Champions League:Éderson hält den Triumph fest

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Zum ersten Mal Champions-League-Sieger: Manchester City. (Foto: Molly Darlington/Reuters)

In einem Finale, das lange einem Psychokrieg gleicht, holt Manchester City den Titel gegen Inter Mailand und macht sich damit zum Triple-Sieger. Die Engländer verkraften einen Schock - und müssen am Ende noch ganz schön zittern.

Aus dem Stadion von Javier Cáceres, Istanbul

An einem magischen Ort namens Istanbul hat Manchester City den ersten Champions-League-Titel seiner Vereinsgeschichte errungen. Und seinen katalanischen Trainer Pep Guardiola vom Stigma befreit, nur dann nach der wichtigsten Trophäe des Klubfußballs greifen zu können, wenn Lionel Messi in seiner Mannschaft spielt. In einer Partie, die lange Zeit einem Psychokrieg glich, besiegte Manchester City den italienischen Pokalsieger Inter Mailand durch ein Tor seines spanischen Sechsers Rodri (68. Minute) mit 1:0.

Mailand ist nun nicht mehr die einzige Stadt Europas, die zwei Königsklassen-Sieger beherbergt (Inter und AC Milan), denn vor City hatte auch schon Manchester United den Henkelpott gewonnen. Und United ist nun nicht mehr die einzige Mannschaft Manchesters, die ein Triple gewonnen hat. Denn Manchester City reiste als Pokalsieger und englischer Meister an den Bosporus. "Wie im Märchen, besser geht es nicht. Es ist ein großes Privileg, nicht nur Kapitän dieser Mannschaft zu sein, sondern Mitglied dieser Mannschaft zu sein, unter Pep zu spielen, Teil dieses tollen Vereins zu sein", sagte der deutsche Nationalspieler Ilkay Gündogan. "Wir waren einfach fällig heute."

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Von Sven Haist

Es war bei Weitem kein so verrücktes Finale wie das legendäre Endspiel von 2005, als Liverpool den AC Milan besiegte. Aufreibend war es allemal. Und das entsprach den nahezu düsteren Andeutungen von City-Trainer Pep Guardiola des Vorabends. Er hatte erklärt, dass man die Italiener beim Anpfiff auf der Autostrada des Sieges wähnen müsse. Am Ende weinten alle Beteiligten: die Engländer vor Glück, die Italiener vor Trauer um eine unwiederbringliche Chance.

Die Nervosität von Citys Torwart Édersons wirkt infektiös und aufkratzend

Italienische Mannschaften hätten es an sich, dass sie beim Stand von 0:0 überzeugt seien, in Führung zu liegen, wohingegen Teams anderer Länder meinten, in Rückstand zu sein, lautete die Reflektion Guardiolas. Geduld sei gefragt, betonte er. Daraus sprach mindestens Respekt. Womöglich Angst. Was ein Eindruck war, der sich verstärkte, wenn man die Aufstellung sah. Guardiola verzichtete - etwas notgedrungen - auf Außenverteidiger Kyle Walker, dem zu Beginn der Woche der Rücken zwickte. Und es gab eine kleine Guardiolada, eine vergleichsweise kleine Exzentrik: John Stones war diesmal kein Hybrid aus Innenverteidiger und Sechser, sondern changierte zwischen einer Rolle als verkappter Rechtsverteidiger und defensiver Mittelfeldmann.

Die erste offensive Szene des Spiels gehörte Manchester: Bernardo Silva kurvte durch den Strafraum Inters und versuchte sich mit einem Schlenzer vom rechten Eck des Fünfmeterraums. Doch der Ball strich knapp am linken Winkel vorbei. Danach begannen sich die negativen Schwingungen für City zu multiplizieren. Zum einen, weil Inter einen Stau verursachte, der dem Finalort Istanbul alle Ehre machte. Mit einem großen Unterschied zum Verkehrschaos in der türkischen Hauptstadt: Dem Stau Inters wohnte eine Idee inne, Citys Angriffsmaschinerie zu stoppen. Und zum anderen, weil Citys brasilianischer Torwart Éderson anfing, sehr verrückte Sachen zu machen.

Siegtorschütze und Erfolgstrainer: Auch dank Rodri (links) hat Pep Guardiola zum dritten Mal die Champions League gewonnen. (Foto: Paul Ellis/AFP)

Hier jagte er einen Ball unbedrängt ins Aus, da spielte er ihn einem Inter-Spieler in die Füße, der aber den Schuss aufs leere Tor verfehlte, dann wieder ging er bei einer Bogenlampe an der Grundlinie nicht hin, sodass Lautaro Martínez den Ball fast noch scharf gemacht hätte. Das Dumme an der Nervosität Édersons aus City-Sicht: Sie wirkte infektiös. Aufkratzend. Und so hatte City zwar Ballbesitz (61 Prozent zur Halbzeit), aber nicht wirklich die Kontrolle über das Spiel. Es drängte sich der Eindruck auf, dass die Partie gemäß den Vorstellungen von Inter-Trainer Simone Inzaghi verlief, trotz zweier Chancen von Erling Haaland (27.) und Kevin De Bruyne (29.), die Torwart Onana vereitelte.

Der ultimative Schock für City ereignete sich, als 35 Minuten gespielt waren: De Bryune musste mit einer muskulären Verletzung vom Platz; wie schon im Finale von 2021 konnte er ein Champions-League-Endspiel nicht beenden, damals hatte ihm Chelseas deutscher Verteidiger Antonio Rüdiger Frakturen im Gesicht zugefügt. Für De Bruyne kam Phil Foden, kein so schlechter Spieler. Aber die ganze Episode war eine Einladung, Guardiola zu paraphrasieren: Inter wähnte sich nun erst recht mit 0:0 in Führung.

Am Ende haben die Italiener noch eine gigantische Chance

Guardiola spürte das und agitierte, um die eigenen Anhänger anzustacheln: Sie waren um einige Dezibel leiser als die Fans von Inter, das wegen des zu Mannheim geborenen Inter-Türken Hakan Calhanoglu auch auf die Unterstützung der lokalen Fans zählen konnte. Erst recht in der 57. Minute, als Inters argentinischer Weltmeister Lautaro Martínez allein vor Éderson auftauchte - und aus spitzem Winkel am City-Torwart scheiterte. Zuvor hatten sich der Schweizer Manuel Akanji und Éderson klassisch missverstanden. Guardiola hatte den Ball schon drin gesehen: Er kniete aus Verzweiflung in seiner Mixed Zone nieder (58.). Doch als das Spiel sich seines Charakters einer Nervenschlacht entledigte, war er wieder auf den Beinen. Erst recht, als die Führung Citys fiel.

Das geschah zehn Minuten später: Akanji entdeckte das erste Loch in der Abwehr Inters und steckte den Ball in den Strafraum durch auf Bernardo Silva, der Richtung Grundlinie zog und im Rückraum sah, wie Citys Sechser Rodri alleine angerauscht kam. Der Portugiese spielte dem Spanier den Ball in den Lauf - und diese iberische Kooperation war für Inter fatal: Rodri setzte den Ball mit dem Innenrist neben den rechten Pfosten ins Netz.

Es vergingen keine 120 Sekunden, ehe Inter den Engländern Angst einflößte. Eine Bogenlampe in den Strafraum landete auf dem Kopf von Federico Dimarco, der aus sieben Metern ebenfalls zum Lob ansetzte - und den Ball auf die Querlatte setzte. Den Abpraller erwischte er wieder mit dem Kopf. Doch er traf seinen Mitspieler Romelu Lukaku, der in der 57. Minute für den muskelverletzten Bundesliga-Altstar Edin Dzeko eingewechselt worden war.

Die Uhr tickte fortan gegen die Italiener - und für City. Die Italiener hatten noch eine gigantische Chance: Nach einer Kopfballvorlage des eingewechselten deutschen Linksverteidigers Robin Gosens kam Lukaku zum Kopfball - aus fünf Metern, allein. Doch Éderson war da, mit einem Reflex, den er niemals wird erklären können. Auch nicht seine Parade aus der Schlussminute der Nachspielzeit, als er einen Kopfball auf der Linie abwehrte. Er hielt am Ende den Triumph Citys fest, der die umwälzende Kraft des Pep-Fußballs der vergangenen Jahre krönte, einen Stachel aus dem Fleisch des Katalanen zog. Guardiola holte nach 2009 und 2011 seinen dritten Champions-League-Sieg als Trainer - und den ersten mit einer Mannschaft, die nicht FC Barcelona heißt.

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