Inka Grings und die Schweiz:Noch Großes vor

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Eine Runde weiter: Trainerin Inka Grings steht mit dem Team der Schweizerinnen im WM-Achtelfinale. (Foto: Michael Buholzer/dpa)

Inka Grings wollte als erste Frau erfolgreich im Männerfußball als Trainerin arbeiten - nun steht sie mit der Schweiz im WM-Achtelfinale. Eines hat die ehemalige Stürmerin sich behalten: ihre streitbare Art.

Von Felix Haselsteiner, Auckland

Ihren ersten Nationalfeiertag als Trainerin verbrachte Inka Grings in der Kälte. Der 1. August wird in der Schweiz traditionell groß gefeiert, mit Feuerwerken, mit Hefezöpfen und indem man allseits "grilliert", wie Torhüterin Seraina Friedli berichtete. In der Kälte von Dunedin, dem südlichsten Spielort der WM, an dem sich die Schweizerinnen für die ersten Turnierwochen niedergelassen hatten, war Feuerwerk nicht angebracht, aber immerhin: Ein Geschnetzeltes und Rösti wurden serviert. Nati-Feiertag soll erst der Samstag werden.

Zum zweiten Mal nach 2015 steht jene Nati aus der Schweiz bei einer Weltmeisterschaft im Achtelfinale, zum zweiten Mal wird sie dabei trainiert von einer Deutschen: Vor acht Jahren war es Martina Voss-Tecklenburg, die knapp gegen den damaligen Gastgeber Kanada ausschied. Nun ist es ihre ehemalige Mannschaftskollegin Grings, die am Samstag in Auckland gegen Spanien nicht nur um ein historisches, erstes Viertelfinale für die Alpennation spielt, sondern auch um den größten Erfolg ihrer Trainerkarriere. Die Frage ist, ob sie selbst das so definieren würde.

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Kaum einer konnte es sich vorstellen, und vielleicht wurde es deshalb Realität: Zum ersten Mal verabschiedet sich das DFB-Team der Frauen in der Vorrunde. Das abrupte Aus hat eine besondere Tragweite - über den Abend in Brisbane hinaus.

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Im April 2019 nämlich setzte Grings noch zu Größerem an und begann eine neue Episode im deutschen Fußball, als der Regionalligist SV Straelen sie als Trainerin vorstellte. Eine der ehemals besten deutschen Stürmerinnen mit Trainererfahrung in der Frauen-Bundesliga sollte einen Viertligisten trainieren. Eine historische Nachricht, so etwas war noch nie vorgekommen. Grings wollte die Frau-trainiert-Männer-Mauer durchbrechen, mit aller Kraft.

"Momentan ist es leider so, dass vor allem nach Geschlecht und nicht nach Leistung beurteilt wird", hatte Grings in einem Interview mit der Rheinischen Post einmal gesagt. Sie bat um eine "ehrliche Chance" und zögerte nicht davor, ihre großen Ambitionen auch klar zu äußern: "Ob das dann in der ersten oder dritten Liga ist, spielt nicht die entscheidende Rolle." Es wurde schließlich Straelen, für ein Jahr und zwei Monate blieb sie, mit der Bilanz eines Ab- und eines Aufstiegs ging sie. War das der historische, durchbrechende Erfolg? Eher nicht - ob die rheinländische Provinz mit dem einflussreichen Vereinsboss Hermann Tecklenburg, dem Ehemann von Marina Voss-Tecklenburg, der richtige Ort für derlei historische Durchbrüche war, bleibt allerdings fraglich.

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Nur zwei Tore in drei Vorrundenspielen - dafür steht hinten stets die Null

Über eine erfolgreiche Station beim FC Zürich gelangte Grings schließlich wieder zurück auf die inzwischen größere Bühne Frauen-Weltmeisterschaft, mit der sie noch eine Rechnung offen hat: Zweimal wurde sie Europameisterin, beim deutschen WM-Sieg 2007 allerdings war sie außen vor, weil die damalige Bundestrainerin Silvia Neid sie nicht berief. In ihrer aktiven Karriere galt Grings nie als einfache Mitspielerin - und auch als Trainerin ist sie sich für Widerspruch nicht zu schade.

Das Weiterkommen ihres Teams etwa lobte sie durchaus, vor allem defensiv: Nach einem 0:0 gegen Gastgeber Neuseeland zogen die Schweizerinnen ohne einen Gegentreffer ins Achtelfinale ein, das schafften sonst nur Jamaika und Japan. Allerdings haperte dort die Offensive nicht so: Nur zwei Tore gelangen Grings Mannschaft, was eine ehemalige Torjägerin nicht zufrieden stellt. "Unsere Umschaltsituationen haben wir wieder einmal nicht gut ausgespielt, das können wir uns ab jetzt nicht mehr erlauben", sagte Grings nach dem Neuseeland-Spiel. Sie klage "auf hohem Niveau", aber: Sie klagte.

In der Schweiz wurde ebenfalls geklagt. Grings wurde in den Medien zuletzt für ihre Wechsel kritisiert und auch dafür, dass sie sich nicht zu schade ist, die Besten mal rauszunehmen: Ramona Bachmann etwa, Stürmerin von Paris Saint-Germain, musste gegen Neuseeland verfrüht vom Feld, sie habe es "von der Einstellung her top gemacht", aber "vergessen, aufs Tor zu schießen", so Grings. Die fehlende Effizienz vor dem Tor mache ihr von der Bank aus am meisten zu schaffen, auch weil ihr - genauso wie dem Rest der Schweiz - bewusst ist, dass da eine höchst talentierte Truppe im Achtelfinale steht, mit Spielerinnen wie Mittelfeldregisseurin Lia Wälti vom FC Arsenal oder Ana-Maria Crnogorcevic vom FC Barcelona.

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Letztere saß als Spielerin des Spiels auf der Pressekonferenz nach dem dritten Gruppenspiel neben Grings und sagte offen, sie habe ihre Auswechslung auch "nicht ganz verstanden". Ihrer Trainerin war das egal, die Begründung war ähnlich wie bei Bachmann: Torlosigkeit. Kann man das nicht trainieren, Frau Grings? "Ja. Aber irgendwann kann ich dann auch nicht mehr machen, als es immer wieder zu erklären."

Die direkte Ansprache an ihr Team, sie ist eine Fortsetzung dessen, was Grings als Spielerin ausgezeichnet hat - was ihr aber auch den Ruf eingebracht hat, im Umgang manchmal ein schwieriger Charakter zu sein. Kritik allerdings bekämpft sie in ihrer Rolle als Schweizer Nationaltrainerin bislang erfolgreich mit denselben Mitteln, mit denen sie es als Spielerin an die Spitze geschafft hat - und mit denen sie auch als Trainerin weiterhin Großes vor hat: mit Erfolgen wie dem Einzug ins Achtelfinale.

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