Einmal muss man die Formulierung tatsächlich hinschreiben, um sie dann für alle Zeiten aus dem aktiven Wortschatz zu verbannen. Sie war schon abgegriffen, bevor sie benutzt wurde, sie ist flach und liegt viel zu nah, aber ein einziges Mal muss es jetzt sein: Ursula von der Leyen - die Mutter der Kompanie. Und damit zu den Fakten.
Ursula von der Leyen, 55, ehemalige Familienministerin, derzeit geschäftsführende Sozialministerin, wird Verteidigungsministerin. Als erste Frau in der Geschichte der Republik übernimmt sie dieses Amt, künftig wird es nicht mehr "der IBuK" heißen, sondern "die IBuK" - was in der militärischen Kürzelsprache hierfür steht: die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt.
Es ist an der Zeit. Frauen kommandieren inzwischen Boote der Marine, sie dienen beim Kommando Spezialkräfte - also muss endlich auch mal ganz oben eine Frau stehen, an der Spitze dieser vielleicht letzten Institution, die trotz der Öffnung für Frauen noch durchweg männlich geprägt ist. Man muss nur den Jahresbericht des Wehrbeauftragten aufmerksam studieren, um zu ahnen, wie schwierig es viele Frauen in der Truppe noch immer haben.
Wer jetzt einwendet, dass von der Leyen aber nicht gedient habe, die Truppe also gar nicht kenne, der blendet erstens aus, dass viele Minister von ihrer neuen Aufgabe erst mal wenig bis keine Ahnung haben - und dass auch zahlreiche Amtsvorgänger von der Leyens nicht gedient haben. Dazu gehörten Volker Rühe und Peter Struck, aber auch Manfred Wörner, der zwar nur eine Laufbahn als Reserveoffizier aufweisen konnte, es aber dennoch bis zum Nato-Generalsekretär brachte.
Große Koalition:So tickt die Merkel-Ministerriege
Zwei Saarländer, viele Frauen und einen EZB-Direktor: Das Kabinett Merkel hält durchaus Überraschungen bereit. Einige Minister hätten wohl einst selbst nicht geglaubt, dass sie einmal am Tisch der schwarz-roten Regierung sitzen werden. Ein Überblick über den Werdegang von Merkels Mannschaft.
Ministerium mit vielen Fallstricken
Was erwartet von der Leyen? Ein Ministerium, von dem es heißt, es habe mit seinen Beharrungskräften, seinen vielen kleinen Fallstricken und vor allem seinem riesigen, kaum zu kontrollierenden Apparat samt nachgelagerten Behörden noch jeden Minister kleingekriegt. Allein die vielen Beschaffungsvorhaben, die regelmäßig länger dauern und teurer werden als geplant, sind eine schier unerschöpfliche Gefahrenquelle.
Als der bisherige Amtsinhaber Thomas de Maizière das Ministerium übernahm, galt er als vorbildlicher, detailversessener, verlässlich übergründlicher Verwaltungsmensch. Nach nicht einmal drei Jahren an der Spitze des Verteidigungsministeriums, einer Drohnenaffäre und ein paar weiteren Rüstungsproblemen ist dieser Ruf mindestens angekratzt.
Von der Leyen wird daher versuchen, erst einmal alle Altlasten klar als solche kenntlich zu machen. Das gilt für Rüstungsprojekte genauso wie für die Bundeswehrreform, die Guttenberg angefangen und de Maizière ausgeführt hat. Viel zu gestalten gibt es da ohnehin nicht mehr, vor allem geht es um das Management.
Doch Verwalten hat von der Leyen noch nie genügt, sie wird versuchen, ein, zwei, drei Leuchtturm-Projekte zu definieren, so wie ihr das mit dem Kita-Ausbau einst gelungen ist, dann mit dem "warmen Mittagessen für alle Kinder" und schließlich nicht ganz so sehr mit der Frauenquote.
Was könnte das in der Verteidigungspolitik sein?
Die Frauenquote könnte sie sich auch bei der Bundeswehr als Thema vornehmen - noch immer ist der Anteil weiblicher Soldaten sehr gering. Zudem muss sie auch insgesamt versuchen, mehr Bewerber zur Truppe zu locken - zu erwarten ist eine Offensive in Sachen Attraktivität. Und dann könnte ihre Leidenschaft für Europa zum Tragen kommen: Eines der größten ungelösten europäischen Probleme ist die trotz aller Willensbekundungen noch immer mangelhafte Kooperation in der Sicherheitspolitik. Noch immer regiert hier nationales Kirchturmdenken, es gibt unsinnige Doppel-, Dreifach-, Vierfachstrukturen, ein Ende ist nicht abzusehen.
Diese Egoismen sowie das wechselseitige Misstrauen aufzubrechen und aus Europa eine sicherheitspolitische Einheit zu machen - das ist eine Riesenherausforderung. Also genau das richtige für die dynamische Frau von der Leyen. Hier kann sie nicht nur verwalten, hier kann sie glänzen - und wenn sie scheitert, wird es nicht so schlimm, weil es ohnehin niemand anders erwartet hat. Vollenden könnte von der Leyen diese Aufgabe sowieso nicht, dazu würde der Wandel zu lang dauern. Aber wenn ihr auch nur ein Anfang gelänge, käme sie endgültig für noch ganz andere Aufgaben in Frage.