Truppenbewegung in Israel:Letzte Warnung an die Hamas

Lesezeit: 2 min

Die Spirale der Gewalt dreht sich weiter: Haus in Sderot, das aus dem Gazastreifen beschossen wurde. (Foto: Jack Guez/AFP)

Nach Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen hat Israel zusätzliche Truppen in den Süden des Landes verlegt. Die Stimmung ist nach der Gewalt der vergangenen Wochen auf beiden Seiten aufgeheizt. Daraus könnte sich eine verhängnisvolle Dynamik entwickeln.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Rund um den Gazastreifen wächst die Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung. Verschärft wurde die Lage am Donnerstag durch anhaltenden Raketenbeschuss aus dem Palästinensergebiet, an dem sich nach Einschätzung israelischer Sicherheitskräfte erstmals seit Ende 2012 wieder direkt die Hamas beteiligte. Als Reaktion darauf verlegte Israel zusätzliche Truppen in den Süden und schickte eine Art letzter Warnung an die Hamas-Führung in Gaza. "Wir sind an einer Deeskalation interessiert", sagte Israels Armeesprecher Peter Lerner, "aber wir bereiten uns zugleich auf eine Verschärfung vor."

Binnen 24 Stunden seien mehr als 30 Raketen aus dem Gazastreifen in Israel eingeschlagen, sagte der Armeesprecher in einer eilig einberufenen Telefonkonferenz mit ausländischen Korrespondenten. Dies sei eine "enorme Herausforderung". Dass nun auch die Hamas in den bislang allein von kleineren radikalen Gruppen provozierten Schlagabtausch eingegriffen habe, werde durch Geheimdienst-Informationen ebenso bestätigt wie durch die Art der nun eingesetzten Raketen, die präziser seien und eine größere Reichweite hätten als die vorher eingesetzten Geschosse und Flugkörper. Offenbar bewerte die Hamas die Entführung und Ermordung dreier israelischer Jugendlicher als Misserfolg und habe nun "das Gefühl, etwas tun zu müssen", mutmaßte Lerner.

Anspannung an mehreren Fronten zugleich

Er betonte zugleich, dass Israel "kein Interesse an einem Krieg" habe. Die ins Grenzgebiet verlegten Soldaten, deren Zahl er nicht nennen wollte, sollten nur "die Gemeinden im Süden verteidigen" und keine Gaza-Offensive vorbereiten. Wie schnell die Situation eskalieren könnte, zeigte allerdings ein Vorfall vom Donnerstagmorgen, als eine Rakete direkt in ein Haus in Sderot einschlug, in dem gerade ein Sommercamp für Kinder abgehalten wird. Die Kassam explodierte nicht, sodass es keine Opfer gab. Als Vergeltung für den Raketenbeschuss flog Israels Luftwaffe heftige Angriffe auf Hamas-Ziele im Gazastreifen. Nach palästinensischen Angaben wurden dabei mindestens elf Menschen verletzt.

Enorme Anspannung herrscht obendrein auch noch an anderen Fronten. Nach der mutmaßlich von jüdischen Extremisten als Racheakt ausgeführten Ermordung eines jungen Palästinensers blieb es zwar am Donnerstag in Ost-Jerusalem zunächst ruhig, anders als am Tag zuvor. Doch nach dem ersten Freitagsgebet im Fastenmonat Ramadan werden weitere Ausschreitungen befürchtet. "Das hat das Potenzial für neue Gewalt", sagte der Armeesprecher.

Die Hamas hat es in der Hand, die Ruhe wiederherzustellen. So sieht es Israel

Die Gewalt der vergangenen Wochen hat die Stimmung auf beiden Seiten aufgeheizt. In Israel formierte sich eine Facebook-Gruppe unter dem Namen "Das israelische Volk fordert Rache", auf der rassistische Fotos und Kommentare veröffentlicht wurden. Der Zeitung Haaretz zufolge wurde auf der Seite bereits mehr als 35 000 Mal der "Gefällt mir"-Button angeklickt. Auch Soldaten mit Uniform und Waffen verbreiten dort per Fotos Hassparolen.

Der Konflikt bekommt so eine verhängnisvolle Eigendynamik, ohne dass die politische Führung bislang mit klaren Signalen gegensteuert. Das israelische Sicherheitskabinett ist in den vergangenen Tagen bereits drei Mal zusammengekommen, ohne dass Entscheidungen bekannt wurden.

Aus israelischer Sicht hat es nun die Hamas in der Hand, durch ein Ende des Raketenbeschusses die Ruhe wiederherzustellen. Der Aufruf dazu sei der Führung in Gaza jetzt "auf verschiedenen Kanälen" zugestellt worden, erklärte der Armeesprecher, ohne Details zu nennen. "Wir hoffen, dass sie auf unser Angebot zur Deeskalation eingehen", sagte Lerner, "in ein paar Stunden werden wir sehen, ob die Botschaft angekommen ist."

© SZ vom 04.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: