Fußball-Bundesliga:Liga sucht Bademeister

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Es ist lange her, dass vier Mannschaften in der Bundesliga bis zum letzten Spieltag um die Deutsche Meisterschaft gespielt haben - nun könnte es wieder so weit sein. Der Fan sollte diesen Moment genießen, an Borussia Mönchengladbach und Schalke 04 aber ergeht der Auftrag, diesen Moment bis zum 5. Mai zu erhalten.

Philipp Selldorf

Der letzte große Mehrparteienkampf der Bundesliga liegt rund 20 Jahre zurück und brachte dem Publikum ein Zitat für die Ewigkeit. "Da arbeitet man ein ganzes Jahr auf das eine Ziel hin, und dann wird man so beschissen. Hätte der Referee korrekt gepfiffen, wären wir Meister, jetzt sind wir deutscher Bademeister."

Beim Freundschaftsturnier ganz freundlich im Umgang: Jürgen Klopp und Lucien Favre. In der Rückrunde werden sie weiter freundlich, aber bestimmt auftreten. (Foto: dapd)

Das geflügelte Wort stammt von Karl-Heinz Körbel, seinerzeit im Rang eines "Urgesteins" Co-Trainer von Eintracht Frankfurt. Aus heutiger Sicht klingt es wunderbar altmodisch, dass ein Profifußballer sich und die Seinen zum Bademeister ernennt, weil es mit dem Titelgewinn doch nicht geklappt hat.

Im Frankfurter Untergrund gab es damals aber auch andere Äußerungen, etwa die Theorie, dass die Bundesregierung in den Titelkampf eingegriffen hätte, weil sie einen serbischen Meistertrainer verhindern wollte. Auf dem Balkan war Krieg, der siegreiche Serbe Stepanovic hätte angeblich nicht ins politische Bild gepasst.

Schiedsrichter Berg konnte glaubhaft versichern, dass er von einem Befehl aus dem Kanzleramt nichts wusste, als er das Elfmeter-Foul von Stefan Böger an Ralf Weber übersah. Meister wurde 1992 der VfB Stuttgart mit Trainer Christoph Daum, der damals im Rang eines Wundertätigen stand, bevor er später durch seinen Lebenswandel politische Debatten heraufbeschwor.

2012 weiß niemand, ob sich die Lage ähnlich zuspitzen könnte wie 1992, als außer Frankfurt und Stuttgart auch Dortmund punktgleich zum letzten Spieltag antrat. Aber es ist eine schöne Vorstellung, dass der aktuelle Stand bis zum 5. Mai erhalten bleibt und zwecks Meisterermittlung hektisch zwischen Köln (wo die Bayern spielen), Bremen (gegen Schalke), Mainz (Mönchengladbach) und Dortmund (Freiburg) hin- und hergeschaltet wird.

Maßgeblich Beteiligte, voran die Rationalisten Lucien Favre und Huub Stevens, betonen täglich, das gegenwärtige Tabellenbild sei nur eine "Momentaufnahme", und damit haben sie natürlich recht. Mönchengladbach und Schalke sind Außenseiter, und der deutsche Vierkampf ist nicht zu vergleichen mit dem Vierkampf, der jahrelang die Premier League beherrschte, als sich Manchester United, Arsenal, Chelsea und Liverpool auf ähnlichen Höhen begegneten.

Fürs Publikum ergibt sich daraus der Ratschlag, den Moment zu genießen. An Gladbach und Schalke aber ergeht der Auftrag, diesen Moment bis zum 5. Mai zu erhalten - solange sie noch mit Spielern wie Reus und Raúl antreten. Und bevor aus dem Vier- wieder ein Zweikampf wird.

© SZ vom 03.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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