Die Halbfinalistinnen der WM:Australiens Torhüterin und ihr Gespür fürs Psychospiel

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Heldin des Halbfinal-Einzugs: Australiens Torhüterin Mackenzie Arnold. (Foto: Franck Fife/AFP)

Mackenzie Arnold steht für die mentale Wehrhaftigkeit des WM-Gastgebers. Im Halbfinale gegen England wird diese erneut gefragt sein.

Von Anna Dreher, Sydney

Zwei Elfmeter hatte sie gehalten und drei an sich vorbeirauschen sehen, als Mackenzie Arnold den Ball nahm und zum weißen Punkt auf dem Rasen des Suncorp Stadions von Brisbane ging. Von der Tribüne kam ein Raunen, das vor allem einen Gedanken ausdrückte: Wie abgezockt ist die denn, bitte?! Und fast hätte Arnold auch einen Jubelsturm ausgelöst, der Ball aber knallte an den rechten Pfosten. Sie trottete zurück ins Tor. Das Elfmeterschießen zwischen Australien und Frankreich in diesem WM-Viertelfinale ging weiter, auf historische Weise, wie wenig später feststand.

Erst nach 20 Elfmetern, so vielen wie bei noch keiner WM, hatte Australien es ins Halbfinale am Mittwoch (12 Uhr, ARD) gegen England geschafft, zum ersten Mal und mit Arnold als Heldin. Für sie sei das die verrückteste Partie gewesen, an der sie je beteiligt gewesen sei, sagte die 29-Jährige. Für ihren Trainer Tony Gustavsson stand fest: "Sie war die Spielerin, die das Spiel für uns gewonnen hat."

Australien besiegt Frankreich
:Entscheidung nach 20 Elfmetern

Nach dem längsten Elfmeterschießen der WM-Geschichte zieht Australien ins Halbfinale ein. Frankreich muss sich trotz eines späten Torwart-Wechsels verabschieden - die Euphorie bei den Gastgeberinnen ist riesig.

Von Anna Dreher

Arnolds missglückter Versuch war nach dem 7:6-Siegtreffer von Cortnee Vine schnell vergessen. Schon von der regulären Spielzeit über die Verlängerung hatte sie diverse Chancen abgewehrt, nun sogar doppelt. Als es 6:6 stand, parierte Arnold den Elfmeter von Kenza Dali. Der Videoschiedsrichter entschied auf Wiederholung, sie hatte die Linie zu früh verlassen. Doch auch den zweiten Versuch ließ Arnold nicht durch. "Um ehrlich zu sein, ist es ein bisschen ein Gedankenspiel, ob sie in die gleiche Richtung geht", sagte Arnold. "Ich habe mir gut zugeredet und zum Glück wieder gehalten." Ohnehin habe sie da einen Instinkt: "Ich neige dazu, einfach meinem Bauchgefühl zu vertrauen."

Zum Nationalkader gehörte Arnold seit 2012, zunächst als dritte Wahl. Innerhalb eines Jahres stieg sie zur Nummer eins auf. Im Februar etablierte sie sich bei einem Freundschaftsturnier für die WM. Zum Vorbild wurde sie schon, als die Torhüterin von West Ham United im April öffentlich gemacht hatte, dass sie Hörgeräte braucht. Dafür gab es viel Zuspruch von ähnlich Betroffenen. Nach dem Elfmeterschießen wurde auch diese Geschichte wieder sehr häufig erzählt.

Die Australierinnen haben eine enorme Euphorie ausgelöst

Für die Australierinnen war es ein bedeutsames Spiel. Sie sind die Gastgeberinnen dieses Turniers und haben eine enorme Euphorie im Land ausgelöst. Mehr als 4,7 Millionen Menschen schauten sich das Viertelfinale laut australischen Medienberichten im TV an, so viele wie seit mehr als 15 Jahren nicht mehr bei einem Sportereignis. Wie in so vielen Ländern kämpften auch die "Matildas" lange um diese Anerkennung, von 1921 bis 1971 war Frauen das Fußballspielen auf diesem Kontinent verboten. Und genau jetzt, wo sie in ihrem Land besonders im Fokus stehen, nutzen sie die Aufmerksamkeit.

Gustavsson lobte seine Fußballerinnen für die Art, "wie sie die Nation vereinen können, wie sie ein Vermächtnis hinterlassen können, das viel größer ist als 90 Minuten Fußball. Deshalb glaube ich auch so sehr an sie". Stürmerin Sam Kerr überstrahlt den Kader, doch nach ihrer Wadenverletzung vor dem Auftakt konnte sich das Team davon emanzipieren. Spätestens seit Samstag steht auch Mackenzie Arnold vor allem für die mentale Stärke ihrer Auswahl.

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