Krank zu werden, ist in Südkorea gerade besonders ungünstig. Denn viele Ärztinnen und Ärzte sind sauer auf die Regierung und planen deshalb, nicht zu arbeiten. Vergangene Woche demonstrierten sie zu Hunderten vor dem Amtssitz des konservativen Präsidenten Yoon Suk-yeol in Seoul, für diese Woche drohen sie mit Streiks. Dazu wollen die auszubildenden Nachwuchsmediziner der fünf großen Allgemeinkrankenhäuser in der Hauptstadt an diesem Montag aus Protest massenhaft ihre Jobs kündigen. Die Regierung scheint etwas Schreckliches zu planen. Aber ist es wirklich so schrecklich, die Zahl der Medizinstudienplätze erhöhen zu wollen?
Wenn Koreaner streiten, wird es nicht selten laut und unergiebig. Viele schreien, hören einander nicht zu, und am Ende ändert sich wenig bis nichts. Der Konflikt zwischen Ärzten und Staat ist dafür ein gutes Beispiel - und ein rätselhaftes. Denn dass Südkorea sein Gesundheitswesen fit für die Zukunft machen muss, ist Tatsache.
Südkoreas Gesellschaft altert so schnell wie keine andere. Ihre Geburtenrate, also die Zahl der Kinder, die eine Frau im Durchschnitt zur Welt bringt, lag 2022 bei 0,78 - Minus-Weltrekord. Selbst das überalterte Japan steht bei 1,26, Deutschland bei 1,46. Demografen sagen, dass Südkorea schon 2025 eine "superalte Gesellschaft" wird mit 20 Prozent der Bevölkerung im Alter von 65 und älter. Bis 2035 dürfte der Anteil auf 30 Prozent steigen. Das verändert den Bedarf an medizinischer Betreuung.
Aber laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kommen in Südkorea schon jetzt nur 2,6 Ärzte auf 1000 Menschen - der Durchschnitt der 38 OECD-Staaten liegt bei 3,7.
Lieber Schönheitschirurgie als Kinderheilkunde
Und der Ärztemangel wird noch dadurch verstärkt, dass viele Studierende lieber lukrative Fachgebiete wie die Schönheitschirurgie anstreben statt Notfallmedizin oder Kinderheilkunde. Deshalb will die Regierung mehr Medizinstudienplätze. Seit 2006 ist deren Zahl bei 3058 gedeckelt. Von 2025 an soll es 2000 mehr geben. Für Präsident Yoon ist das eine "Aufgabe der Zeit, die nicht länger warten kann".
Aber der Mediziner-Verband KMA und andere Lobbygruppen finden, dass Korea genug Ärzte hat. Die Ärzteschaft fürchte sogar, dass ein medizinisches Überangebot die zentrale gesetzliche Krankenversicherung und die staatliche Gesundheitsförderung überfordern könnte, schreibt die Fachzeitung Korea Biomedical Review. Außerdem frage man sich, wer die ganzen zusätzlichen Studenten ausbilden soll.
Die Ärzte plädieren für eine klügere Arbeitsteilung zwischen Hauptstadt-Krankenhäusern und lokalen Kliniken. Aber das sagt sich so leicht, wenn von Südkoreas 52 Millionen Menschen 26 Millionen im Großraum Seoul leben und das Hinterland ausstirbt. Der Konflikt ist kompliziert. Trotzdem scheint jede Seite vor allem ihre Lösung zu sehen. Am Freitag sagte Vize-Gesundheitsminister Park Min-soo, "unbeirrt" werde die Regierung ihre Reform durchziehen und Arbeitsniederlegungen mit Strenge ahnden. Am Samstag drohte der Ärzte-Verband KMA mit "unerträglichen" Schritten und einem "unbefristeten Streik". Es ist gerade wirklich keine gute Zeit, um krank zu sein in Südkorea.