Waffenlieferungen an die Ukraine:Biden lässt die "F-16"-Jets am Boden - vorerst

Lesezeit: 3 min

"Abrams"-Kampfpanzer hat US-Präsident Biden gerade zugesagt. Für die "F-16"-Jets, hier auf einem US-Stützpunkt in Rumänien, gilt das nicht. (Foto: US Air Force/REUTERS)

Nach Bundeskanzler Scholz schließt auch der US-Präsident die Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine aus. Allerdings ist unklar, wie definitiv diese Absage ist.

Von Fabian Fellmann, Washington, und Nicolas Freund, Washington

"No", amerikanische Kampfjets kriegt die Ukraine nicht: Mit einem trockenen, knappen Nein hat US-Präsident Joe Biden am Montag den Forderungen der Ukraine nach F-16-Kampfjets eine Absage erteilt. Nun fragen sich nicht nur die Ukrainer, sondern auch die Europäer, wie Biden das gemeint hat.

Bidens "No" wirkte wie eine hingeworfene Reaktion auf die Frage einer Reporterin. Aber sollte das heißen, dass der US-Präsident nur zum jetzigen Zeitpunkt Nein sagt? Oder definitiv? Oder gälte das Nein nur für Kampfflugzeuge, die direkt von den USA geliefert würden, nicht jedoch für Jets aus amerikanischer Produktion, die von anderen Ländern in die Ukraine ausgeführt werden könnten?

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Kurz darauf meldete sich John Kirby vom Nationalen Sicherheitsrat zu Wort. Die USA schickten bereits viele Waffen, sagte Kirby, und verwies unter anderem auf die 31 Abrams-Kampfpanzer, die das Weiße Haus eben erst freigegeben hat. Die Ukraine erhalte alles, was sie brauche, um durch den Winter zu kommen und eine für Frühling erwartete Großoffensive Russlands abzuwehren, sagte Kirby.

Biden bremst nicht zum ersten Mal

Allerdings wandten andere Vertreter der US-Administration hinter den Kulissen ein, die F-16-Jets seien noch nicht einmal ernsthaft auf höchster Ebene diskutiert worden. Das würde eher darauf hindeuten, dass Biden ihre Lieferung für den Moment ausschließt.

Das hat Biden zuvor mehrmals auch für andere Waffensysteme getan, von den Raketenwerfern Himars über das Raketenabwehrsystem Patriot bis jüngst zu den Kampfpanzern. Biden bremste immer wieder, um sicherzustellen, dass alle Nato-Partner im Gleichschritt vorgehen. Auch will Biden vermeiden, dass die USA zu schnell zu tief in den Konflikt verwickelt werden. Innenpolitisch müsste er wohl mit deutlich mehr Gegenwehr rechnen, wenn er der Ukraine im Wochentakt stärkere und teurere Waffensysteme versprechen würde. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hatte immer wieder darauf beharrt, dass sein Land auch Kampfflugzeuge und Raketen mit großer Reichweite braucht, um auf russische Angriffe von weit hinter den Frontlinien reagieren und erfolgreiche Gegenoffensiven starten zu können.

Nachdem vergangene Woche mehrere Länder, darunter Deutschland und die USA, zugesagt hatten, der Ukraine Kampfpanzer zu liefern, wird nun hektisch diskutiert, inwiefern das westliche Bündnis den anderen Hilferufen aus Kiew nachkommen wird. Der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland und inzwischen stellvertretende Außenminister der Ukraine, Andrij Melnyk, hatte zuletzt auch U-Boote und Kriegsschiffe aus Deutschland gefordert. Die Ukraine verfügt selbst praktisch über keine Marine.

Scholz warnt vor "Überbietungswettbewerb" in Sachen Waffenlieferungen

Schiffe sind derzeit, soweit bekannt ist, kein Verhandlungsthema, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte auch eine Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine ausgeschlossen. Auf Nachfrage während seiner Südamerikareise warnte er in Santiago de Chile davor, "in einen ständigen Überbietungswettbewerb einzusteigen, wenn es um Waffensysteme geht". Angefragt hat die Ukraine Kampfjets aus Deutschland laut dem ukrainischen Botschafter in Deutschland, Oleksij Makejew, noch nicht offiziell. Sein Vorgänger Melnyk behauptet dagegen auf Twitter, ein solcher Antrag sei bereits am 2. März 2022 gestellt worden.

Angeblich würde die ukrainische Luftwaffe aber ohnehin Flugzeuge vom Typ F-16 bevorzugen, über die Deutschland gar nicht verfügt. Von diesen Kampfjets sind weltweit vergleichsweise viele im Einsatz, was die Frage der Verfügbarkeit und auch die Logistik vereinfachen würde. Derzeit fliegt die ukrainische Luftwaffe vor allem alte sowjetische Maschinen, etwa vom Typ MiG-29. Für diese gibt es jedoch kaum noch Ersatz. Wie auch bei anderen Waffensystemen wird die ukrainische Luftwaffe früher oder später auf westliche Systeme umstellen müssen.

Anders als der Bundeskanzler und der US-Präsident schloss der französische Präsident Emmanuel Macron eine Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine nicht aus. "Grundsätzlich ist nichts verboten", sagte er am Montag in Den Haag, stellte aber Bedingungen: So dürften die Waffen nicht eskalierend wirken und auch nicht auf russischem Staatsgebiet eingesetzt werden.

Moderne Kampfjets könnten auch bei Gegenoffensiven helfen

Wie anwendbar solche Bedingungen auf die Wirklichkeit des Krieges in der Ukraine seien werden, bleibt abzuwarten. Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow wurde am Dienstag zu Gesprächen auch über die Lieferung von Flugzeugen in Paris erwartet. Von russischer Seite teilte Kremlsprecher Dmitrij Peskow am Dienstag etwas widersprüchlich mit, die Waffenlieferungen aus dem Westen würden zu einer Eskalation des Krieges führen, den Verlauf aber nicht beeinflussen.

Die Ukraine betonte immer wieder die Notwendigkeit von Flugzeugen und Langstreckenraketen zur Verteidigung gegen die anhaltenden russischen Raketenangriffe. Diese werden oft von Schiffen im Schwarzen Meer und von Flugzeugen im russischen und belarussischen Luftraum aus gestartet. Kampflugzeuge könnten laut dem ukrainischen Botschafter in Deutschland auch dabei helfen, russische Raketen abzufangen.

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Ebenso wichtig sind Flugzeuge laut Experten für Gegenoffensiven, wenn die ukrainische Armee erfolgreich im sogenannten Gefecht der verbundenen Waffen bestehen möchte. Darunter wird die Kombination von verschiedenen Waffentypen wie Panzern, Artillerie und Flugzeugen verstanden, um die maximale Effektivität und den bestmöglichen Schutz aller eingesetzten Kräfte zu gewährleisten. Tatsächlich sind viele Waffensysteme wie der Leopard-Kampfpanzer, der nun an die Ukraine geliefert werden soll, für einen solchen Einsatz in Kombination mit anderen Systemen konzipiert.

Die russische Armee hatte bei ihrem Angriff auf die Ukraine vor einem knappen Jahr große Schwierigkeiten bei der Koordination ihrer verschiedenen Waffengattungen. Es ist unklar, ob russische Truppen inzwischen zu solchen komplexen Gefechtsführungen in der Lage sind. Sollte der ukrainischen Armee eine solche Kombination ihrer Kräfte gelingen, wäre das ein großer Vorteil auf dem Schlachtfeld.

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