Nato-Treffen:"Während Berlin Zeit hat, hat Kiew keine"

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Dmytro Kuleba war persönlich in Brüssel. Dort bekam er von den Außenministern der Nato-Staaten - hier Antony Blinken - viel Zuspruch. (Foto: Olivier Matthys/AP)

Der ukrainische Außenminister fordert eindringlich Waffen von Nato-Staaten und kritisiert das Tempo Deutschlands.

Von Björn Finke, Matthias Kolb und Paul-Anton Krüger, Brüssel/Berlin

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat die Nato-Mitglieder aufgefordert, sein Land mit schweren Waffen für den Kampf gegen Russland zu unterstützen. "Entweder helft ihr uns jetzt, innerhalb von Tagen, oder es wird zu spät sein", sagte Kuleba nach einem Treffen der Nato-Außenminister in Brüssel am Donnerstag. Sollte die Ukraine nicht genügend Waffen erhalten, würden in der zu erwartenden russischen Offensive im Donbass "viele Zivilisten sterben". Die Bilder von ermordeten Zivilisten in Butscha nannte er "die Spitze des Eisbergs", in der umkämpften Stadt Mariupol sei die Lage viel schlimmer.

Kuleba äußerte die Erwartung, dass die Kämpfe im Donbass Erinnerungen "an die Schlachten des Zweiten Weltkriegs" wecken werden, mit groß angelegten Manövern mit Tausenden Panzern, gepanzerten Fahrzeugen, Flugzeugen und Artillerie. Er habe "keine Zweifel", dass die Ukraine die nötigen Waffen erhalten werde, entscheidend sei aber, wann dies geschehe. Die ukrainische Armee brauche Kampfflugzeuge, Anti-Schiff-Raketen, gepanzerte Fahrzeuge und Luftabwehrsysteme.

Angesprochen auf die Unterstützung durch Deutschland sagte er, die Dauer der Entscheidungsfindung in der Bundesregierung bereite ihm Sorge: "Während Berlin Zeit hat, hat Kiew keine." Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte: "Wir schauen uns gemeinsam all das an, was es zu einer besseren Verteidigung der Ukraine brauchen könnte." Dies lässt - wie zuvor bei Äußerungen von Kanzler Olaf Scholz - vermuten, dass die Bundesregierung eine neue Qualität bei den Waffenlieferungen ins Auge fast. Die Ukraine hat Interesse an Schützenpanzern des Typs Marder bekundet.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, die Alliierten seien entschlossen, den tapferen Ukrainern zu helfen, ihr Land zu verteidigen und die russischen Invasionstruppen zurückzudrängen. Gefragt nach konkreten Zusagen für Waffenlieferungen sagte er, im Bündnis bestehe Einigkeit darüber, nicht bekanntzugeben, um welche spezifischen Waffensysteme es gehe. Es handele sich um Systeme aus sowjetischer Produktion wie auch um moderne Waffen. Mehr Hilfe soll auch von der EU kommen. Außenbeauftragter Josep Borrell will vorschlagen, weitere 500 Millionen Euro für Militärunterstützung der Ukraine bereitzustellen, teilte am Donnerstagabend Ratspräsident Charles Michel mit. Das würde die Mittel auf 1,5 Milliarden Euro erhöhen.

Einigung auf das fünfte Sanktionspaket

Stoltenberg sagte weiter, es ergebe keinen Sinn, zwischen defensiven und offensiven Systemen zu unterscheiden, weil die Ukraine alle Waffen für die nach der UN-Charta zulässige Selbstverteidigung einsetze. Der Nato-Chef bekräftigte zugleich, es sei wichtig, dass es nicht zu einer Eskalation zwischen Russland und der Nato komme. Als Konsequenz aus dem russischen Angriff auf die Ukraine hätten die Nato-Staaten vereinbart, die Verteidigungsfähigkeit der Partnerländer Georgien und Bosnien-Herzegowina zu stärken.

Unterdessen wird das fünfte Sanktionspaket der EU an diesem Freitag in Kraft treten. Am späten Donnerstagabend einigten sich die EU-Botschafter der Mitgliedstaaten bei einem Treffen in Brüssel auf die letzten Details; bis Freitagmorgen, zehn Uhr, sollen die 27 Regierungen den neuen Strafen gegen Russland per schriftlichem Verfahren zustimmen. Sofort danach können die Rechtstexte im Amtsblatt der Europäischen Union erscheinen und somit gültig werden.

Das Paket sieht unter anderem ein Verbot von Kohleimporten aus Russland vor, wobei dies erst von August an gelten soll, einen Monat später, als die EU-Kommission ursprünglich vorgeschlagen hat. Zudem verhängt Brüssel gegen 218 weitere russische Funktionäre und Wirtschaftsführer oder deren Familienmitglieder individuelle Sanktionen, wie aus einem Entwurf hervorgeht, welcher der SZ vorliegt. Sie dürfen nicht mehr in die EU reisen, und ihr Vermögen wird eingefroren.

Auf der Liste stehen unter anderem Wladimir Putins zwei Töchter Maria Woronzowa und Ekaterina Tichonowa, daneben die Oligarchen Oleg Deripaska, Boris und Arkadi Rotenberg oder Sberbank-Chef Herman Gref. In den Sanktionsbegründungen heißt es, die Personen hätten von der Nähe zum Putin-Regime profitiert oder es mit ihren Aktivitäten unterstützt.

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