Russische Spionage bei der Bundeswehr:Pistorius: "Anwendungsfehler" machte Abhöraktion möglich

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Auf die russische Spionage bei der Bundeswehr werden erst einmal keine Konsequenzen folgen, sagt Verteidigungsminister Boris Pistorius. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Das Gespräch hochrangiger Bundeswehr-Offiziere konnte dem Verteidigungsminister zufolge abgehört werden, weil einer der Teilnehmer sich nicht an das sichere Verfahren gehalten habe. Grundsätzlich seien die Kommunikationssysteme sicher.

Ein "individueller Anwendungsfehler" hat laut internen Ermittlungen die russische Abhöraktion bei der Bundeswehr möglich gemacht. So stellt es Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vor Pressevertretern dar. Die Kommunikationssysteme seien bei richtiger Anwendung "grundsätzlich sicher".

Am Freitag hatte Russland eine mitgeschnittene Konferenz von vier hohen Offizieren, darunter Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz, veröffentlicht. Darin erörterten sie Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus, falls dieser doch noch an die Ukraine geliefert würde.

Der Mitschnitt russischer Geheimdienste habe entstehen können, weil sich einer der Teilnehmer an dem Gespräch hochrangiger Bundeswehr-Offiziere von Singapur aus nicht an das sichere Verfahren gehalten habe, sagt Pistorius. Bereits am Wochenende hieß es, Brigadegeneral Frank Gräfe hätte sich mit dem Handy zugeschaltet und so, unwissentlich, Spionage ermöglicht. Dieser Verdacht scheint sich nun bestätigt zu haben.

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Pistorius geht nach eigenen Angaben davon aus, dass das Treffen in Singapur ein "gefundenes Fressen" für die russischen Geheimdienste war. In dem Land fand eine internationale Flugschau statt. Personelle Konsequenzen würden erst einmal nicht folgen. Man wolle besonnen reagieren und den Fall weiter prüfen. Dazu seien disziplinarische Vorermittlungen eingeleitet worden. Das Vertrauen in Deutschland als Nato-Partner sieht der Verteidigungsminister nicht beschädigt. Er habe in Gesprächen mit Verbündeten keine Verärgerung wahrgenommen.

Putin nicht "auf den Leim gehen"

Russlands Propaganda interpretiert den Mitschnitt so, dass die Bundeswehrangehörigen darin offen über einen Taurus-Einsatz und die Zerstörung der Krimbrücke diskutieren würden. In dem Mitschnitt ist aber klar zu hören, dass es auf politischer Ebene kein grünes Licht für die Lieferung der von Kiew geforderten Marschflugkörper gibt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sein Nein damit begründet, dass Deutschland dann in den Krieg hineingezogen werden könnte. Taurus hat eine Reichweite von 500 Kilometern und kann damit von der Ukraine aus auch Ziele in Moskau treffen.

Pistorius hatte bereits am Wochenende eine Aufklärung des Spionagefalls angekündigt, aber auch davor gewarnt, Putin "auf den Leim zu gehen". Es gehe darum, "unsere Innenpolitik auseinanderzutreiben". Voraussichtlich am kommenden Montag wird sich der Verteidigungsausschuss des Bundestages in einer Sondersitzung mit der Abhöraffäre beschäftigen.

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