Skitouren auf Pisten:Zahlen, bitte!

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Vielen Tourengehern geht es vor allem um Bewegung und Fitness, sie wollen vor oder nach Feierabend noch schnell über eine Piste aufsteigen und sich keine Gedanken über Lawinen machen müssen. (Foto: Harald Wisthaler/Dynafit)

In die wieder geöffneten Skigebiete strömen auch immer mehr Tourengeher, die über die Pisten aufsteigen. Das führt mancherorts zu Konflikten, anderswo zu innovativen Angeboten.

Von Hans Gasser

Aus der Sicht der Skitourengeher herrschten im Lockdown-Winter 2020/21 paradiesische Zustände. Die deutschen Skigebiete durften nicht öffnen, die breiten Pisten gehörten jenen, die mit Klebefellen auf den Skiern aus eigener Kraft aufstiegen. In Garmisch oder am Sudelfeld waren die Parkplätze so voll, als würden die Lifte laufen. Natürlich waren da auch Rodler und Winterwanderer, aber man sah sehr viele Tourengeher, teils noch etwas ungeschickt, weil sie sich die Ausrüstung gerade erst gekauft hatten, sogar Kinder mit aufsteckbarem Skitourenadapter kämpften sich die Pisten hoch.

"Das hat dem ohnehin starken Trend des Skitourengehens noch einmal einen Schub gegeben", sagt Manfred Scheuermann, beim Deutschen Alpenverein (DAV) zuständig für das Skibergsteigen. Nach Umfragen unter seinen Mitgliedern ging der DAV vor der Corona-Krise von etwa 500 000 Skitourengehern in Deutschland aus. "Da sind jetzt aber sicher viele dazu gekommen seit Beginn der Pandemie", sagt Scheuermann, "und sehr viele gehen nicht ins freie Gelände, steigen auf den Pisten auf." So geht der Hersteller Dynafit davon aus, dass 50 Prozent von jenen, die sich eine Skitourenausrüstung kaufen, nur in Skigebieten unterwegs sind.

Das Hauptproblem sind die Parkplätze: Stehen zu viele Tourengeher da, ist für die zahlenden Alpinfahrer kein Platz mehr

Und hier beginnt das Problem. Zumindest für die deutschen Skigebiete, die ja nun wieder öffnen dürfen und gerne möglichst viele Lifttickets verkaufen würden. In Deutschland sind die Pisten, anders als in Österreich oder Italien, gemäß Rechtsprechung ein für jeden frei zugänglicher Naturraum. Man darf die Tourengeher also nicht aussperren, hadert aber vielerorts trotzdem mit ihnen: Nicht so sehr, weil sie die Piste zum Aufsteigen benutzen; da gibt es immer öfter beschilderte Aufstiegsspuren am Pistenrand. "Das Hauptproblem sind die begrenzten Parkplätze", sagt Harald Gmeiner, Vorstand des Tourismusverbandes Tegernsee-Schliersee. So gebe es etwa am Sudelfeld 2200 Parkplätze, an sogenannten "Peak-Tagen", also an schönen Wochenenden oder in den Ferien könnte das Skigebiet zwischen 8000 und 10 000 Skifahrer aufnehmen. Vor der Pandemie habe man aber an solchen Tagen maximal 6700 Tickets verkauft, so Gmeiner. Der Grund seien die vielen Tourengeher, die bereits früher kommen, sodass der Parkplatz um 10 Uhr schon voll ist und potenzielle Skifahrer in andere Gebiete weiterfahren würden.

Ski und Rodel gut: Dafür müssen Schneekanonen zum Einsatz kommen. Das begrüßen nicht alle Winterurlauber. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Dabei hat Gmeiner per se nichts gegen die Tourengeher. "Der Skifahrer wird hybrider, Ski Alpin und Tourengehen werden weiter verschmelzen." Da aber der Betrieb eines Skigebietes mit Liften, Beschneiung, Pistenpräparierung sehr kostenintensiv sei, müsse das Geld dafür auch irgendwo herkommen. Anders als in Österreich, wo immer mehr Skigebiete sieben, zehn oder sogar 14 Euro für die Benutzung der Aufstiegsspuren auf den Pisten verlangen, müssen sich die bayerischen Betreiber mit Parkplatzgebühren behelfen. So ist es auch am Sudelfeld, wo ab diesem Winter von Pistenfahrern wie von Skitourengehern fünf Euro Parkgebühr verlangt werden. Dort bietet man aber auch einen "Tourengeher-Skipass" an, in dem 30 Stunden Bahnbenutzung und die Parkplatzgebühr für den ganzen Winter inkludiert ist - Stichwort: hybrider Skitourengeher.

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Der DAV begrüßt eine "Monetarisierung" des Pistentourengehens: "Die Skitouren-Gemeinde akzeptiert immer besser, dass die Nutzung der Infrastruktur nicht kostenlos sein kann", sagt DAV-Sprecher Thomas Bucher. Gleichzeitig müsse man die Pistentourengeher lenken und sichere Aufstiegsspuren ausschildern.

Immer mehr Skigebiete gehen an das Thema positiv heran und heißen die Tourengeher ausdrücklich willkommen. Am Kolbensattel in Oberammergau, in Grasgehren im Allgäu ist das so. Und seit dieser Saison verstärkt auch im Jenner-Skigebiet bei Berchtesgaden. Dort wird es erstmals in Zusammenarbeit mit dem Hersteller Dynafit eine ausgeschilderte Aufstiegsspur geben, man kann sich Tourenausrüstung ausleihen und zum ersten Mal gibt es auch einen Tourengeher-Saisonpass für 199 Euro, mit dem man die Jenner-Seilbahn den ganzen Winter über nutzen kann. Weil die Talstation mit 600 Meter relativ tief liegt und dort oft kein Schnee ist, nutzen viele Tourengeher die Seilbahn bis zur Mittelstation und laufen von dort Richtung Gipfel.

Manche Tourengeher fahren mit der Seilbahn wieder runter, weil sie nicht Ski fahren können

"Wir haben an einem guten Tag bis zu 1000 Tourengeher auf der Piste, vorher sind sie alle kreuz und quer gegangen, jetzt ist die Aufstiegsspur kanalisiert", sagt Thomas Hettegger, Vorstand der Berchtesgadener Bergbahnen. Skitourengeher seien zudem gute Kunden in der Gastronomie: "Die haben einen Durst und einen Hunger." Seiner Meinung nach gehe es um das Miteinander aller Wintersportler, dazu müsse man die Leute nicht maßregeln, sondern aufklären. Etwa darüber, dass diejenigen, die abends auf der frisch präparierten Piste abfahren, tiefe Rinnen hineinfahren, die dann über Nacht gefrieren und für alle Skifahrer am nächsten Tag unangenehm bis gefährlich seien. Zusammen mit dem DAV werden auch neue Tafeln mit den eingezeichneten Wildschutzgebieten aufgestellt, damit die Tiere ihre Ruhe haben.

DAV-Experte Manfred Scheuermann findet eine solche Herangehensweise vorbildhaft. "Irgendwann wird es in allen bayerischen Skigebieten Aufstiegsspuren geben, Skitourengeher werden so selbstverständlich dazugehören, wie Rodler oder Winterwanderer."

Bergbahn-Vorstand Hettegger geht davon aus, dass es im kommenden Winter noch mehr Pistentourengeher werden. "Das ist einfach ein großer Trend, da kann man nicht sagen: Wir mögen die nicht." Stattdessen müsse man ein gutes Angebot schaffen, für das die Leute bereit seien, etwas zu zahlen. Das neue Tourengeher-Ticket sei auch einer Beobachtung geschuldet: "Viele Anfänger können nicht gut Skifahren, sie wollen nur aus Fitnessgründen aufsteigen und nicht wenige fahren mit der Bahn wieder runter."

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