Neue Regeln in der Formel 1:Applaus, Trommelwirbel!

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Gute Laune nach dem Rennen: Der drittplatzierte Lewis Hamilton (rechts) freute sich glaubwürdig über den Doppelsieg der Ferrari-Piloten Charles Leclerc (Mitte) und Carlos Sainz. (Foto: Mark Sutton/Imago)

Ohne Gewähr lässt sich nach dem ersten Formel-1-Saisonrennen sagen: Die größte Regel-Novelle seit vielen Jahren ist gelungen. Sogar ein Dreikampf um den Titel scheint möglich - doch es gibt auch Verlierer.

Kommentar von Philipp Schneider

Lewis Hamilton hat es sich über die Jahre angewöhnt, seine Kleider sprechen zu lassen. Ein Fahrerlager ist kein Laufsteg, mag da einzuwenden sein. Und doch fällt es oft schwer, keine subtilen Botschaften in seiner Haute Couture zu erkennen. Als er vergangene Woche eintraf zum Saisonauftakt an der Rennstrecke in Sakhir, da trug er eine Art Judogi, also den blütenweißen Trainingsanzug der Judoka, dazu einen schwarzen Gürtel. Offensichtlich war er nach der Verarbeitung des umstrittenen Saisonfinals des Vorjahres in Abu Dhabi wieder mit der Welt im Reinen und dazu innerlich kämpferisch eingestellt.

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Bevor Hamilton nun wieder abreiste aus Bahrain, hatte er es zu seiner eigenen Verwunderung tatsächlich als Teilnehmer in die illustre Runde geschafft, in der die besten Drei das Rennen reflektieren - allerdings haarscharf und nur mit sehr viel Glück. Zur Presserunde lief er ein in Shorts. Was gut zur ernüchternden Darbietung seines Mercedes passte, denn als er Platz nahm neben den in rotgetünchte Ganzkörperkluft gehüllten Ferraristi, da sah es auf den ersten Blick so aus, als habe Hamilton die Hose runtergelassen.

Und das war ja genau das Thema: Nachdem wochenlang nur spekuliert werden durfte, ob es dank der umfassendsten Reglement-Novelle seit vielen Jahren ein wahrhaftig neues Kräfteverhältnis in der Formel 1 geben würde, so dürfen nach der Eröffnungssause die ersten Sieger und Verlierer ausgerufen werden. Natürlich ohne Gewähr. Wäre nicht bei den Red-Bull-Boliden die Benzinzufuhr versiegt (worin mancher eine gerechte Strafe für die Farce von Abu Dhabi sehen wollte, selbstverständlich aber nicht diese Zeitung , Anm. d. Red), Max Verstappen hätte wohl Anspruch erheben dürfen auf den Stuhl von Carlos Sainz jr.. Und Hamilton hätte es gar nicht erst aufs Podium geschafft und so zum frühzeitigen Feierabend schon die passenden Beinkleider getragen. Hinzu kommt: Die sehr spezielle Strecke im winzigen Königreich taugt nicht für Hochrechnungen über den Rest der Saison.

"Wir haben nichts gesehen, was entgegen dem lief, was wir versucht haben zu erreichen", sagt Ross Brawn

Und doch ist der alte Traum der Formel 1 nach einem Dreikampf der Teams an der Spitze so lebendig wie seit Jahren nicht. Ferrari und Red Bull kreisen jetzt schon auf ähnlichem Niveau, Mercedes verspricht sich eine massive Leistungssteigerung, sobald sie das der neuen Aerodynamik geschuldete Hoppeln der Autos in den Griff bekommen haben. Ross Brawn, der selten euphorische Mastermind der Formel 1, der seit 2017 das neue Reglement vorangetrieben hat, stand nach dem Rennen unter den stets wie Weihnachtsbäume beleuchteten Palmen von Sakhir und freute sich über das Resultat wie ein Kind an Heiligabend über die Playmobil-Ritterburg, und zwar die große: Er sei "wirklich begeistert", sagte Brawn: "Wir haben nichts gesehen, was entgegen dem lief, was wir versucht haben zu erreichen."

Das Feld sollte dichter zusammenrücken, die Überholmanöver erleichtert werden, das wollte Brawn erreichen. Dass das erste Ziel nicht verfehlt wurde, belegen Zeiten und Resultate. Trennten in der Qualifikation von Sakhir im Vorjahr den Ersten und Letzten noch mehr als vier Sekunden, so waren es diesmal knapp drei. Im Rennen rauschten auf den Plätzen fünf und sechs ein Haas und ein Alfa Romeo ins Ziel, beide beziehen ihren Motor bei der wiedererstarkten Scuderia - vor vier Monaten noch wäre jeder einzelne Aspekt dieses Satzes als Scherz durchgegangen.

Der ausufernde Zweikampf über drei Runden zwischen Leclerc und Verstappen wiederum darf ersten vorsichtigen Prognosen zufolge auch als Resultat optimierter Luftströmungen gewertet werden. Leclerc spielte schlau mit seinem verstellbaren Heckflügel, doch als frisch Überholter hatte der Monegasse wohl auch mit weniger sogenannter "dreckiger Luft" zu kämpfen, er konnte dichter folgen und ruinierte nicht unmittelbar seine Reifen. Applaus, Trommelwirbel! Alle glücklich?

Nur auf dem idyllischen Bauernhof "Neumüli" in Ellighausen im Schweizer Kanton Thurgau dürfte ein wegen Corona isolierter, viermaliger Weltmeister mit Wehmut verfolgt haben, wie unvollkommen sein Aston Martin mal wieder zusammengezimmert wurde, in den er sehr viel Hoffnung gesetzt hatte. Im Fernsehen sah Sebastian Vettel seinen Vertreter Nico Hülkenberg als Letzten durchs Ziel rollen.

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