Ukraine-Konflikt:Wo ist Olaf Scholz?

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Da ist er ja: Bundeskanzler Olaf Scholz, dessen Regierung sich im Ukraine-Konflikt bisher auf diplomatische Nebenschauplätze beschränkt. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Während Macron und Johnson fleißig mit Putin telefonieren, hält sich der Bundeskanzler bedeckt. Er werde "bald" nach Moskau reisen, sagt er im ZDF, einen genauen Termin nennt er nicht. Eine wichtigere Rolle im Konflikt zwischen Russland und Ukraine könnte nun ein anderes Land einnehmen.

Von Daniel Brössler, Berlin

Neulich im Bundestag musste sich Olaf Scholz einiges anhören. "Sie führen nicht, weder in Deutschland noch in Europa", hielt CDU-Chef Friedrich Merz dem Bundeskanzler von der SPD vor. Er und die Bundesregierung hätten in der Ukraine-Krise ein "Bild der Unzuverlässigkeit der Bundesrepublik Deutschland entstehen lassen". Scharfe Worte von einem, der sein Profil in der neuen Rolle an der Spitze der Opposition schärfen muss. Doch Mahnungen und Zweifel an deutscher Verlässlichkeit angesichts der Bedrohung aus Russland erreichten Berlin zuletzt aus allen Himmelsrichtungen. Manche fragen süffisant: Wo ist Scholz?

Zumindest in ein paar Tagen: auf Reisen. Scholz wird am Sonntag zu seinem Antrittsbesuch bei US-Präsident Joe Biden nach Washington aufbrechen. Hauptthema wird die Kriegsgefahr im Osten Europas sein. Am Mittwochabend sagte der Kanzler dann im "Heute-Journal" im ZDF, dass er "in Kürze" nach Moskau reisen werde, um den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu treffen. "Das ist geplant und wird auch bald stattfinden", sagte Scholz. Einen genauen Termin nannte er nicht. Erwartet wird zudem, dass er in zwei Wochen bei der Münchner Sicherheitskonferenz über das Verhältnis zu Russland sprechen wird.

Ukraine-Krise
:Scholz zum Antrittsbesuch bei Biden

Der Kanzler im Krisendiplomatie-Modus: Bei den Gesprächen mit dem US-Präsidenten steht die Ukraine-Krise im Mittelpunkt. Außenministerin Baerbock muss sich in der Ukraine rechtfertigen, weil Deutschland keine Waffen liefern will. Außerdem fordert Kiew Präventiv-Sanktionen gegen Russland.

In die hektische Telefondiplomatie dieser Tage scheint Scholz bisher allerdings weniger eingebunden zu sein. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte am Freitag bei Putin angerufen, der britische Premierminister Boris Johnson wollte es am Mittwoch tun. Im ZDF ließ Scholz offen, wann er zuletzt mit Putin telefonierte. "Natürlich habe ich auch mit dem russischen Präsidenten gesprochen", sagte er lediglich. Allerdings wird in der Bundesregierung auf enge Kontakte auf verschiedensten Ebenen verwiesen und vor allem auch auf die Bemühungen von Jens Plötner, dem außenpolitischen Berater von Scholz, das Normandie-Format wieder in Gang zu bekommen. Deutschland und Frankreich vermitteln in dem Quartett russisch-ukrainische Gespräche zur Umsetzung des Minsker Abkommens zur Befriedung des Donbass. Kommende Woche tagt Plötner in Berlin mit den Kollegen aus den drei anderen Ländern.

Zu kleinen Zugeständnissen sind Nato und USA offenbar bereit. Nur, was bietet Russland an?

Allerdings sind die Normandie-Gespräche eher ein diplomatischer Nebenschauplatz. Russland hat Antworten von den USA und auch von der Nato verlangt auf seine Forderungen nach Sicherheitsgarantien. Sie laufen darauf hinaus, dass die Ukraine und auch sonst niemand in Europa mehr Mitglied der Nato werden darf und die östlichen Nato-Staaten kaum noch unter einem effektiven Schutz des Bündnisses stünden. Die spanische Zeitung El País hat nun Dokumente veröffentlicht, die offenbar Einblick in die bislang unter Verschluss gehaltenen Antworten der Nato und der USA gewähren.

"Die Nato sucht keine Konfrontation", heißt es demnach in dem Papier der Allianz. Sie sei zu keinen Abstrichen bei Grundprinzipien bereit. Der Respekt vor der Freiheit der Bündniswahl und dem Recht, "über die eigene Zukunft und Außenpolitik frei ohne äußere Einmischung" zu entscheiden, stehe nicht zur Disposition. "Wir sind zutiefst überzeugt, dass Spannungen und Meinungsunterschiede durch Dialog und Diplomatie und nicht durch Drohungen und Gewaltanwendung gelöst werden müssen", ist da zu lesen. Aufgefordert wird Moskau zu Gesprächen über die Minimierung des Risikos militärischer Zwischenfälle sowie über Transparenz und Rüstungskontrolle.

(Foto: Ilona Burgarth)

Dabei macht die Nato Russland offenbar auch Angebote. In dem von El País veröffentlichten Positionspapier der USA werden die russischen Forderungen zwar zurückgewiesen. Allerdings sind die USA demnach bereit, eine dauerhafte Stationierung von Kampftruppen und bodengestützten Raketensystemen in der Ukraine auszuschließen, sollte auch Moskau entsprechende Verpflichtungen eingehen.

Um eine Rolle in der Ukraine-Diplomatie bemüht sich derweil auch die Türkei. Der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, und der Chefberater des türkischen Präsidenten, İbrahim Kalın, haben nach Angaben des US-Präsidialamts über das Engagement der Türkei in der Ukraine-Krise gesprochen, um "weitere russische Aggressionen gegen die Ukraine zu verhindern". Als Vermittler kommt das Land offenbar sowohl für Russland als auch die Ukraine infrage.

SPD-Chef Lars Klingbeil, dessen Partei jüngst für ihren nicht geschlossen kritischen Umgang mit Russland kritisiert worden ist, sieht auch Deutschland in der Pflicht. "Natürlich habe ich ein großes Interesse daran, dass Deutschland wieder auftritt in der Frage der Russland-Politik", sagte der per Video zugeschaltete Klingbeil am Mittwoch bei einer Wirtschaftsveranstaltung. Sollte Russland die Ukraine angreifen, müssten bei erwogenen Sanktionen alle Optionen auf dem Tisch liegen.

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