Sprachenstreit in der EU:Europa sagt "No" zu Pedro Sánchez

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Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez hatte in Brüssel schon Unmut hervorgerufen, als er die Parlamentswahlen von Dezember auf Juli 2023 vorzog. (Foto: Gustavo Valiente/DPA)

Der spanische Regierungschef will, dass die EU ihm zur Wiederwahl verhilft - indem sie Forderungen der Separatisten erfüllt. Katalanisch, Baskisch, Galicisch als EU-Amtssprachen? So schnell geht das nicht.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Der Ratsvorsitz in der Europäischen Union wird turnusmäßig alle sechs Monate einem anderen Land übertragen und ist mit großer Verantwortung verbunden. Die Regierung, die ihn innehat, muss dafür sorgen, dass im Rat der 27 Mitgliedsländer im laufenden Betrieb Kompromisse gefunden werden, kurz: dass der Laden läuft. Als "ehrlicher und neutraler Vermittler" soll die jeweilige Regierung auftreten, so steht es in den Regularien der EU. An diesem Anspruch gemessen ist der Auftritt der spanischen Regierung, die den Vorsitz am 1. Juli übernommen hat, derzeit geprägt von verblüffender Dreistigkeit.

Außenminister José Manuel Albares hielt am Dienstag vor Beginn des Rates für Allgemeine Angelegenheit in Brüssel einen ausführlichen Vortrag darüber, warum die spanischen Regionalsprachen Katalanisch, Galicisch und Baskisch von der EU als offizielle Amtssprachen anerkannt werden sollten. Es müsse jetzt sofort darüber abgestimmt werden, forderte er kategorisch. Der spanische Minister klang, als gebe es nichts Wichtigeres an diesem Tag, dabei beriet man unter seiner Leitung auch über ein deutsch-französisches Papier zur Erweiterung der EU.

Glaubte der Sozialist ernsthaft, die EU auf die Schnelle überzeugen zu können?

Erwartungsgemäß fand der spanische Antrag nicht die erforderliche einstimmige Zustimmung. Das Thema wird an eine Arbeitsgruppe delegiert. Ob der sozialistische Minister ernsthaft daran glaubte, den Rest der EU auf die Schnelle überzeugen zu können? Sein Auftritt war wohl nicht zuletzt für die heimische Bühne gedacht: Wir, die Sozialisten, geben wirklich unser Bestes für die Regionen. Denn bei allen guten Argumenten für sprachliche Vielfalt dient die Initiative nur einem Zweck: Die EU soll dem spanischen Regierungschef Pedro Sánchez zur Wiederwahl im neuen Parlament verhelfen.

Sánchez braucht nach den Wahlen im Juli die Unterstützung der Partei des katalanischen Separatistenführers Carles Puigdemont, um eine neue Regierung bilden zu können. Puigdemont lebt derzeit in der Nähe von Brüssel, um der spanischen Justiz zu entgehen, die ihn wegen des illegalen Unabhängigkeitsreferendums 2017 verfolgt. Er verlangt von Sánchez als Bedingung für seine Unterstützung eine Generalamnestie für alle Separatisten, aber Teil des Deals ist auch die Anerkennung des Katalanischen als EU-Sprache.

Sánchez hatte in Brüssel schon Unmut hervorgerufen, als er die Parlamentswahlen von Dezember auf Juli 2023 vorzog. Die EU hat im zweiten Halbjahr 2023 noch viele große Gesetze zu verabschieden, ehe die Vorbereitungen auf die Europawahlen beginnen, und bräuchte deshalb eine handlungsfähige Regierung als Ratsvorsitz. Davon kann keine Rede mehr sein. Nun hat Sánchez auch noch seine Regierungsbildung der EU aufgebürdet.

Die meisten EU-Regierungen wollen Sánchez nicht brüskieren, gesucht wird jetzt ein Kompromiss. Anders Adlercreutz, der für Europafragen zuständige finnische Minister, wandte sich am Dienstag sogar auf Katalanisch an die im Ratsgebäude versammelten Medienleute aus Spanien. Er warb um Verständnis dafür, dass man Zeit brauche, um die rechtlichen und finanziellen Auswirkungen zu analysieren. Ähnlich äußerte sich die deutsche Staatssekretärin Anna Lührmann.

Zuletzt wurde 2022 das Irische als Amtssprache aufgenommen

24 Amtssprachen hat die Europäische Union derzeit, als letzte wurde am 1. Januar 2022 das Irische aufgenommen. Es war allerdings ein langer Weg. Als Irland 1973 der EU beitrat, erlangte Irisch den Rang einer sogenannten Vertragssprache, es wurden also nur die Europäischen Verträge übersetzt. Als EU-Arbeitssprache in einigen Politikfeldern wurde Irisch 2007 anerkannt, bis zum vollen Status der Amtssprache dauerte es noch einmal 15 Jahre.

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Wenn die EU nun Auswirkungen dreier weiterer Amtssprachen prüft, wird es auch darum gehen, wie viele Millionen Euro es kosten würde, zusätzliches Personal einzustellen, das alle Konferenzen in Katalanisch, Galicisch und Baskisch dolmetscht und alle Dokumente übersetzt. Allein die Kommission zahlt nach eigenen Angaben für ihren Übersetzungsdienst jährlich 300 Millionen Euro. Hinzu kommen bei vielen Regierungen die Bedenken, eine derartiges Zugeständnis an Spanien könnte in anderen Regionen der EU ähnliche Begehrlichkeiten wecken.

Die spanische Regierung bot an, die zusätzlichen Kosten für Übersetzungen selbst zu tragen. Sie rechtfertigte ihr Anliegen damit, dass die drei Regionalsprachen nun auch offiziell im nationalen Parlament verwendet werden können. Und Katalanisch werde immerhin von zehn Millionen Menschen gesprochen, das seien mehr, als in den drei baltischen Staaten zusammengerechnet leben. Minister Albares kündigte nach der Sitzung am Dienstag an, er werde nicht aufgeben in seinem Kampf. Aber um den anderen EU-Staaten entgegenzukommen, sollen nicht mehr alle drei Sprachen gleiche Priorität haben. Katalanisch solle Vorrang haben in den kommenden Verhandlungen.

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