Nahostkonflikt:Israel schickt Bodentruppen in Richtung Gazastreifen

Nahostkonflikt: In Jerusalem ist es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen israelischer Polizei und palästinensischen Demonstranten gekommen

In Jerusalem ist es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen israelischer Polizei und palästinensischen Demonstranten gekommen

(Foto: AP)

Israels Außenminister Lieberman hat nach dem Mord an drei Jugendlichen eine breite Militäroffensive angekündigt - jetzt könnte sie kommen: "Wir bewegen Truppen", bestätigt die Armee.

  • Israels Armee schickt Bodentruppen in Richtung Gazastreifen, nachdem die Luftwaffe bereits Angriffe als Reaktion auf den Raketenbeschuss geflogen hat.
  • Die Ermordung dreier heranwachsender Israelis und eines Palästinenserjungen gefährdet den fragilen Nahost-Friedensprozess: Demonstranten beider Lager randalieren in Jerusalem.
  • UN und EU äußern Besorgnis und warnen vor Blutvergießen.

Israelische Armee bewegt zusätzliche Bodentruppen gen Gaza

Die mutmaßliche Vergeltungsaktion für den Mord an drei israelischen Jugendlichen heizt die angespannte Lage im Nahen Osten weiter an: Israel entsendet zusätzliche Bodentruppen in Richtung Gazastreifen. "Wir bewegen Truppen", sagt Armeesprecher Peter Lerner. Der Oberstleutnant erläuterte bei einer Pressekonferenz, es handele sich um die Einberufung von Reserveoffizieren für die örtlichen Kommandostellen und nicht um operative Kräfte. "Wir haben kein Interesse an einer Eskalation", versicherte er.

"Wir verstärken derzeit unsere Kräfte, um auf alle möglichen Entwicklungen vorbereitet zu sein", sagte Lerner. Denn die Zahl der Raketenangriffe habe deutlich zugenommen. Und ein Teil dieser Raketen sei von der radikalislamischen Hamas selbst abgeschossen worden, die das isolierte Palästinensergebiet militärisch beherrscht. Die meisten der Geschosse kamen demnach wie schon in den letzten Monaten von rivalisierenden islamistischen Gruppen, ohne dass die Hamas dagegen einschritt. "Eine mögliche Deeskalation hängt von der Hamas ab, die ihre Lage richtig einschätzen muss", sagte Lerner und ergänzte, diese zahle derzeit im Westjordanland einen hohen Preis für die Entführung und Ermordung von drei israelischen Jugendlichen und sei auch in Gaza unter hohem Druck.

Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman hat nach dem Mord an drei jüdischen Jugendlichen eine breite Militäroffensive im Gazastreifen gefordert. Andere Minister warnen jedoch vor einem solchen Einsatz. In der Nacht tagte zum dritten Mal in dieser Woche das israelische Sicherheitskabinett. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte harte Schritte gegen die Hamas angekündigt.

Israelische Kampfflugzeuge greifen Ziele im Gazastreifen an

Israel fliegt außerdem Luftangriffe gegen die Hamas im Gazastreifen. Nach Angaben der israelischen Streitkräfte sind 15 Hamas-Ziele angegriffen worden. Israel will den Angriff als Reaktion auf den Beschuss des eigenen Landes verstanden wissen. Man habe demnach Raketenabschusseinrichtungen und Waffenlager der Hamas attackiert.

Palästinensische Augenzeugen berichten von heftigen Explosionen und sprechen von mehr als zehn Luftangriffen. Etwa zehn Verletzte seien in Krankenhäuser gebracht und es seien Gebäude beschädigt worden. Durch die vorhergehenden Angriffe der Hamas wurden nach israelischen Medienangaben in Sderot ein Haus und mehrere Autos getroffen, der Strom sei teilweise ausgefallen.

Krawalle in Ostjerusalem

Am Mittwochabend bewarfen Hunderte aufgebrachte jugendliche Palästinenser die israelische Polizei nach Augenzeugenberichten mit Steinen und Feuerwerkskörpern. Zwei Gebäude und Autoreifen wurden in Brand gesetzt. Die Einsatzkräfte setzten ihrerseits Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschosse ein. Den gesamten Tag über war es bereits zu Ausschreitungen gekommen.

Auslöser der Proteste: Jugendlicher tot aufgefunden

Grund für die jüngsten Krawalle in Ostjerusalem war der Tod eines 16-jährigen Palästinensers namens Mohammed Abu Chedair, dessen Leiche am Mittwoch in einem Wald bei Jerusalem gefunden worden war. Nach palästinensischen Angaben sei der Jugendliche in der Nacht auf Mittwoch vor seinem Haus im Viertel Schoafat in Ostjerusalem entführt worden. Laut BBC wurde die für diesen Donnerstag geplante Beerdigung des Jungen verschoben, um die Autopsie noch abzuschließen. Sein Vater hoffe dennoch, dass das Begräbnis noch am Donnerstag stattfinden kann. Medienberichten zufolge wächst die Sorge vor neuen Ausschreitungen.

Israelische Medien sprachen von möglicher Rache rechtsgerichteter Israelis: Das Verbrechen ereignete sich einen Tag nach der Beerdigung von drei jüdischen Religionsschülern, die ihrerseits im Westjordanland verschleppt und ermordet worden waren. Familienangehörige der drei Jungen verurteilten die mögliche Vergeltungstat zutiefst. Der Onkel eines der ermordeten Teenager, Yishai Frankel, sagte CNN zufolge: "Jede Art des Racheaktes ist absolut unangemessen und falsch. Mord ist Mord".

Nach dem Fund der Leichen der drei entführten israelischen Jugendlichen setzt Israel die Suche nach ihren Mördern fort. Wie die israelische Tageszeitung Haaretz und die Nachrichtenagentur Reuters übereinstimmend berichten, nahm die Armee in der Nacht zum Donnerstag 13 Menschen fest. Außerdem wurden zwei der radikalislamischen Hamas nahestehende Organisationen durchsucht.

Umstrittene Internetkampagne

Tausende Menschen haben in einer umstrittenen Internetkampagne den Ruf nach Vergeltung für den Mord an den israelischen Jugendlichen unterstützt. Die Facebook-Seite "Das Volk Israel fordert Rache" hatten nach Medienberichten bis zum Mittwochnachmittag rund 35 000 Menschen "gefällt mir" angeklickt. Mittlerweile ist die Seite nicht mehr zu erreichen.

Internationale Besorgnis

Die Europäische Union äußerte sich "extrem besorgt über die jüngsten Entwicklungen, die das Risiko einer Eskalation erhöhen". Die Behörde der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton verurteilte die Ermordung des palästinensischen Jugendlichen und forderte, "die Verantwortlichen hinter dieser Tat müssen zur Rechenschaft gezogen werden". US-Außenminister John Kerry führte ein Krisentelefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und rief beide Seiten dazu auf, "besonnen" zu reagieren und die Täter vor Gericht zu bringen.

Die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay kritisierte beide Seiten für die Eskalation der Gewalt scharf. "Aus Sicht der Menschenrechte verurteile ich ganz und gar diese Raketenangriffe (vom Gazastreifen aus) und ganz besonders verurteile ich Israels exzessive Vergeltungsaktionen", sagte Pillay in Wien. Sie sei über die Ereignisse in der Region extrem besorgt.

Pillay verurteilte auch die Entführung und Tötung des palästinensischen Jugendlichen, nachdem die Leichen dreier ermordeter jüdischer Religionsschüler gefunden worden waren. Dieses Ausmaß von Rache sei überzogen. Eine solche Entwicklung sei nur möglich, wenn sich Regierungen nicht an die Gesetze hielten und selbst exzessiv Vergeltung übten, kritisierte sie.

Linktipps:

  • Die Ereignisse vom Vortag finden Sie hier.
  • SZ.de-Autorin Hannah Beitzer erklärt, was die Ermordung der drei israelischen Jugendlichen für den Nahostkonflikt bedeutet.
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