1:1 gegen Leverkusen:Unterhaltungsfaktor Bayern-Abwehr

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Seit Wochen klar der formstärkste Bayern-Verteidiger: Niklas Süle. (Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Wiedermal ist die Bayern-Defensive das Thema des Spiels: Die Münchner haben Glück, dass Leverkusen seine Chancen nicht nutzt. Und ausgerechnet Niklas Süle, der im Sommer zum BVB geht, ist gerade der beste Verteidiger.

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Julian Nagelsmann ist der Auffassung, Fußball sei Teil der Unterhaltungsbranche. Das erwähnt er manchmal, um seine Vorliebe für einen offensiven Stil zu erklären. Unterhaltung, Ablenkung, Zerstreuung, diese Rolle kommt dem Fußball, jedenfalls für manchen Fan, in diesen Tagen des Krieges in Europa zu. Obwohl es eigentlich nicht die Zeit für Unterhaltung sei, wie der Trainer des FC Bayern unter der Woche sagte.

Es ging am Samstag wie in der Vorwoche auch um die Zeichen, die der Sport setzen kann: Eckfahnen, Kapitänsbinden und Aufwärmjacken in den Landesfarben der Ukraine, eine Schweigeminute vor dem Anpfiff, das war die Symbolik, die das Spiel des FC Bayern gegen Bayer Leverkusen umrahmte. Der Unterhaltungsfaktor der Partie war allerdings eher nicht nach Nagelsmanns Geschmack. Denn in den spannendsten Phasen galt die Aufmerksamkeit der 25 000 Zuschauer mal wieder der Münchner Defensive.

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Ein 1:1 (1:1) nach einem Treffer von Niklas Süle (18.) und einem Eigentor von Thomas Müller (36.), dieses Ergebnis zwischen Tabellenerstem und Tabellendrittem dürfte den Lauf dieser Bundesligasaison eher nicht entscheidend verändern. Doch für die Form des Rekordmeisters vor dem Champions-League-Rückspiel gegen Salzburg am Dienstag bedeutet das 1:1, dass man weiterhin nicht vom Optimalzustand sprechen kann. Eine "sehr gute halbe Stunde" habe seine Mannschaft gespielt, sagte Nagelsmann. "Dann bekommen wir das Tor, das vermeidbar war." Und "die zehn Minuten danach haben wir Glück". Ein Rückstand wäre verdient gewesen.

In der 36. Minute grätschte Müller in eine Leverkusener Freistoßflanke, die Kommunikation mit Torwart Sven Ulreich stimmte wohl nicht. "Einen Tick zu leise", sagte Nagelsmann. Heraus kam jedenfalls das erste Eigentor in der Karriere Müllers, dem Kapitän am Samstag, der erstmals nach einer zweiwöchigen Corona-Pause wieder spielte.

Erinnerungen werden wach an das an das 0:5 in Gladbach oder das 2:4 in Bochum

Doch das war erst der Beginn einer Phase, wie man sie selten sieht in der Münchner Arena, wie sie aber in dieser Saison des FC Bayern schon mehrmals vorgekommen ist. Es habe ihn an das 0:5 in Gladbach oder das 2:4 in Bochum erinnert, sagte Nagelsmann. Anstatt den Ball auch mal simpel nach vorn zu spielen, unterliefen den Münchnern Fehler bei Rück- oder Querpässen. Sie wirkten fast etwas panisch. "Das sind Punkte, an denen wir arbeiten", sagte Nagelsmann. Doch: "Eine Erklärung, warum das passiert, habe ich nicht."

Erstes Eigentor in 615 Pflichtspielen: Thomas Müller lenkte den Ball wieder mal artistisch ins Tor - nur eben ins falsche. (Foto: Imago/ActionPictures)

Zunächst spielte Leverkusen einen Konter schlecht aus, Amine Adli entschied sich für den falschen Pass, es hätte eine Großchance werden können. Die gab es dann kurz darauf, weil Dayot Upamecano einen vor Leichtsinn strotzenden Rückpass spielte, den Adli erlief, um Ulreich dribbelte - und in der 42. Minute den Außenpfosten traf. In der 44. Minute war Adli wieder allein vor Ulreich, er schoss daneben. In der 45. Minute vergab Charles Aranguiz aus bester Position.

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Die Abwehr der Bayern ist seit geraumer Zeit das Thema im Verein, es geht um Taktik, Transfers und ungewöhnlich viele Gegentore für die Mannschaft mit der besten Defensive der Bundesliga. Dass diese Erzählung auch am Samstag weitergehen könnte, das war schon an der Aufstellung zu sehen, die gezwungenermaßen mal wieder eine neue war: eine Viererkette aus Omar Richards, Upamecano, Süle und Benjamin Pavard. Lucas Hernández fehlte gelb-gesperrt.

Weil die Aufstellung gegen Leverkusen aber spätestens zur Hälfte nicht mehr die richtige war, machte Nagelsmann etwas, das er in den vergangenen Wochen schon oft getan hatte: Er stellte um. In der zweiten Halbzeit bildeten Upamecano, Süle und Pavard eine Dreierkette. Großchancen ergaben sich für Leverkusen nicht mehr regelmäßig, nur noch eine: Ulreich parierte in der 87. Minute gegen Jeremie Frimpong. Die Torgefahr auf der anderen Seite hielt sich aber auch in Grenzen. Und so blieb es beim einzigen Münchner Tor des Tages, das passend zum Thema ja auch ein Verteidiger erzielt hatte.

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Niklas Süle, 26, wechselt bekanntlich im Sommer ablösefrei zu Borussia Dortmund. Mit der Bekanntgabe dieses Transfers Anfang Februar haben die Debatten über die Bayern-Abwehr eigentlich erst so richtig begonnen. Und wie zum Beleg ist der Nationalspieler seitdem der auffällig beste Verteidiger im Team; besser als der für 80 Millionen Euro verpflichtete Hernández und besser als der für 42 Millionen Euro verpflichtete Upamecano, der seit Wochen seine Form nicht findet.

Am Samstag genoss Süle sichtlich den Jubel der Zuschauer und seiner Kollegen, nachdem er den Ball aus dem Getümmel nach einem Eckstoß ins Tor gedroschen hatte. Anders als Upamecano unterlief ihm kein krasser Fehler. Und in der Dreierkette der zweiten Hälfte war er unverkennbar der Chef.

Er gebe "alles dafür, dass Dortmund dieses Jahr Zweiter wird", sagte er dann im Sky-Interview, wobei wohl selbst in Dortmund niemand mehr erwartet, noch Erster zu werden. Er sei dem FC Bayern dankbar, sagte Süle, was deshalb erwähnenswert ist, weil ihm große Dankbarkeit auf der Führungsebene des Klubs angeblich nicht jeder entgegenbrachte. Und er sagte, dass er sich gerne mit zwei Titeln verabschieden würde. Das war dann schon etwas mehr eine Ansage.

Denn damit es mit dem zweiten Titel, jenem in der Champions League, für die Bayern etwas wird, müssen die Münchner Abwehrspieler wohl demnächst in Form kommen. Also auch die anderen, außer Süle.

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