Großbritannien:Rishi Sunak will nicht mehr grün sein

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Mehr Öl und Gas für ein unabhängigeres Großbritannien: Premier Rishi Sunak besucht eine Gasanlage von Shell im schottischen Aberdeenshire. (Foto: Euan Duff/Getty Images)

Der britische Premier vergibt mehr als 100 neue Lizenzen, um Öl und Gas in der Nordsee zu fördern. Auch sonst geht er auf Konfrontationskurs zu Umweltschützern. Er erhofft sich damit mehr Zustimmung in der Wählerschaft.

Von Alexander Mühlauer, London

Auf die Frage im BBC-Morgenradio, wie er denn an diesem Montag nach Schottland reisen werde, reagierte Rishi Sunak ein wenig gereizt. "Ich werde wie gewohnt fliegen", sagte er kleinlaut. Und dann sagte er noch: "Jeder Premierminister vor mir hat auch Flugzeuge benutzt, um im Vereinigten Königreich herumzureisen, weil es für die Person, die das Land regiert, eine effiziente Form der Zeitnutzung ist." Wer im Übrigen glaube, die Antwort auf den Klimawandel bestehe darin, den Menschen alles zu verbieten, dem könne er nur sagen: "Das ist der absolut falsche Ansatz."

Nach dieser kurzen Grundsatzrede am frühen Morgen nahm Sunak also nicht die Bahn, sondern das Flugzeug nach Schottland. In Aberdeenshire angekommen, machte Sunak dort weiter, wo er im Morgenradio aufgehört hatte: Er setzte sich über die massive Kritik von Umweltschützern hinweg und kündigte an, dass die britische Regierung mehr als 100 neue Lizenzen zur Öl- und Gasförderung in der Nordsee vergeben werde.

Lieber gegen "feindliche Staaten" als gegen den Klimawandel

Mit der Erschließung heimischer Vorkommen will London die Energieversorgung unabhängiger von ausländischen Staaten machen. Oder wie Sunak sagte: "Wir wollen nicht von Diktatoren abhängig sein, wenn es um unsere Energie geht." Der russische Präsident Wladimir Putin habe Energie zur Waffe gemacht, es sei deshalb wichtiger denn je, die eigene Energiesicherheit zu stärken.

Den Vorwurf, die Regierung unterlaufe mit dem Vorhaben in der Nordsee die selbst gesetzten Klimaziele, wies Sunak zurück. Er werde daran festhalten, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf null zu reduzieren. Aber selbst dann müsse noch ein Viertel des Energiebedarfs von Öl und Gas gedeckt werden, sagte der Premier. Es sei deshalb besser, selbst vorzusorgen, anstatt sich Energie von "feindlichen Staaten" liefern zu lassen. Die ersten der neuen Förderlizenzen sollen im Herbst zugeteilt werden.

Mit dem Ziel, die Energieproduktion in der Nordsee zu maximieren, gehen Sunaks Tories auf Konfrontationskurs zu Labour. Die größte britische Oppositionspartei hat sich vor allem aus Umweltschutzgründen gegen die Vergabe neuer Förderlizenzen ausgesprochen. Im Fall eines Sieges bei der kommenden Unterhaus-Wahl will Labour alle Lizenzen zur Öl- und Gasförderung, die noch nicht endgültig erteilt wurden, widerrufen.

Stimmungsmache gegen die Umweltpolitik von Labour

In den Meinungsumfragen liegt Labour derzeit 20 Prozent vor den Tories. Dieser Abstand ist nach Ansicht von Politikbeobachtern in Westminster der Hauptgrund für die Ankündigung in Schottland. Sunak scheint davon überzeugt zu sein, dass er mit einer klaren Abgrenzung in der Klima- und Energiepolitik gegenüber Labour an Zustimmung gewinnen kann. Als Beispiel dafür, wie das gelingen kann, wird in der Konservativen Partei immer wieder ein Schlagwort genannt: Uxbridge. Dort, im Westen Londons, hatten die Tories erst kürzlich völlig überraschend die Nachwahl für einen Unterhaussitz gewonnen. Und das lag daran, weil der Tory-Kandidat in Uxbridge nur ein Wahlkampfthema hatte: die sogenannte ULEZ.

Die vier Buchstaben stehen für Ultra Low Emission Zone, eine Zone im Großraum London, in der Autofahrer eine tägliche Gebühr von 12,50 Pfund zahlen müssen, wenn sie mit einem Fahrzeug unterwegs sind, das nicht bestimmten Abgaskriterien entspricht. Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan von der Labour Party will die Zone ausweiten, um die Luftqualität zu verbessern. Und so soll bald auch Uxbridge im Westen der Hauptstadt Teil der ULEZ werden. Dagegen machte der Tory-Kandidat für die Nachwahl Stimmung - und gewann.

Die ULEZ ist in der britischen Politik gerade allgegenwärtig, und so war es kein Wunder, dass Sunak auch in Schottland etwas dazu sagte. Es sei, so der Premier, nicht richtig, dass Familien in Zeiten hoher Inflation bei jedem Besuch im Supermarkt 12,50 Pfund zusätzlich bezahlen müssten. Von der ULEZ aber mal abgesehen, bleibe es beim geplanten Verkaufsverbot neuer Benziner und Diesel-Autos von 2030 an. Bei Umweltschützern, die bereits daran gezweifelt hatten, sorgte das immerhin für etwas Erleichterung.

Emissionen ausstoßen ist günstiger geworden

Das war es dann aber auch schon an diesem Montag, denn der Premier kündigte in Schottland neben den Förderlizenzen für Öl und Gas noch ein anderes umstrittenes Vorhaben an. Vor der schottischen Küste sollen künftig Emissionen aus dem ganzen Land in unterirdische Speicher eingelagert werden. Die umstrittene Speicherung von klimaschädlichem Kohlendioxid spielt eine große Rolle bei den britischen Plänen, bis 2050 klimaneutral zu werden. Kritiker plädieren dafür, stärker auf das Einsparen von Emissionen zu setzen.

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Doch daran scheint Sunak das Interesse verloren zu haben, zumindest zum Teil. Erst kürzlich hat seine Regierung das System des Emissionshandels so geändert, dass es für Unternehmen in Großbritannien günstiger geworden ist, die Umwelt zu verschmutzen. Die Regierung erhofft sich damit mehr Investitionen - und einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der EU. Anders gesagt: eine Art Brexit-Benefit.

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