte fast schon zynisch: Vor allem die frühere Spielerin des FC Bayern hatte zuvor die deutsche Defensive immer wieder getestet. Die DFB-Frauen wären vor 10 789 Zuschauern in Sittard zu diesem Zeitpunkt wohl längst einem deutlichen Rückstand hinterhergerannt, wenn nicht die ständig eingebundene Frohms eine so souveräne Leistung gezeigt hätte. "Gegen den Ball stimmt die Einstellung. Aber mit dem Ball ist das zu wenig. Das war heute echt leider sehr enttäuschend. Da muss noch mehr kommen bis zur WM", sagte Lohmann.

"Wir müssen die Balance wieder finden", findet Martina Voss-Tecklenburg

"Fehler mit Überzeugung machen, mutig sein" hatte die Bundestrainerin als Motto ausgegeben. Fehler konnte die 55-Jährige dann auch diverse Male beobachten. Ihrem Team fehlte es an Ruhe, ein wirklicher Spielaufbau gelang nicht, was natürlich an der Rotation in der Startelf lag: Im Vergleich zum Länderspiel-Auftakt gegen Schweden im Februar veränderte sie die Startaufstellung auf sechs Positionen. Weil sich Nicole Anyomi am Fuß verletzte und für sie kurzfristig Svenja Huth nachrückte, wurden daraus fünf. Auslöser für die Unsicherheit waren aber unabhängig davon auch der anhaltende Druck und das hohe Pressing der eingespielten Niederländerinnen. "Wir bekommen immer dann Probleme, wenn wir nicht alle so in unseren Positionen sind", sagte Voss-Tecklenburg. "Daraus müssen wir lernen."

Martina Voss-Tecklenburg will auch gegen Brasilien am Dienstag verschiedenen Spielerinnen die Chance geben, sich vor der Weltmeisterschaft diesen Sommer in den Fokus zu bringen. (Foto: Memmler/Eibner/Imago)

Im Prinzip lieferte die Begegnung gegen den Weltmeisterschaftszweiten von 2019 jenes Material, das das Trainerteam sammeln will: Szenen, die Aufschluss darüber geben, welche Themen dreieinhalb Monate vor der WM (20. Juli bis 20. August) noch besonders dringlich zu bearbeiten sind. Aber nicht nur Voss-Tecklenburg dürfte doch überrascht gewesen sein davon, dass es ein ganzer Stapel an Aufgaben zu sein scheint, der rechtzeitig abgearbeitet werden sollte. Das Nationalteam muss sich in der Offensive wie in der Defensive verbessern. Schon das kampfbetonte Schweden-Spiel hatte gezeigt, dass es gerade selbst an Grundlagen wie Passsicherheit fehlt.

Ohne die zunächst auf der Bank sitzenden Führungsspielerinnen wie Alexandra Popp, Lina Magull oder Marina Hegering machte sich nun auch gegen die Niederlande eine Unsicherheit breit, die bis zur WM dringend ausgeräumt werden muss, wenn dieses Jahr ein ähnlich erfolgreicher Auftritt wie 2022 mit dem Erreichen des EM-Finales gelingen soll. "Es war intensiv, es war wild. Wenn man im Aufbau die Bälle verliert, muss man sehr viel arbeiten", sagte Voss-Tecklenburg, deren Vertragsverlängerung bis zur EM 2025 am Montag bekannt gegeben wurde. "Wir müssen die Balance wieder finden."

Am Dienstag sollen die Ballkünstlerinnen aus Brasilien den WM-Gruppengegner Kolumbien simulieren, noch mehr wird dann eine geschlossene Defensive gefordert sein. Vor allem, wenn womöglich die beiden stärksten Spielerinnen der Niederlande-Partie angeschlagen sind. Ob Merle Frohms in ein paar Tagen ins Tor zurückkehren kann, ist fraglich. Und auch Ann-Katrin Berger, bei der vergangenes Jahr zum zweiten Mal Schilddrüsenkrebs diagnostiziert wurde, musste in ihrem fünften Länderspiel mit schmerzverzerrtem Gesicht am Sprunggelenk behandelt werden. Immerhin sie gab eine kleine Entwarnung: "Im Alter kriegt man ein bisschen schneller Blessuren, aber ich freue mich schon auf das Spiel."

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