England-Sieg im Elfmeterschießen:Kelly rettet die Heldinnen

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Englands Chloe Kelly dreht jubelnd ab: Ihre "Lionesses" haben auch dank ihres Schusses das WM-Viertelfinale erreicht. (Foto: Tertius Pickard/AP)

Wie schon im EM-Finale vor einem Jahr erzielt Stürmerin Chloe Kelly das entscheidende Tor für England: Mit ihrem finalen Schuss kann der Europameister gerade so ein Aus gegen starke Nigerianerinnen abwenden.

Von Felix Haselsteiner

Ein Jahr war vergangen, und Chloe Kelly stand wieder triumphierend vor einer Tribüne, von der ihr die Zuschauer zujubelten. Brisbanes Stadion ist kein Fußballtempel wie Wembley, der Ort, an dem Kelly am 1. August 2022 den entscheidenden Treffer im EM-Finale gegen Deutschland erzielt hatte. Ein Tor, das viel auslöste in einem Land, das zuvor 52 Jahre einem Titel hinterhergelaufen war: Kelly ist seit ihrem Tor und dem anschließenden Jubel landesweit bekannt, Frauenfußball boomt, Englands Nationalspielerinnen werden schlicht als Heroines bezeichnet, als Heldinnen.

Wie man einem Land seinen Fußballtraum erfüllt, wissen die Engländerinnen seit diesem magischen Nachmittag in Wembley. Dass ein solcher Erfolg keinen mystischen Schutz vor dem Scheitern bietet, wissen sie seit Brisbane und einem Achtelfinale, das denkbar knapp zugunsten des Europameisters ausging: Kelly verwandelte diesmal nicht aus dem Spiel heraus zum Siegtreffer, sondern im Elfmeterschießen zum 4:2 gegen Nigeria.

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Dieses Entscheidungswerkzeug musste angewandt werden, weil die Nigerianerinnen das taten, wofür sie im Turnier inzwischen bekannt sind: sie spielten 0:0. Nur ein Spiel mit nigerianischer Beteiligung hatte es bei der WM gegeben, das nicht torlos endete. Beim 3:2 gegen Gastgeber Australien hatten die Super Falcons auch getroffen, ansonsten hatte es gereicht, weder ein Tor zu kassieren noch eins zu erzielen - wobei es gegen England beinahe anders gelaufen wäre.

Von einer defensiven Herangehensweise war gegen einen der großen Turnierfavoriten nichts zu spüren: Herausragende Chancen erarbeiteten sich die Nigerianerinnen über das gesamte Spiel hinweg, zweimal trafen sie die Latte und profitierten zudem von Entscheidungen aus der Videokabine. Erst nahm Schiedsrichterin Melissa Borjas in der 34. Minute nach erneuter Ansicht einen Elfmeter für England zurück, in der 87. Minute dann sah sie sich die unsportlichste Szene dieser WM noch einmal an: Englands Lauren James war der liegenden Michel Alozie nach einem Foul absichtlich mit den Stollen in den Rücken getreten. Dafür sah sie nicht - wie erst gedacht - die gelbe, sondern die rote Karte. James, in der Gruppenphase noch Torschützin beim 1:0 gegen Dänemark, wird England damit für mindestens zwei Spiele fehlen.

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Der Platzverweis sorgte aber in erster Linie für eine ausgeglichene Verlängerung, in der die beste Stürmerin Nigerias, Asisat Oshoala vom FC Barcelona, noch die beste Chance zur späten Führung hatte. Oshoala allerdings vergab in der 117. Minute, genauso wie später im Elfmeterschießen Desire Oparanozie und Alozie, während die Engländerinnen bis auf Georgia Stanway allesamt trafen.

Eine feine Geste von Siegtorschützin Kelly

Ein knappes Weiterkommen steht damit am Ende für England, Heroisches war über 120 Minuten nur allzu selten zu sehen: Das Team von Sarina Wiegman ließ jegliche Spielkontrolle vermissen gegen eine nigerianische Elf, die dafür erneut bewies, dass es die sogenannten Kleinen bei dieser WM nicht mehr gibt - taktisch und fußballerisch bewegte sich das Team des langjährigen US-College-Trainers Randy Waldrum auf höchstem Niveau, mit deutlich mehr Mut zum Fußball, als ein 0:0-Team auf den ersten Blick vermuten lassen würde. Und letztlich waren es erneut wenige Zentimeter, die in Brisbane entschieden, wie schon am Vortag das hochdramatische Spiel zwischen den USA und Schweden. Kellys starken Elfmeter nämlich hätte Chiamaka Nnadozie beinahe noch abgefangen, mit den Händen lenkte sie ihn ins Kreuzeck ab.

Als die Torhüterin danach weinend auf den Boden sank und ihr Gesicht im Rasen vergrub, brach Kelly umgehend ihren Jubel vor der Kurve ab und eilte zu ihr, um zu trösten. Es war eine feine Geste der bekannten Stürmerin, der erneuten Siegtorschützin, die in dem Spiel keineswegs Schwächen erkennen wollte: "Wir haben es bei der Euro geschafft (...) und wir haben es hier wieder geschafft. Wir drängen weiter nach vorne. Von dieser besonderen Mannschaft wird noch mehr kommen."

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