USA:Warum der Speaker plötzlich seine Meinung wechselte

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Gefangen zwischen den beiden Flügeln seiner Partei: Kevin McCarthy, Sprecher der Republikaner im Repräsentantenhaus. (Foto: J. Scott Applewhite/AP)

Nicht lange her, da mahnte Kevin McCarthy die Republikaner zur Zurückhaltung bei Ermittlungen gegen Biden. Jetzt aber bläst er zur Offensive. Dabei spielt offenbar sein eigener Weg ins Amt eine entscheidende Rolle.

Von Peter Burghardt, Washington

Vor Kurzem war Kevin McCarthy beim Umgang mit Joe Biden noch etwas verhaltener, jedenfalls klang er so. Wenn man Ermittlungen für ein Amtsenthebungsverfahren vorantreibe, dann durch eine Abstimmung im Repräsentantenhaus "und nicht durch eine Erklärung einer einzelnen Person", sagte der Sprecher jener Kammer Anfang September. So ein Impeachment Inquiry sei ja eine ernste Angelegenheit, die Republikaner würden es nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Knapp zwei Wochen später hat nun eine einzelne Person diese Offensive ausgerufen, und zwar Kevin McCarthy. Am Dienstag gab der Speaker bekannt, dass jetzt formelle Untersuchungen für so ein Amtsenthebungsverfahren auf den Weg gebracht würden - von einer vorherigen Abstimmung ist keine Rede mehr. Da fragt man sich natürlich, wie das weitergeht und was den Betreiber dazu bringt, binnen überschaubarer Zeit so fundamental die Meinung zu ändern.

Er wollte den Platz am Pult mit dem Holzhammer ja unbedingt haben

Ein entscheidender Grund für diese Wende dürfte in seinem Amt zu finden sein und bei jenen Leuten, die ihm zu Jahresbeginn dazu verholfen haben. McCarthy, 58, wollte den Platz am Pult mit dem Holzhammer ja unbedingt haben, niemand hat ihm den Job aufgedrängt. Zur Strafe für seinen Ehrgeiz ließen ihn die besonders rechten Kollegen im Januar 15 Wahlrunden lang zappeln. Es war ein für den Kandidaten McCarthy erniedrigendes Spektakel, live übertragen und weltweit beachtet. Besonders radikale Abgeordnete wie Marjorie Taylor Greene oder Matt Gaetz erwiesen ihm ihre Gunst natürlich nicht umsonst.

So ist dieser Mann seit seinem quälenden Wahlsieg zwar das, was er sein will, die offizielle Stimme dieses Parlaments. Aber seine Fraktion lässt ihn ständig spüren, dass ihre Gnade keineswegs von Dauer sein muss. Der vergleichsweise moderate Flügel verlangt, dass ihr formeller Anführer zwar entschlossen gegen Biden zu Felde zieht, aber auch irgendwie staatsmännisch. Der Brachialfraktion des sogenannten Freedom Caucus dagegen scheint jedes Mittel recht zu sein, um Biden zu schaden.

Derzeit muss McCarthy deshalb an zwei Fronten gleichzeitig den Geschmack seiner Partei treffen. Denn wenn ihn sein Instinkt verlässt, dann könnte er seinen Posten schnell wieder los sein. Seine Republikaner haben seit den Midterms, den US-Zwischenwahlen, zwar wieder die Mehrheit im Repräsentantenhaus, aber nur knapp. Bis zum Monatsende braucht McCarthy möglichst geschlossene Unterstützung, um im Dauerstreit mit den Demokraten zumindest den Shutdown Washingtons zu verhindern, die Haushaltssperre.

Die Finanzmärkte verfolgen den Thriller mit gebremster Begeisterung

Bereits das sonst routinierte Gezerre um die Schuldengrenze verkam im Frühsommer zu einem Thriller, den die Finanzmärkte mit gebremster Begeisterung verfolgten. Diesmal geht es um die Frage, wie ab 30. September die Regierungsfunktionen finanziert werden. Unter anderem die erwähnte Kollegin Taylor Greene hatte angedroht, eine Einigung auf alle Fälle abzulehnen, falls vorher kein Ermittlungsverfahren gegen Joe Biden beschlossen worden sei. Es versteht sich von selbst, dass sie sich gerade wieder mit Donald Trump traf. Auch sei eine Untersuchung an sich noch kein Impeachment, klagt sie. "Können wir nicht weiter schauen?"

In solcher Gesellschaft ist der biegsame McCarthy ein Getriebener, aktuell nähert er sich bei seinem Balanceakt der Hardcoreriege. Dabei gibt es trotz hartnäckiger Recherche erstens keinerlei Hinweise auf ein Vergehen oder gar Verbrechen, geschweige denn Anklagen, die wirklich einen ernsthaften Versuch der Absetzung des US-Präsidenten zur Folge haben könnten. Die Republikaner meinen, der Demokrat habe als Vizepräsident Geschäfte seines Sohnes Hunter in der Ukraine und China angetrieben und dabei mitverdient.

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Von einer "Kultur der Korruption" spricht McCarthy, das rechtfertige dieses stärkste Ermittlungsinstrument. Ein Sprecher des Weißen Hauses verweist darauf, dass die Republikaner "keine Beweise für ein Fehlverhalten" entdeckt hätten; McCarthy mache "extreme Politik in ihrer schlimmsten Form". Zweitens ist vollkommen unklar, wie er die Stimmen zusammenkriegen will, um mitten in der Wahlsaison 2023/24 dann wirklich ein Amtsenthebungsverfahren durch den schwer zerstrittenen Kongress zu treiben, sozusagen als republikanische Rache für den bevorstehenden Strafprozess des vierfach angeklagten Trump.

Gegen Trump leiteten die Demokraten 2019 ein Impeachment Inquiry ein, angetrieben von der Sprecherin Nancy Pelosi, McCarthys Vorgängerin. Seinerzeit vor vier Jahren kritisierte sie ihr heutiger Nachfolger scharf, jetzt gibt er ihr die Schuld für sein Manöver. Er habe sie damals gewarnt, es zu tun, und sie habe es getan, "also tun wir das auch".

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