Kurz vor der Wahl zum EU-Kommissionspräsidenten hat CSU-Chef Markus Söder die SPD eindringlich davor gewarnt, der deutschen Kandidatin ihre Zustimmung zu verweigern. Sollten die Sozialdemokraten es am Dienstag im Europäischen Parlament ablehnen, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) an die Spitze der EU-Kommission zu wählen, wäre dies eine schwere Belastung für die Bundesregierung, sagte Söder am Samstag bei einem CSU-Bezirksparteitag in der Oberpfalz. Dass deutsche SPD-Politiker in Brüssel nun auch noch Papiere mit angeblichen Verfehlungen von der Leyens verteilten, sei schwer zu ertragen, kritisierte Söder: "Langsam reicht es mit diesem Verhalten der SPD, langsam reicht's."
Es könne nicht sein, dass sämtliche EU-Regierungschefs eine deutsche Kandidatin vorschlügen und ausgerechnet Deutschland ausschere, weil die SPD sich verweigere. Dies sei ein Schaden für das Land. "Die deutsche Sozialdemokratie ist an einem Punkt angekommen, wo es immer schwerer fällt, Mitleidsgefühle zu finden", sagte Söder. Für die Berliner Koalition aus CDU, CSU und SPD forderte Söder "dringend und zwingend eine geistige Neuausrichtung". Die Union habe der SPD Zeit zugestanden, ihre Personalfragen zu klären. Nur das Abarbeiten alter Ideen reiche jedoch nicht mehr für eine erfolgreiche Regierungsarbeit. "Wir bewegen uns im deutschen Biedermeier", sagte der bayerische Ministerpräsident.
Massive Kritik übte Söder auch am französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, weil dieser - flankiert vom ungarischen Premierminister Viktor Orbán - den CSU-Spitzenkandidaten Manfred Weber als Chef der EU-Kommission verhindert habe. "Es gab nur ein Ziel: zerstören." Das Argument der mangelnden Regierungserfahrung Webers sei mit Blick auf Macrons Vita bemerkenswert, lästerte Söder. Macron habe "auch keine 70 Jahre Erfahrung" gehabt. Vor seiner Wahl zum französischen Staatspräsidenten war Macron eineinhalb Jahre Wirtschaftsminister gewesen. Auch der Vorwurf, Weber spreche nicht Französisch, sei absurd: "Wir wählen keine Dolmetscher, wir wählen Politiker." Dass Weber am Ende bereit gewesen sei, persönliche Interessen zurückzustellen, zeige seinen Charakter und weise ihn als "Staatsmann" aus.
Zurückhaltend äußerte sich Söder zum Vorschlag der Wirtschaftsweisen, beim Klimaschutz übergangsweise eine CO2-Steuer einzuführen. Es gebe bei diesem Thema "keine einseitige Lösung", auch der Rat der Wirtschaftsweisen lasse "verschiedene Instrumente offen", sagte der CSU-Chef. Ohne eine Veränderung der Pendlerpauschale werde es für seine Partei keine Reform geben; Menschen in ländlichen Regionen dürften nicht benachteiligt werden. Es brauche einen Mix aus mehreren Maßnahmen, fordert Söder: von einer Entlastung der Kfz-Steuer bis zur Fortentwicklung neuer Technologien wie "Power to Gas", synthetischer Kraftstoffe sowie Wasserstoffantrieben und Batterieforschung. Man müsse das Thema Klimaschutz auch für konjunkturschwächere Zeiten angehen. "Wir brauchen eine Innovationsoffensive." Ende August treffen sich CDU und CSU in Dresden zu einer gemeinsamen Klimaklausur, bis zum Herbst wolle man ein Konzept vorlegen.
Nach dem Scheitern der PKW-Maut in Deutschland sprach sich Söder für eine europäische Lösung aus. Entweder gebe es "eine vernünftige Maut für alle in Europa - oder für keinen". Das "Duodezfürstentum" müsse in dieser Frage endlich abgeschafft werden. Die PKW-Maut für Ausländer gehörte für die CSU zu den wichtigsten Themen im Wahlkampf 2013 und zählte jahrelang zu den Prestigeprojekten, ehe der Europäische Gerichtshof sie Ende Juni kippte. Es sei zwar "seltsam", dass alle politischen Ebenen zustimmten und ein Gericht die Entscheidung dann verwerfe, sagte Söder. Er räumte aber ein: "Es lag von Anfang an kein Segen darauf." Eine klare Absage erteilte Söder erneut einem deutschen Zentralabitur, wie es zuletzt etwa die baden-württembergische Bildungsministerin Susanne Eisenmann (CDU) gefordert hatte. Er könne nicht erkennen, warum dies der bessere Weg sei.