Die Europäische Kommission nimmt nicht nur den spanischen, sondern auch den französischen Fußball wegen möglicher illegaler Beihilfen unter die Lupe. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung will die Wettbewerbskommission an diesem Mittwoch eine offizielle Prüfung einleiten, in der es um die Verwendung öffentlicher Mittel beim Neu- oder Umbau von Stadien aus Anlass der Fußball-EM 2016 geht.
Die Prüfung geht auf eine Art Selbstanzeige der französischen Regierung zurück. Sie hatte die EU-Kommission kontaktiert, nachdem Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia diverse niederländische Vereine ins Visier genommen hatte. Die französische Regierung will offenkundig absichern, dass sich die Verwaltung bei der Förderung an die Beihilfevorschriften der Europäischen Union gehalten hat.
Betroffen sind gut ein halbes Dutzend Vereine, darunter die Branchenführer Real Madrid und FC Barcelona, sowie Traditionsklubs wie Athletic Bilbao und der FC Valencia. Sie stehen in Verdacht, illegale Beihilfen erhalten zu haben - in Form von Steuervorteilen (FC Barcelona, Real Madrid, Valencia, Osasuna), undurchsichtigen Grundstücksgeschäften mit der Stadtverwaltung (Real Madrid), finanziellen Hilfen beim Stadionbau (Athletic Bilbao) sowie staatlichen Kreditgarantien in Höhe von 118 Millionen Euro (Valencia, Hércules de Alicante und Elche).
Sollten sich die Verdachtsmomente erhärten und die Kommission zu dem Schluss kommen, dass diese Klubs illegale Wettbewerbsvorteile genossen haben, dürften auf die Vereine millionenschwere Rückzahlungsforderungen zukommen.
Die Untersuchung, die Real, Barcelona, Athletic und Osasuna betrifft, sorgte am Dienstag auch für einen heftigen Disput zwischen Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia und der neuen EU-Bürgerbeauftragten Emily O'Reilly. Die Irin unterstellte dem Spanier Almunia, den Fall bewusst verschleppt zu haben. Almunia ist bekennender Anhänger und Vereinsmitglied von Athletic Bilbao. "Seit der Einreichung der Klage dauerte es vier Jahre, bis die EU-Kommission zur Tat geschritten ist", beklagte O'Reilly - deren Amtsvorgänger hatte sich schon vor Wochen schriftlich bei der Kommission beschwert. "Angesichts der engen Bindungen des Kommissars an einen der betroffenen Vereine entsteht für das europäische Publikum der Eindruck, dass da ein Interessenkonflikt besteht."
Almunias Sprecher Antoine Colombani wies die Attacke pikiert zurück: "EU-Kommissar Almunia hält den Vorwurf des Interessenkonflikts für absolut inakzeptabel." Außerdem hatte O'Reillys Amtsvorgänger Almunia in einem Schreiben Untätigkeit vorgeworfen. Er war von dem Beschwerdeführer, der namentlich nicht bekannt ist, kontaktiert worden, weil dieser nach seiner Klage in 2009 keine Antwort der Kommission erhielt - bis jetzt.
Die spanischen Klubs reagierten ihrerseits überrascht auf die Untersuchung. "Wir haben niemals öffentliche Hilfen erhalten", beteuerte der Sprecher des FC Barcelona, Toni Freixa . Bei Real Madrid hieß es, man blicke der Untersuchung gelassen entgegen, ebenso bei Athletic Bilbao. Der spanische Ligaverband LFP erklärte sich mit allen Klubs solidarisch.
Die konservative Regierung, die in Spanien unter anderem wegen ihres Sparkurses unter Druck steht, versucht derweil, die Angelegenheit politisch zu ihren Gunsten auszuschlachten - wohl wissend, dass Verwaltungsprobleme von Fußballvereinen in nicht allzu ferner Vergangenheit in Spanien zu Massendemonstrationen geführt haben. Außenminister José Manuel García Margallo sagte voll patriotischem Pathos, dass die Regierung "alles tun werde, um die spanischen Klubs zu verteidigen, denn auch sie sind Teil der Marke Spanien". Auch Sportstaatssekretär Miguel Cardenal attackierte Almunia. Er bereite dem spanischen Fußball enormen Imageschaden.
Nach Angaben der spanischen Zeitung El Mundo streuen EU-Diplomaten in Brüssel, dass das Verfahren auf Klagen deutscher Klubs zurückgeht. Gestützt wurde dies mit älteren Aussagen von FC Bayern-Präsident Uli Hoeneß über die millionenschweren Steuerrückstände der spanischen Klubs - an deren Steuerverfahren genüsslich erinnert wurde. Nach SZ-Informationen gab es aber keine Beschwerden von Klubs - weder von deutschen oder anderen europäischen Vereinen, was ungewöhnlich ist. Bei üblichen Beihilfe- oder Kartellverfahren stammen Hinweise oft von Marktkonkurrenten, die sich benachteiligt fühlen - doch noch nie hat sich ein Fußballklub offiziell an Brüssel gewandt.
In Spanien selbst hat es in der Vergangenheit nur schüchterne Versuche gegeben, gegen Wettbewerbsvorteile der großen Klubs vorzugehen - unter anderem wegen der Verteilung der TV-Gelder. Das Verfahren der Kommission ruft nun die Interessenvereinigung der Fußball-Aktionäre (FASFE) auf den Plan. Man werde prüfen, ob man der Kommission Informationen zur Verfügung stellt - und womöglich selbst Beschwerde einreicht. Bisher habe man von Klagen in Brüssel abgesehen, weil man "förmlich gezwungen gewesen wäre, das Vaterland zu verklagen", sagte FASFE-Generalsekretär José Luis Sánchez zur SZ. "Aber es gibt in Spanien Fälle, die noch viel mehr zum Himmel schreien als das, was jetzt untersucht wird."