Auftakt der Formel 1 in Bahrain:Ferrari feiert die Erlösung

Auftakt der Formel 1 in Bahrain: "Es ist keine Fata Morgana in der Wüste. Es ist alles wahr": Die Mannschaft von Ferrari feiert den Doppelsieg von Sakhir.

"Es ist keine Fata Morgana in der Wüste. Es ist alles wahr": Die Mannschaft von Ferrari feiert den Doppelsieg von Sakhir.

(Foto: Hassan Ammar/AP)

Mit dem Doppelsieg in Bahrain befreit sich die Scuderia von einem zweieinhalb Jahre andauernden Fluch. Doch nicht nur der italienische Rennstall, die gesamte Formel 1 trägt nach diesem Saisonauftakt ein Leuchten in sich.

Von Elmar Brümmer, Manama

Mattia Binotto sitzt auf einem Ledersofa im Team-Bungalow von Ferrari, er wirkt ein wenig fahrig. Versucht zu verkraften, was da gerade passiert ist mit ihm und seiner Scuderia. Soeben wurden zweieinhalb Jahre Sieglosigkeit in der Formel 1 mit einem Doppelsieg vergessen gemacht, zwei Saisons zum Schämen sind überstanden. Die vergangene war vorbeigezogen in der Hoffnung, dass sich alles auszahlen würde an diesem ersten Rennwochenende einer neuen technischen Ära der Königsklasse des Motorsports.

Binotto sitzt also auf dem Sofa, muss begreifen, wie es gelingen konnte, dass sich seine Mannschaft ganz plötzlich vom Mercedes-Joch befreien konnte, das seit acht Jahren Hybrid-Reglement die Gegner erdrückt wie es für gewöhnlich nur der FC Bayern mit Borussia Dortmund macht. Und dann erfolgte die Erlösung auch noch auf diese Weise: In einem Großen Preis von Bahrain, der sich dramatisch so zuspitzte, dass am Ende neben Charles Leclerc auch noch Carlos Sainz jr. in seinem roten Renner als Zweitschnellster triumphieren konnte, weil Red Bull Racing ein doppeltes Debakel erlebte und beide Autos nicht die Zielgerade querten.

Also stieg Binotto, der Chef, persönlich mit hinauf zum Podest in den noch vom Feuerwerksdampf geschwängerten Nachthimmel. Solche Selbst-Inszenierungen des Führungspersonals sind selten in der Formel 1, besonderen Momenten vorbehalten - auch das ein Indiz für die Erlösung.

Nicht nur Ferrari, die ganze Formel 1 trägt nach diesem Saisonauftakt ein Leuchten in sich

Minutenlang sitzt Binotto dann in seinem Kabuff, um sich darauf vorzubereiten, wie er der Welt erklären soll, wie sie das in Maranello hinbekommen haben. Er daddelt dazu auf seinem telefonino, aber bei aller Zerstreuung sind die Reflexe des 52-Jährigen in Takt. Als jemand wohlmeinend den bauchigen Siegpokal ins Bild rücken will, wehrt er ab. Schließlich nehmen die Chauffeure Leclerc und Sainz neben ihm Platz, auch sie wirken zwar gelassen, aber nicht komplett entspannt. Wer hätte auch mit sowas gerechnet? Als ihm schon das Ziel unter dem Flutlicht entgegenleuchtete, der größte Widersacher, Red-Bull-Pilot Max Verstappen, längst ausgerollt war und er den Teamkollegen sicher im Schlepptau hatte, hatte Charles Leclerc aus dem Cockpit gefunkt: "Ich habe ein Problem mit dem Motor..." Bloß Spaß! Das Provozieren von Herzattacken am Kommandostand kann sich der Monegasse aber nur an einem Abend wie diesem erlauben, an dem der italienische Rennstall sich von einem Fluch erlöst. Nicht nur Ferrari, die ganze Formel 1 trägt nach diesem Saisonauftakt ein Leuchten in sich: ein echter Traumstart.

Auftakt der Formel 1 in Bahrain: Ritual eines nachdenklichen Rennfahrers: Vor jedem Grand Prix harrt Charles Leclerc sitzend vor der Bande aus - ehe er in seinen Dienstwagen klettert.

Ritual eines nachdenklichen Rennfahrers: Vor jedem Grand Prix harrt Charles Leclerc sitzend vor der Bande aus - ehe er in seinen Dienstwagen klettert.

(Foto: Xavi Bonilla/Imago)

Der Bahrain International Circuit mag nicht als Referenz für das ganze Jahr taugen, und die Benzinpumpe den Red-Bull-Honda nicht jedes Mal trocken legen, aber tatsächlich könnte ein weiteres großes Rennjahr auf die Königsklasse zurollen. Oder, wie es Leclerc in zwei Worten ausdrückte: "Mamma mia!" Kollege Sainz war einsilbiger, kokettierte sogar damit, sein schlechtestes Wochenende im Ferrari hinter sich zu haben - so schnell verschieben sich die Erwartungen. Der Spanier dürfte inzwischen besänftigt sein, denn Binotto hat ihm bereits einen neuen Vertrag vorgelegt. Alles soll 2022 in geregelten Bahnen laufen, bloß keine Unruhe. Sie spüren, dass sie jetzt dran sind. Sie wollen wieder dran sein. Schon beschwört die Gazetta dello Sport: "Es ist keine Fata Morgana in der Wüste. Es ist alles wahr."

Red Bull wird auf Revanche brennen, schon am Wochenende auf dem unvergleichlichen Stadtkurs von Dschiddah. Leclerc hat auf den 57 Runden von Sakhir schon gezeigt, wie seine Vorgehensweise in dieser Saison sein wird: konzentrierte Härte. Denn auch darauf deutet der erste Auftritt der neuen Rennwagengeneration hin. Neue Reifen und neue Aerodynamik erlauben ein anderes Fahren, genauer gesagt: das Heranfahren. Wer überholen will, braucht nicht mehr erhöhte Aggressivität. Es könnte das Jahr der Stilisten werden, wie der 24 Jahre alte Leclerc einer ist. Interessant zu beobachten sein wird, ob Max Verstappen damit eines großen Vorteils enthoben ist. Der Titelverteidiger wagte einige Angriffe mit Geschwindigkeitsüberschuss und spätem Bremsen, nur um dann schnell wieder von einem clever agierenden Leclerc abgefangen zu werden. Stilist gegen Brutalo, der perfekte Gegensatz.

"Red Bull bleibt immer noch der Favorit", beteuert Ferrari-Chef Binotto

Trotz des roten Ausrufezeichens ist es wohl noch zu früh, von einem Machtwechsel zu künden. Die Reifen sind tückischer in dieser Saison, die Autos wollen mehr gebändigt werden. "Ich hatte selten eine so unruhige Fahrt wie diesmal", bestätigt Sieger Leclerc. Der Monegasse gilt als Muster an Coolness, so hat er auch die lange Durststrecke bei der Scuderia durchgestanden. Er bleibt weiter auf der Lauer. Der erst dritte Rennsieg seiner Karriere macht ihm Hoffnung: "Wir befinden uns im Kampf um den Titel, das ist doch schon mal großartig."

Auftakt der Formel 1 in Bahrain: Brutalo gegen Stilist: Max Verstappen bremst spät und quetscht sich vorbei - kurz darauf kontert Charles Leclerc und holt sich die Führung zurück.

Brutalo gegen Stilist: Max Verstappen bremst spät und quetscht sich vorbei - kurz darauf kontert Charles Leclerc und holt sich die Führung zurück.

(Foto: Hoch Zwei/Imago)

Die Italiener haben die erste Aufgabe des Jahres, eine doppelte, am besten von allen gelöst - ein Auto schnell und zuverlässig zugleich zu machen. Die Gleichung geht auch deshalb auf, weil Ferrari sich ein Jahr lang Zeit für die akribische Vorbereitung genommen und alle Chancen in der letzten Saison geopfert hatte. Der neue Antriebsstrang hat dem von Mercedes den Rang abgelaufen, besitzt eine ungeheure Traktion. Trotz der nunmehr in der Formel 1 vorgeschriebenen Beimischung von Bio-Ethanol hat das Turbo-Aggregat offenbar nochmal deutlich zulegen können. "Wir waren von diesem Tempo überrascht", musste sogar Red-Bull-Berater Helmut Marko zugeben. Die sensationellen Plätze fünf und sechs für die Kundenteams von Alfa Romeo und Haas zeugen von der neuen Stärke in Maranello.

Nach den durch eigene Fehler verlorenen Titelanläufen von Sebastian Vettel 2017 und 2018 hatte Ferrari 2019 schon einmal eine Art Wundermotor ausgepackt, Leclerc konnte in der Saison mehr Pole-Positionen holen als alle anderen. Doch um die Legalität der Maschine hatte es so große Kontroversen gegeben, dass er zurückgebaut werden musste. Ein Rückschlag, von dem sich das Team erst jetzt zu erholen scheint. Der Corriere della Sera beschwört gar ein "Ferraristisches Neujahr". Mattia Binotto jedoch macht nicht den Fehler, schon zu optimistisch zu werden. Er beteuert: "Red Bull bleibt immer noch der Favorit." Aber die langen Leiden scheinen vorbei zu sein.

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