Wolfgang Schäuble und die FDP:Der Lieblingsfeind

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Die FDP arbeitet sich am Bundesfinanzminister ab, weil sie sich bei ihren Steuersenkungsplänen ausgebremst fühlt. Der hält die Liberalen für Leichtgewichte.

S. Braun und C. Hulverscheidt

Mag sein, dass sich die Kanzlerin das genau so gedacht hat. Als sie im Herbst 2009 entschied, Wolfgang Schäuble das Bundesfinanzministerium anzutragen, ließ sie sich sicher von mehreren Überlegungen leiten, an erster Stelle von seiner im Vergleich zu anderen potentiellen Kandidaten überragenden politischen Erfahrung.

Der Koalitionspartner FDP hat sich auf ihn eingeschossen: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (Foto: Foto:)

Nicht ganz unwichtig dürfte daneben Schäubles Fähigkeit zur stoischen Ruhe auch in schwierigsten Zeiten gewesen sein. Wie keiner sonst kann er Attacken abprallen lassen. Und wie kaum jemand anders bleibt er sehr hartnäckig, wenn er etwas für richtig erachtet.

So gesehen erfüllt der 67-Jährige derzeit ziemlich exakt seine Aufgabe. Er bleibt ungerührt von den Attacken aus den eigenen Reihen. Gemeint sind vor allem jene zum Teil überharten Angriffe der Liberalen, die seit Mitte vergangener Woche endgültig den Bundesfinanzminister von der CDU zu ihrem Hauptgegner auserkoren haben.

Ob der liberale NRW-Wahlkämpfer Andreas Pinkwart, der Haushälter Jürgen Koppelin oder auch Parteichef Guido Westerwelle: Aus vielen Richtungen wird Schäuble für seinen Kurs angegriffen - auch wenn der FDP-Vorsitzende sich mit persönlichen Attacken deutlich zurückhält.

Kritikpunkt Nummer eins: Der torpediert unsere Steuerpläne. Kritikpunkt Nummer zwei: Der liefert nichts, was uns helfen könnte, zum Beispiel Sparvorschläge, die eine Finanzierung von Steuersenkungen erleichtern könnten. Pinkwart warf Schäuble am Wochenende besonders aggressiv vor, er gebe Griechenland Geld, dem deutschen Mittelstand aber nicht. Das, so der FDP-Wahlkämpfer, sei ein Schlag ins Gesicht der Bürger.

Ideales Spielfeld für den Minister

Mal abgesehen von der Frage, ob Pinkwart mit derlei Angriffen sich nicht eher selber ohrfeigt, zeigt die Attacke vor allem, wie sehr sich die FDP inzwischen an Schäuble abarbeitet. Das ist wenig überraschend. Seit dem letzten Abend der Koalitionsverhandlungen war klar, dass Steuersenkungen einerseits zwar grundsätzlich geplant sind, andererseits aber nur kommen, wenn sie finanziert werden können. Von Anfang also bleibt Spielraum für beides.

Das ist das ideale Spielfeld für Wolfgang Schäuble. Als Meister der taktischen Aussage kann er so mit seinen Botschaften jonglieren, ohne sich wirklich angreifbar zu machen. Mal erklärt er in einem Interview, selbstverständlich gelte auch für ihn der Koalitionsvertrag, also werde er sich dran halten. Das suggeriert, dass er die von der FDP gewünschten Steuersenkungen mitträgt. Dann wieder sagt er, die Hauptaufgabe sei die Konsolidierung der kommunalen Haushalte. Das ist auch richtig und Ziel der Regierung. Aber es signalisiert sofort, dass Schäuble Steuersenkungen derzeit eigentlich ablehnt. "Er spielt mit uns", schimpft ein Spitzenliberaler, "deshalb darf sich niemand wundern, wenn wir uns darüber ärgern."

Im Finanzministerium wundert sich im Übrigen niemand über den Ärger. Die Angriffe aus der FDP können sie dort trotzdem nicht wirklich ernst nehmen. Dass Schäuble im Mittelpunkt der Kritik stehe, sei klar, hieß es in Ministeriumskreisen. Schließlich sei er derjenige, der die maroden Staatsfinanzen, die ab 2011 greifende Schuldenbremse und die Einhaltung des Europäischen Stabilitätspakts besonders im Blick habe - und die Steuersenkungspläne der Liberalen deshalb am kritischsten beäuge.

Der persönliche Draht fehlt

Ironisch dabei ist, dass Schäuble die Ideen der FDP im Grundsatz am liebsten unterstützen würde. Steuersenkungen zur richtigen Zeit hält er durchaus für ein probates Mittel, um Wachstum zu fördern. Nur müssen die öffentlichen Haushälte das auch hergeben. Entsprechend vermisst er bei den Liberalen ein konsequentes Durchrechnen ihrer Vorschläge. Konsequent hieße für ihn, die Steuersenkungspläne und die notwendigen Schritte zur Haushaltskonsolidierung in einem Konzept zu verbinden. Das, so heißt es, haben sie aus seiner Sicht noch nicht geliefert, weil ihre bisherigen Vorschläge zur Gegenfinanzierung nicht viel mehr seien als Allgemeinplätze.

Dass es zwischen dem Finanzminister und den Liberalen nicht gut läuft, hat noch einen anderen Grund: Die meisten Liberalen spüren längst, dass Schäuble sie als Leichtgewichte einstuft. Zum Vizekanzler fehlt Schäuble zudem schlicht der persönliche Draht, vertrauliche Absprachen auf dem kurzen Dienstweg sind deshalb bisher kaum möglich.

Nun kann sich das mit der Zeit noch ändern. Genauso könnte schon bald das größte Streitthema entfallen. Sollte die schwarz-gelbe Regierung bei der Landtagswahl am 9. Mai ihre Mehrheit verlieren, könnte dies auch das Ende der gelben Steuerpläne mit sich bringen. Ohne schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat würde derlei kaum noch durch die Länderkammer kommen. Viel Lärm um nichts? Der Fall könnte diesmal tatsächlich eintreten.

© SZ vom 28.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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