Eishockey:Forsche Töne - und ein leises Echo

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Genug Qualität für zwei Teams: Colin Ugbekilé, Maximilian Kammerer, Tobias Eder, Maximilian Eisenmenger und Josh Samanski (v.l.) beim 4:1-Sieg zum Auftakt des Deutschland Cups gegen Dänemark. (Foto: Christian Kolbert/dpa)

WM-Zweiter, steigende Popularität, große Spielerauswahl: Das deutsche Eishockey hat einen Lauf. Kurz vor dem Deutschland Cup klingelt aber auch die Vergangenheit beim Verband.

Von Johannes Schnitzler, Landshut

Für den Wettlauf zweier Männer im gesetzten Silberalter würde das Internationale Olympische Komitee vermutlich nicht sein Hauptabendprogramm umkrempeln. Aber spannend ist dieses Rennen schon, das sich Harold Kreis und Gordon Herbert gerade liefern, beide 64 Jahre alt und in Kanada geboren. Es geht um das Interesse des deutschen Sportpublikums und darum, in die Lücke zu stoßen, die der schwächelnde Fußballstandort Deutschland derzeit offenbart.

Kreis, seit März Eishockey-Bundestrainer, legte einen Raketenstart hin, zog im Mai mit der Nationalmannschaft ins Finale der Weltmeisterschaft ein und holte die erste WM-Medaille seit 70 Jahren.

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Eigentlich unglaublich: Die deutsche Eishockeynationalmannschaft gewinnt die erste WM-Medaille seit 1953 - und ärgert sich danach über den verpassten Titel. Über ein Team, das von sich selbst noch viel erwartet.

Von Johannes Schnitzler

Dann drehte Herbert, der 26 Tage Jüngere, im zweiten Streckenabschnitt auf. Nach EM-Bronze im vergangenen Jahr triumphierten die deutschen Basketballer unter ihm im September erstmals bei einer WM. Es gehe darum, "Medaillen zu gewinnen", hatte Herbert bei seinem Amtsantritt gesagt, "egal bei welchem Turnier". Es sind Aussagen wie diese und ähnliche von Eishockey-Bundestrainer Kreis und seinen Vorgängern Marco Sturm und Toni Söderholm, die vom neuen Selbstbewusstsein der deutschen Randsportler künden. Aussagen, an die sich viele noch gewöhnen müssen in Fußballdeutschland.

Beim Deutschland Cup in Landshut arbeitet Kreis in diesen Tagen weiter an der Steigerung von Prominenz und Sympathiewerten. Stammkräfte wie Marcel Noebels (Berlin), Mathias Niederberger (München) und Kapitän Moritz Müller (Köln) werden geschont, kein Klub aus der Deutschen Eishockey Liga musste mehr als drei Profis abstellen, und jene von den Champions-League-Teilnehmern Mannheim, Ingolstadt und München, die kommende Woche im Achtelfinale antreten, werden nicht mehr als zwei Einsätze absolvieren.

Kreis sagt, er hätte fast zwei Mannschaften nominieren können

Der Kader, den Kreis in Landshut versammelt hat, wirkt so, als wollte der Bundestrainer endlich die Nummern 48 bis 63 auf seiner Longlist persönlich kennenlernen; man kommt ja zu nichts mehr zwischen Preisverleihungen und Einladungen als Stargast zum deutschen Tourenwagen-Finale. "Das ist doch ein gutes Zeichen", sagt Kreis. "Wir haben jetzt ein Reservoir von Spielern, die gut mitspielen können und gerne zur Nationalmannschaft kommen." Noch vor wenigen Jahren hätten selbst wohlwollende Bundestrainer maximal 30 Namen auf ihre Liste geschrieben. Kreis sagte, er hätte fast zwei Mannschaften à 25 Mann nominieren können.

Beim 4:1-Auftakt am Donnerstag gegen Dänemark waren unter den Torschützen Maximilian Eisenmenger und Colin Ugbekilé - Namen, die man sich womöglich merken muss, wenn man im kommenden Mai einen Kader für die nächste WM zu nominieren hat. Das Publikum in der Fanatec Arena freute sich besonders über den Treffer des gebürtigen Landshuters Alexander Ehl.

Männer- und Frauen-WM 2027 in Deutschland?

Auch das Frauen-Nationalteam, das in Landshut erstmals parallel zu den Männern ein eigenes Turnier austrägt, bekommt vom Aufschwung etwas ab. Den 1:0-Auftakstsieg am Mittwoch, ebenfalls gegen Dänemark, sahen mehr als 1000 Zuschauerinnen und Zuschauer, am Freitag gegen Finnland (das den Deutschen beim 1:8 keine Chance ließ) wurden zuvor doppelt so viele Tickets verkauft. "Wir sind das gar nicht gewohnt, so viele Leute", sagte Nationalspielerin Emily Nix; in der Bundesliga sind die Zahlen oft zweistellig. Auch Torhüterin Sandra Abstreiter staunte: "Es war sehr laut. Und sehr cool." Die 25-Jährige, nur 40 Kilometer von Landshut in Freising geboren und in Erding ausgebildet, wird demnächst regelmäßig in vollen Hallen spielen dürfen: Als einzige Deutsche wird sie dabei sein, wenn im Januar die nordamerikanische Professional Women's Hockey League den Spielbetrieb aufnimmt.

Beim Deutschen Eishockey-Bund (DEB) gibt es bereits Pläne, das Modell Landshut auf die höchste Ebene zu übertragen. Der Finaltag der Frauen-WM könnte mit dem Turnierauftakt der Männer zusammenfallen - falls Deutschland nach der Männer-WM 2027 auch den Zuschlag für das Frauen-Turnier erhält. Die Gespräche mit dem Weltverband IIHF laufen. Präsident Luc Tardif und die Council-Mitglieder Henrik Bach Nielsen (Dänemark) und Petr Briza (Tschechien) sind in Landshut, und sie sind, so ist es mit aller Vorsicht aus der DEB-Spitze zu erfahren, von der Idee angetan.

Das deutsche Eishockey hat ganz offensichtlich einen Lauf. Das WM-Silber der Männer habe geholfen, neue Sponsoren zu gewinnen, sagt Generalsekretär Claus Gröbner, der die erfolgreiche WM-Bewerbung für 2027 maßgeblich verantwortet hat. "Wir haben etwas auf dem Konto", bestätigt DEB-Präsident Peter Merten, und zwar "Millionen - aber nicht viele". Der DEB und seine Parteigänger könnten also den Augenblick genießen, dem internationalen Ansehen beim Wachsen zuschauen und sich auf die nähere Zukunft freuen. Wenn sich nicht vor zwei Wochen die Vergangenheit gemeldet hätte.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch immer gegen den einstigen Verbandschef Franz Reindl

Am 26. Oktober klingelte die Staatsanwaltschaft München mit einem Dursuchungsbeschluss bei der Verbandszentrale in München. Auch bei Vermarkter Infront und beim ehemaligen DEB-Präsidenten Franz Reindl in Garmisch-Partenkirchen standen die Ermittler vor der Tür. Laut Staatsanwaltschaft besteht gegen Reindl der Anfangsverdacht der Untreue. Es gehe um mögliche Interessenkonflikte aus Reindls Zeit als ehrenamtlicher Präsident des Verbands sowie als bezahlter Geschäftsführer der DEB GmbH, die sich um frühere WM-Bewerbungen und die Vermarktung der Nationalmannschaft kümmerte. Reindl sei in diesem Verfahren der einzige Beschuldigte.

Reindl selbst, der auf SZ-Anfrage nichts mehr dazu sagen will, hatte alle Vorwürfe stets bestritten und bereits 2021 bei der Kölner Kanzlei Verte ein Gutachten in Auftrag geben lassen. In deren 221 Seiten starkem Abschlussbericht heißt es, der heute bald 69-Jährige habe sich nichts Strafwürdiges zuschulden kommen lassen. Reindls verbandsinterne Kritiker, aus deren Reihen die Anzeige gegen ihn erstattet worden war, zweifelten die Unabhängigkeit dieses Gutachtens stark an. Seit Anfang 2022 ermittelt die Staatsanwaltschaft München I. Nach wie vor, heißt es von dort, gelte die Unschuldsvermutung. Nach seiner gescheiterten Kandidatur um das Amt des IIHF-Präsidenten und unter dem Eindruck der gegen ihn erhobenen Vorwürfe hatte Reindl sich im Mai 2022 von der DEB-Spitze verabschiedet. Aus dem aktuellen Führungszirkel heißt es dazu nur, dies sei "ein altes Thema".

Der Popularität der Nationalmannschaft können die Ermittlungen offenbar nichts anhaben. Im Oktober erhielten Harold Kreis und sein Team erstmals den größten deutschen Publikumspreis, die "Goldene Henne", aus den Händen von Bob-Olympiasiegerin Mariama Jamanka. Im Dezember, wenn das ZDF wieder die "Sportler des Jahres" ehrt, wird in der Kategorie "Mannschaft des Jahres" aber wohl kein Weg an den Basketball-Weltmeistern vorbei führen, das weiß auch Kreis. Für die "Henne" kam ihr WM-Gold zu spät, die Abstimmung war bereits geschlossen.

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