Krieg in der Ukraine:EU erhöht Waffenhilfe auf 1,5 Milliarden Euro

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Schluss mit den Ausreden: Außenministerin Annalena Baerbock unterstützt die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine. (Foto: Thomas Imo/Imago)

Die EU-Außenminister einigen sich in Luxemburg auf weitere Lieferungen militärischen Materials an die Ukraine. Mindestens ein partielles Öl-Embargo könnte Teil des nächsten Sanktionspaketes sein.

Von Matthias Kolb, Luxemburg

Drei Tage ist es her, dass Josep Borrell in Butscha vor den Massengräbern stand und auf exhumierte Leichen blickte. Der EU-Außenbeauftragte war mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen per Nachtzug in die Ukraine gereist und hatte am Freitag Präsident Wolodimir Selenskij getroffen. Sie besprachen, welche Unterstützung das Land braucht, um die russische Invasion abzuwehren. Noch in Kiew machte der Spanier klar, worauf der Fokus liegen müsse: "Weil ihr auch für uns kämpft, ist das Mindeste, was wir tun können, euch Waffen zu geben."

Nun nutzte Borrell das Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg, um vor einer russischen Offensive in der Ostukraine zu warnen und von den Forderungen der Ukrainer zu berichten. "Ihr habt viel Unterstützung und Applaus bekommen, aber ihr braucht Waffen, Waffen, Waffen", hatte Borrell an der Seite Selenskijs gesagt und ähnliches äußerte er auch vor den 27 Ministerinnen und Ministern. Sie gaben grünes Licht dafür, über das Programm der Europäischen Friedensfazilität weitere 500 Millionen Euro bereitzustellen, um militärisches Gerät an die Ukraine zu liefern.

Damit erhöht sich die EU-Hilfe auf 1,5 Milliarden Euro; die Zustimmung der Parlamente in Schweden und Deutschland gilt als Formsache. Nach der Sitzung sagte Borrell, dass die Mitgliedstaaten auch jenseits der Friedensfazilität Hilfe leisten würden - über das Programm wäre aber eine Rückerstattung möglich. Darauf verzichtete jedoch beispielsweise die Bundesrepublik, die für 26 Prozent des Budgets aufkommt.

Dass die Diskussion über die Reaktion auf Russlands Angriffskrieg nicht ausuferte, lag auch daran, dass kein Zweifel über die Dringlichkeit besteht. "In diesen Momenten kann die Freiheit, die Unabhängigkeit und die Sicherheit der Ukrainerinnen und Ukrainer nur mit Waffen verteidigt werden", sagte Außenministerin Annalena Baerbock nach der Sitzung. Deswegen müssten die Lieferungen intensiviert werden. Die Zeit für Ausreden sei vorbei sei, stattdessen seien Kreativität und Pragmatismus gefragt, forderte sie. Man müsse zusammen mit der Ukraine schnellstmöglich Ersatzausrüstung und Ausbildung organisieren.

Der Luxemburger Jean Asselborn erinnerte daran, dass der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba vergangene Woche Kämpfe in der Ostukraine vorhergesagt hatte, die "an den Zweiten Weltkrieg erinnern" werden. Es würden Tausende Panzer und Flugzeuge eingesetzt werden und es werde viele Opfer geben, hatte Kuleba gesagt. Er bat die Partner in EU und Nato um Kampfflugzeuge, Anti-Schiffs-Raketen, gepanzerte Fahrzeuge und Luftabwehrsysteme. Sowohl die Ukraine als auch die EU gehen davon aus, dass Präsident Wladimir Putin bis zum 9. Mai, dem "Tag des Sieges über Nazi-Deutschland" eine Trophäe vorweisen wolle. Diese könne die Kontrolle über die Donbass-Region sein, die seit 2014 von Separatisten kontrolliert wird. Diese werden von Moskau gesteuert und finanziert.

Der Niederländer Wopke Hoekstra argumentierte, die EU müsse der Ukraine helfen, ihre Position auf dem Schlachtfeld und am Verhandlungstisch zu verbessern. Dafür brauche es auch weitere Sanktionen. Erwartungsgemäß gab es noch keine Entscheidung über das sechste Paket, das die Kommission nun vorbereitet. "Sie arbeiten jetzt daran, dass sichergestellt ist, dass Öl Teil des nächsten Sanktionspakets ist", sagte der Ire Simon Coveney. Als wahrscheinlich gilt ein partielles Embargo für russisches Öl. Hier gilt es jedoch, die Folgen für die verschiedenen EU-Länder zu berechnen, da eine Mehrheit weiter überzeugt ist, dass Strafmaßnahmen Russland härter treffen sollen als die Europäer.

Laut der Brüsseler Denkfabrik Bruegel importiert die EU täglich russisches Öl im Wert von etwa 450 Millionen Euro. Besonders vehement wird ein Energieembargo von den Balten gefordert. Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis empfahl den europäischen Spitzenpolitikern, wie er in die Ukraine zu reisen: "Es ist am besten, nach Kiew, nach Irpin, nach Butscha zu fahren und selbst zu sehen, wieso es Sanktionen braucht."

Streit über Hilfszahlungen an die Palästinenser

Borrell gab auch bekannt, dass die EU vorerst ihre militärische Ausbildungsmission im westafrikanischen Krisenstaat Mali stoppt. Dies betreffe insbesondere Einheiten der Streitkräfte und der Nationalgarde Malis. "Es gibt keine ausreichenden Sicherheitsgarantien der malischen Behörden für eine Nichteinmischung der bekannten Wagner-Gruppe", sagte Borrell unter Verweis auf russische Söldner.

Am Montagabend flog Außenministerin Baerbock nach Mali, von dort wollte sie am Mittwoch weiter nach Niger reisen. Die malische Regierung habe "in den letzten Monaten international sehr viel Vertrauen verspielt, nicht zuletzt durch Verschleppung des demokratischen Übergangs und durch intensivierte militärische Zusammenarbeit mit Moskau", sagte Baerbock vor ihrem Abflug. "Nun einfach "weiter so" zu sagen, wäre aus meiner Sicht verfehlt." Das deutsche Engagement in der Sahel-Region müsse vor diesem Hintergrund hinterfragt werden. "Dies muss aus meiner Sicht insbesondere für unseren Beitrag im Rahmen der EU-Mission EUTM gelten, deren Ziele die malische Regierung durch ihr Handeln faktisch konterkariert."

Hitzig verlief die Debatte über Finanzhilfen für die Palästinensische Autonomiebehörde. 15 Mitgliedstaaten, darunter Frankreich, Irland, Schweden und Spanien, hatten in einem Brief den EU-Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi aufgefordert, endlich das für 2021 vorgesehene Budget freizugeben. Die EU ist der wichtigste Geldgeber für die Palästinenser, um Schulen und Krankenhäuser zu finanzieren, doch der Ungar blockiert die Auszahlung wegen umstrittener Passagen in palästinensischen Schulbüchern. Darin werde Kritikern zufolge zu Gewalt aufgerufen und antisemitische Motive verwendet.

Die 15 Mitgliedstaaten kritisieren Várhelyi in dem Brief, über den zuerst Politico berichtet hatte und der auch an Ursula von der Leyen ging, für seinen Ansatz, die Auszahlung an Bedingungen zu knüpfen. Dabei führe die Autonomiebehörde gerade "ein ehrgeiziges Programm zur Bildungsreform" durch. Wenn das Brüsseler Geld aus dem vergangenen Jahr weiter nicht ausbezahlt werde, so die Sorge, dann würden davon nur radikale Akteure profitieren. Ein Minister warf der EU-Kommission nach SZ-Informationen vor, "ein schmutziges Spiel" zu spielen.

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