Australian-Open-Gewinnerin Sabalenka:Dominatorin mit zwei Gesichtern

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Fotoshooting im Park: Aryna Sabalenka posiert mit dem Daphne Akhurst Memorial Cup. (Foto: Andy Wong/AP)

Aryna Sabalenka verteidigt fast mühelos ihren Titel in Melbourne. Die 25-jährige Belarussin hat gelernt, dass die Spielerin auf dem Platz nichts mit ihr als Privatperson gemein haben muss.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Am Samstagabend gegen 23 Uhr war Aryna Sabalenka aus Minsk wieder ganz ihr übersprudelndes Selbst: Sie trug die langen Haare offen, hatte ein Glas Champagner zu ihrer rechten Seite auf dem Tisch stehen, den riesigen Henkelpott, den Daphne Akhurst Memorial Cup, links neben sich und prostete auf der Pressekonferenz in Melbourne den Journalisten zu. Dies war jene Aryna Sabalenka, die manchmal zur Abwechslung mit bunten Luftballons trainiert. Die Aryna Sabalenka, die mit schallendem Gelächter die Glatze ihres Fitnesstrainers mit Filzstift signiert. Die versucht, das Leben so leicht und locker wie möglich zu halten, denn "auf dem Platz", so sagte sie, "ist der Druck hoch genug".

Die andere Aryna Sabalenka hatte eine Stunde zuvor in der Rod Laver Arena zum zweiten Mal die Australian Open gewonnen. Sie hatte im Finale grimmig und humorlos die Chinesin Qinwen Zheng 6:3, 6:2 geschlagen.

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Diese Profispielerin Sabalenka mit den straff hochgebundenen Haaren ist kein besonders geselliger Mensch, im Gegenteil, ihr Auftritt ist auf Abschreckung angelegt - das findet die private Aryna Sabalenka sogar selbst. "Wenn ich abseits des Tennisplatzes dieselbe wäre wie auf dem Court, dann hätte ich mein Team nicht um mich herum", sagte sie: "Dann wäre ich ziemlich einsam." Insofern sei es von Vorteil, "zwei Persönlichkeiten" in sich zu vereinen.

Auch Rafael Nadal macht, sobald er rote Sandplätze betritt, eine Transformation durch

Es ist kein unbekanntes Phänomen. Viele Menschen benehmen sich im beruflichen Alltag, in Anzug und Krawatte oder im Bleistiftrock, anders, als wenn sie abends im Kreise der Familie die Spaghetti servieren. Auch Sabalenkas derzeit verletzter Tenniskollege Rafael Nadal macht, sobald er rote Sandplätze betritt, eine Transformation vom äußerst höflichen, umgängliche Zeitgenossen zu einer Art Matador mit Stierkampfinstinkten durch. Sabalenka hat sich diese Wandlung antrainieren müssen.

Früher, so hat die 25-Jährige einmal erzählt, habe sie sich oft gewundert, wenn bei Turnieren wildfremde Menschen auf sie zukamen und um Autogramme baten, "ich war doch nur eine ganz normale Tennisspielerin". Jetzt ist sie ein Grand-Slam-Champion, ein zweimaliger sogar, und sich der beruflichen Ausnahmestellung bewusst. "Es hat gedauert, bis ich zu derjenigen wurde, die jetzt auf dem Platz steht, bis ich diese Kontrolle über mich hatte und selbst besser verstanden habe", sagte sie am Samstagabend. Und nippte, sehr kontrolliert, am Champagnerglas.

Abschreckendes Auftreten, harte Vorhand: Aryna Sabalenka im Finale der Australian Open. (Foto: Phil Walter/Getty Images)

Der furiose Spielstil der Weltranglistenzweiten ist schon lange berüchtigt. Sie hat das Powertennis, einst eine Serena-Williams-Spezialität, wiederbelebt, und drischt die Bälle mit maximaler Kraft übers Netz, jeder Schlag durch eine furchterregende kehlige Klangentwicklung unterlegt. Im Finale der Australian Open hielt ihre Gegnerin, die 21-jährige Qinwen Zheng, tapfer dagegen. Zheng, die in der kommenden Woche erstmals zu den besten zehn Spielerinnen der Tennisweltrangliste aufrückt, schlug sechs Asse, 19 direkte Gewinnschläge und war trotzdem am Ende hoffnungslos unterlegen.

"Ich wollte nie eine Spielerin sein, die nur einen großen Titel gewinnt"

Sabalenka ist nun die Erste, deren Name zweimal nacheinander in den Pokal graviert wurde, seit Wiktoria Asarenka, ebenfalls Belarussin, 2012 und 2013 gewann. Mit der Trophäe im Arm dankte sie ihrer Familie und ihrem Trainer Anton Dubrov, der früher ihr Sparringspartner war, und Jason Stacy, ihrem Fitnesscoach. Denn dem Duo Dubrov/Stacy ist es nicht nur gelungen, Sabalenkas Aufschlagzittern zu kurieren, das sie vor dem ersten Australian-Open-Sieg sporadisch befallen hatte. Das Team hat ihr auch geholfen, das Selbstbewusstsein eines Champions - ihrer zweiten Persönlichkeit - zu verinnerlichen.

Der Australier Jason Stacy hat die Mission, klipp und klar, so umschrieben: "Ihre Aufgabe auf dem Platz ist es, das Muster vorzugeben, den Rhythmus zu bestimmen und klarzumachen, dass sie antritt, um zu gewinnen, egal was passiert. Sie soll sich nicht mit dem Gestern oder Vorgestern beschäftigen müssen."

Größter Erfolg ihrer Karriere: Die Chinesin Qinwen Zheng erreichte erstmals das Finale bei einem Grand-Slam-Turnier. (Foto: Lillian Suwanrumpha/AFP)

Mit dieser Haltung rauschte sie wie ein Tornado durch das Turnier. In der dritten Runde fegte sie in 52 Minuten 6:0, 6:0 über die bedauernswerte Ukrainerin Lessja Tsurenko hinweg. Die politische Brisanz dieser Begegnung einer Belarussin und einer Ukrainerin hat sie erfolgreich ignoriert - so wie sie inzwischen auch mit robuster Professionalität kommentarlos über den Umstand hinweggeht, dass ukrainische Spielerinnen ihr den Handschlag am Netz verweigern, solange der russische Angriffskrieg auf das Nachbarland anhält. Es handle sich nur um ein Tennisspiel, pflegt sie in diesen Situationen zu sagen.

Sie hat sich von nichts und niemandem beirren lassen und in sieben Matches keinen Satz abgegeben. Auch nicht im Halbfinale gegen Coco Gauff aus den USA, gegen die sie im Finale der US Open 2023 noch verloren hatte.

Und damit soll nicht Schluss sein. "Ich wollte nie eine Spielerin sein, die nur einen großen Titel gewinnt und dann wieder verschwindet. Ich will zeigen, dass ich konstant sein kann", sagte Aryna Sabalenka. Sie hoffe, noch mehr große Pokale zu gewinnen. Es ist ein Ziel, auf das sich wohl beide Sabalenkas, die private und die berufliche, einigen können.

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