Trauerfeier für toten Palästinenser:18 Verletzte nach Gewalt in Jerusalem

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Verwandte und Freunde von Mohammed Abu Khder, 16, tragen den ermordeten Jungen zur Moschee in Ost-Jerusalem. Bei der Beerdigung kam es Gewalt und Verletzten. (Foto: AFP)

Tausende Menschen nehmen an dem Trauerzug für den ermordeten palästinensischen Jugendlichen teil. Trotz hoher Polizeipräsenz kommt es zu Krawallen, etwa 18 Menschen werden verletzt. Trotz Gerüchten über einen Waffenstillstand werden aus dem Gazastreifen Raketen nach Israel gefeuert.

  • Die Lage im Nahen Osten bleibt angespannt: In Jerusalem kommt es bei der Trauerfeier für einen ermordeten palästinensischen Jugendlichen zu Zusammenstößen
  • 18 Menschen werden bei dem Gewaltausbruch verletzt
  • Medienberichten zufolge verhandeln Israelis und Palästinenser über eine baldige Waffenruhe
  • Der gegenseitige Beschuss im Gazastreifen und im Süden Israels geht weiter

Unruhen in Jerusalem

Hunderte aufgebrachte Palästinenser haben sich bei der Trauerfeier für den in Jerusalem getöteten 16-jährigen Jungen gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert. Die Leiche wurde in eine Palästinenserflagge gehüllt durch Ost-Jerusalem getragen und der Tote als Märtyrer geehrt. An mehreren Orten der Stadt warfen Palästinenser Steine auf Polizisten. Diese schossen Tränengas und Blendgranaten in die Menge. Die israelische Zeitung Haaretz sowie der britische Guardian berichten von 18 verletzten Palästinensern.

Schon nach dem Freitagsgebet kam es in Jerusalem zu Zusammenstößen zwischen palästinensischen Jugendlichen und der israelischen Polizei. Dutzende versuchten Medienberichten zufolge, sich Zugang zu den Gebetsversammlungen auf dem Tempelberg in der Jerusalemer Altstadt zu verschaffen.

An dem Trauerzug durch die Straßen Jerusalems nehmen Tausende Menschen teilt. Die Leiche des 16-jährigen Mohammed Abu Chedair war am Mittwoch in einem Wald bei Jerusalem gefunden worden. Israelische Medien sprachen von möglicher Rache rechtsgerichteter Israelis für den gewaltsamen Tod der drei verschleppten jüdischen Jugendlichen. Auch ein krimineller Hintergrund wird jedoch nicht ausgeschlossen. Die Polizei hatte die Sicherheitsvorkehrungen verschärft und zusätzliche Einsatzkräften in Jerusalem bereitgestellt. Männern unter 50 Jahre wurde der Zugang zum Komplex der Al-Aksa-Moschee untersagt.

Die Trauerzeremonie wurde nach dem traditionellen Freitagsgebet angesetzt, nachdem die Familie eine Beisetzung in der Nacht abgelehnt hatte. Schon in den vergangenen Tagen war es in Jerusalem zu Ausschreitungen und Zusammenstößen zwischen palästinensischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen. Dabei wurden nach Angaben der Rettungskräfte vom Roten Halbmond mehr als 230 Menschen verletzt.

Gerüchte über mögliche Waffenruhe

Vorsichtige Anzeichen einer Deeskalation: Mehrere Medien berichten über eine angeblich bevorstehende Waffenruhe zwischen Hamas und Israel. Es sei ägyptischen Vermittlern gelungen, eine Feuerpause zu verhandeln, meldet die BBC. Die Hamas werde wohl in Kürze einen Waffenstillstand verkünden, berichtet der britische Fernsehsender und beruft sich dabei auf eine Quelle aus den Reihen der militanten Palästinenser. Auch die Times of Israel und die palästinensische Zeitung Al-Quds melden unter Berufung auf auf ägyptische und palästinensische Quellen, dass beide Seiten sich auf einen Stopp der gegenseitigen Angriffe geeinigt hätten.

SZ-Korrespondent Peter Münch schätzt die Situation so ein:

Die Gerüchte über eine Waffenruhe könnten durchaus einen harten Kern haben. Denn die Führungen auf beiden Seiten haben grundsätzlich zum jetzigen Zeitpunkt kein Interesse an einer Eskalation. Für Israel gibt es jenseits einer Bestrafungsaktion im Gazastreifen nichts zu gewinnen - im Gegenteil: Zum einen würde ein größerer Militäreinsatz am Ende nur die Hamas stärken, weil sich die palästinensische Bevölkerung wieder um jene scharen würde, die Israel die Stirn bieten. Zum anderen müsste die Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu damit rechnen, dass Raketen aus Gaza wie schon im vorigen Krieg Ende 2012 wieder bis nach Tel Aviv und Jerusalem fliegen und damit auch Israels Kernland zum Kriegsgebiet wird.

Auf Seiten der Hamas gibt es eine uneinheitliche Interessenlage: einerseits das Lager der Hardliner um die Kassam-Brigaden, die ihre Bereitschaft zum Kampf bekundet haben; andererseits die politische Führung, die sich zurückhaltender zeigt. Ein von Ägypten vermittelter Waffenstillstand würde bedeuten, dass sie immerhin von der Regierung in Kairo wieder als Verhandlungspartner anerkannt wird. Es wäre also ein diplomatischer Erfolg für die Hamas.

Auch wenn sich die Gerüchte zu verdichten scheinen, gibt es allerdings noch keine offizielle Bestätigung.

Israel beschießt den Gazastreifen

Den Gerüchten über eine mögliche Waffenruhe zum Trotz wird der gegenseitige Beschuss am Freitag fortgesetzt. Militante Palästinenser im Gazastreifen feuern weiter Raketen und Mörsergranaten Richtung Israel. Eine von vier Raketen wurde demnach vom Raketenabwehrsystem "Eiserne Kuppel" zerstört, mindestens zwei weitere seien auf freiem Feld gelandet.

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Israel reagierte darauf mit Artilleriebeschuss in Richtung Gazastreifen und flog widerholt Luftangriffe auf dortige Ziele. Die israelische Armee hatte am Donnerstag Bodentruppen an den Rand des Gazastreifens verlegt. Auch aus der Region Ramallah im Westjordanland werden Kämpfe gemeldet.

Armeesprecher Peter Lerner hatte jedoch betont, dass Israel "kein Interesse an einem Krieg" habe. Minister Juval Steinitz äußerte sich ähnlich: Eine Eskalation würde möglicherweise die internationalen Verhandlungen mit Iran über die Begrenzung seines Atomprogramms gefährden, sagte Steinitz, der als Vertrauter von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gilt.

Am Vorabend hatte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die radikalislamische Hamas allerdings auch vor einem weiteren Raketenbeschuss gewarnt. Bei einer Rede anlässlich eines Empfangs des US-Botschafters zum amerikanischen Nationalfeiertag erklärte Netanjahu, falls in der Region nicht wieder Ruhe einkehren werde, würden die an den Rand des Gazastreifens verlegten Bodentruppen energisch handeln. Generalstabschef Benny Gantz warnte: "Wir wünschen uns Ruhe, aber falls die Hamas sich zum Handeln gegen uns entschließt, sind wir bereit."

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© SZ.de/dpa/AFP/Reuters/hai/sebi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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