Basketballteams aus Israel:Gespenstische Heimspiele in der Fremde

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Es ist keine einfache Situation für Spielmacher Lorenzo Brown (beim Korbleger) und seine Teamkollegen von Maccabi Tel Aviv, die fortan ihre Heimspiele in Belgrad austragen. (Foto: Norbert Scanella/PanoramiC/Imago)

Basketball ist auch in Israel groß, wo der FC Bayern eigentlich in der Euroleague antreten sollte. Doch im Krieg bleibt Profis aus Tel Aviv oder Jerusalem nur der Weg ins Ausland. Über Sportler, die fernab der Heimat dennoch froh sind, alles geben zu dürfen.

Von Ralf Tögel

Dass die Basketballer des FC Bayern München innerhalb einer Woche zweimal in Belgrad antreten, ist zunächst keine erwähnenswerte Neuigkeit, zumal die serbische Hauptstadt durch Roter Stern und Partisan gleich mit zwei Teams in der Euroleague vertreten ist. An diesem Donnerstag allerdings geht es nicht wie vor Wochenfrist in die riesige 20 000 Zuschauer fassende Stark-Arena, in der die Münchner 68:74 bei Roter Stern unterlagen. Diesmal müssen die Bayern sieben Kilometer weiter östlich in der Aleksandar-Nikolic-Halle antreten.

Und dort ist auch nicht etwa Stadtkonkurrent Partisan Gastgeber, der ebenfalls in der großen Arena spielt, sondern Maccabi Tel Aviv. Es ist das erste Heimspiel der Israelis in der Fremde, nachdem die Partie gegen Madrid vor einer Woche verschoben worden war. Dass die Nikolic-Halle kleiner ist und nur 8000 Zuschauern Platz bietet, ist dabei nicht weiter von Bedeutung, denn die Begegnung gegen den israelischen Meister findet ohne Publikum statt.

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Seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober ist an Sport in Israel nicht mehr zu denken. Dennoch sind die israelischen Profivereine darum bemüht, weiter an den diversen internationalen Wettbewerben teilzunehmen: wie die Basketballer von Maccabi Tel Aviv in der europäischen Königsklasse - allerdings an einem Ausweichspielort. Nach einer Dringlichkeitssitzung hatte die Euroleague Belgrad als neue Heimstatt der Israelis gewählt: "Belgrad war eine der Möglichkeiten", erklärt Maccabis Mediendirektor Roey Gladstone. Die habe sich als beste herausgestellt, nachdem zunächst auch Zypern im Gespräch gewesen war.

Im Fiba-Europe Cup waren auf Zypern die Kosten zu hoch - die Israel-Teams wurden aus den Wettbewerben genommen

Die Mittelmeerinsel war einer der Kandidaten, auch der europäische Verband Fiba wollte mit seinen Wettbewerben wie dem Europe Cup, dem vierthöchsten internationalen Wettbewerb, dorthin ausweichen. Die drei betroffenen israelischen Vereine Bnei Herzliya, Ironi Ness Ziona und Hapoel Galil Elion sollten ihre Heimspiele ursprünglich in Nikosia spielen, wie auch die Frauen von Ramat Hasharon im Fiba-Eurocup der Frauen. Doch die Sicherheitsvorgaben in Zypern sowie der Fiba waren laut den betroffenen Klubs nicht zu erfüllen.

Dem Vernehmen nach hätten die Spiele wegen umfangreicher Sicherheitsmaßnahmen bis zu 30 000 Dollar gekostet, zudem hätten die Teams nebst Tross nur einen Tag vor den Spielen anreisen und am Tag danach wieder abreisen sollen. Das war angesichts mehrerer Spiele allein im November nicht zu realisieren, weshalb die israelischen Klubs aus dem Wettbewerb genommen wurden - zu deren Ärger.

In einem gemeinsamen Statement kritisierten die drei Klubs das Verhalten der Fiba als nicht ausreichend "verständnisvoll und integrativ". In der Basketball-Champions-League, dem dritthöchsten europäischen Wettbewerb, der ebenfalls von der Fiba ausgerichtet wird, hat der israelische Vertreter Hapoel Holon in Riga/Lettland eine vorübergehende Heimstatt gefunden; Hapoel Tel Aviv, das bisher nur auswärts gespielt hat, sowie Hapoel Jerusalem treten ebenfalls in Belgrad an.

Die beiden höchsten Wettbewerbe Euroleague und Eurocup haben mit der Fiba nichts zu tun, sie werden unter dem Dach der Euroleague Basketball wirtschaftlich orientiert organisiert - und haben eine andere Lösung gefunden. "Die serbischen Mannschaften und Behörden haben uns sehr geholfen und vorgeschlagen, uns mit Einrichtungen und der Halle zu helfen", erklärt Maccabi-Medienchef Gladstone. "Und weil die Nikolic-Halle schon letzte Saison eine Euroleague-Arena war, war alles Nötige einfach einzurichten." Über Sicherheitsmaßnahmen will sich Maccabi nicht äußern, ebenso wenig über Kosten: "Wir wissen noch nicht, wie lange diese Situation besteht", sagt Gladstone, "es gibt viele Unsicherheiten, am Ende des Prozesses können wir vielleicht etwas dazu sagen."

Aber Maccabi spielt nicht nur in Belgrad, die ausländischen Profis, also der Großteil des Teams sowie des Trainer- und Betreuerstabes, wohnen bis auf Weiteres in Serbiens Hauptstadt, berichtet Roy Jankelowitz. Der Journalist arbeitet für ein israelisches Online-Sportportal und begleitet seit Jahren auch Maccabis Basketballer. Die Israelis aber leben weiter in der Heimat: "Sie reisen drei, vier Tage vor dem Spiel an und danach wieder heim." Wie Jankelowitz auch, er fliegt zurück nach Hause in Jerusalem.

Die Bayern fahren nach Belgrad, um zu gewinnen - was wohl angesichts der Klasse des Gegners schwierig wird

Israelische Profisportler seien hohe Schutzmaßnahmen gewohnt, erzählt der 35-Jährige, derzeit aber seien diese besonders umfangreich: Beim Euroleague-Gastspiel von Maccabi in Valencia etwa waren 700 Sicherheitskräfte im Einsatz. Profisportler in seiner Heimat seien außerdem vom Militärdienst befreit, sagt Jankelowitz, er kenne im Fußballer Menashe Zalka nur einen einzigen Profi, der freiwillig als Reservist im Krieg kämpft. Für die anderen Berufssportler sei es wichtig, während des Krieges ihr Land auf sportlichem Parkett zu vertreten, das hätten ihm viele immer wieder bestätigt. Auch wenn die Spiele aus Sicherheitsgründen ohne Zuschauer stattfinden, wie kürzlich die Champions-League-Partie von Hapoel Tel Aviv in Bonn.

Nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober traten die Basketballer von Maccabi Tel Aviv nur auswärts an, wie hier in Monaco. (Foto: Norbert Scanella/PanoramiC/Imago)

Oder nun das Spiel der Bayern in Belgrad, was im Übrigen für alle Heimspiele von Maccabi Tel Aviv in Belgrad gelte, wie Euroleague-Mediendirektor Diego Fernandez bestätigt. Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic habe beim Gastspiel vor einer Woche bei Roter Stern in Belgrad bereits mit serbischen Verantwortlichen gesprochen, er sehe keine Probleme auf seinen Verein zukommen. Zumal die Champions-League-Partie zwischen Jerusalem und Galatasaray Istanbul an selber Stelle kürzlich reibungslos über die Bühne gegangen sei.

So lange es "die Situation in Israel" erfordere, werden israelische Teams ihre Heimspiele in Belgrad austragen, sagt Fernandez. Zudem werde die Euroleague die Situation auch an anderen Spielorten beobachten - weshalb das Gastspiel von Maccabi am 16. November bei Fenerbahce Istanbul ebenfalls ohne Zuschauer stattfinden wird. "Alle Spiele israelischer Mannschaften in Euroleague und Eurocup gelten als hochriskant, weshalb besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Ein Vertreter der Euroleague Basketball wird vor Ort alles überwachen."

Bleibt die sportliche Komponente: "Wir fahren nach Belgrad, um zu gewinnen", sagt Pesic. Was angesichts der Klasse des Gegners schwierig werden könnte, denn Maccabi hat ein hochkarätiges Team und zählt zu den Favoriten auf die Playoffs. Allein die Guard-Riege um das Duo Lorenzo Brown und Wade Baldwin steht für die Qualität im Kader, der eingebürgerte und NBA-erfahrene Brown führte Spanien zum EM-Sieg. Baldwins Qualitäten sollten in München bekannt sein, er führte die Bayern vor zwei Jahren beinahe ins Euroleague-Halbfinale. Die Israelis stehen derzeit mit 3:2 Siegen auf dem siebten Tabellenplatz, der FC Bayern ist 14. mit 2:4 Siegen.

Und Maccabi ist trotz der schwierigen Rahmenbedingungen zuversichtlich, wie Pressechef Gladstone wissen lässt: "Wir können zwar nicht die Unterstützung unserer tollen Fans genießen, aber wir haben ein gutes Team und sind ein starker Verein."

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