Schweden und der Islam:"Ein Komplott, um Gräben zwischen Christen und Muslimen zu schaffen"

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Mit ihrem heiligen Buch in der Hand protestieren Muslime in Pakistans größter Stadt Karatschi. (Foto: Asif Hassan/AFP)

Obwohl die ganze islamische Welt zürnt, wollen einige Schweden erneut einen Koran verbrennen. In Pakistan hat die Regierung zu Protesten nach dem Freitagsgebet aufgerufen.

Von David Pfeifer und Alex Rühle, Delhi/Stockholm

Nachdem vergangene Woche ein Mann in Stockholm einen Koran verbrannt hatte, gingen bei schwedischen Polizeistationen mittlerweile drei weitere Anträge auf öffentliche Versammlungen ein, bei denen heilige Schriften verbrannt werden sollen. Eine Frau möchte "so bald als möglich" einen Koran vor einer Stockholmer Moschee anzünden, ein Mann will am 15. Juli vor der israelischen Botschaft eine Bibel und die Thora verbrennen. Und im Zentrum von Helsingborg sollen religiöse Texte verbrannt werden, welcher Art, wurde in dem Antrag nicht näher ausgeführt. Die Stockholmer Polizei prüft momentan die Anträge.

Am Mittwoch vergangener Woche hatte ein Mann irakischer Herkunft vor der größten Moschee Stockholms einen Koran verbrannt. Das hatte, wie schon eine ganz ähnliche Aktion im Februar, in der muslimischen Welt zu großen Protesten geführt.

Die schwedische Polizei kann Demos nur bei Sicherheitsrisiken verbieten

Marokko zog seinen Botschafter ab, in Bagdad wurde die schwedische Botschaft gestürmt, Iran will fürs Erste keinen neuen Botschafter schicken. Im Internet nahm eine Initiative zum Boykott schwedischer Waren Fahrt auf, und in Pakistan rief der Ministerpräsident zu landesweiten Freitagsdemonstrationen auf, um "eine Botschaft an die Bösewichter" zu senden. Und dann ist da noch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der sich bislang weigert, den schwedischen Nato-Antrag zu ratifizieren. Erdoğan sagte, eine Nato-Mitgliedschaft des Landes sei kategorisch ausgeschlossen, solange dort das Verbrennen des Korans erlaubt sei.

Mit der Empörung über Schweden geht der Aufruf einher, schwedische Produkte zu boykottieren: Kundgebung in Pakistans Hauptstadt Islamabad. (Foto: Aamir Qureshi/AFP)

Das schwedische Außenministerium verurteilte die Koranverbrennung als "islamfeindliche Tat" und Ausdruck von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Das Problem für die Regierung: Sie kann die Verbrennungen selbst nicht verbieten. Die Genehmigung von Demonstrationen fällt allein der Polizei zu. Die hat nach einer Koran-Verbrennung im Februar versucht, derartige Aktionen zu verbieten, was aber von zwei Stockholmer Gerichten einkassiert wurde mit dem Argument, die von der Polizei angeführten Sicherheitsprobleme seien nicht ausreichend, man könne die Verbrennungsorte schließlich absichern.

Es gibt in Schweden ein sehr weitreichendes Gesetz zur Meinungsfreiheit, das in der Tageszeitung Svenska Dagbladet kürzlich als "Quelle des Nationalstolzes" bezeichnet wurde. Im Grunde kann das Recht auf eine Versammlung nur verweigert werden, wenn dies im Hinblick auf die Sicherheit der Versammlung selbst oder als ihre unmittelbare Folge erforderlich ist.

Im irakischen Mossul benutzten Anhänger des radikalen Schiitenführers Muktada al-Sadr Kinder für ihren Protest. (Foto: Ismael Adnan/Imago/Zuma Wire)

Durch die Verbrennungen und die so verursachten großen Proteste ist in Schweden aber eine Debatte losgegangen, ob man diesen Paragrafen zur Meinungsfreiheit ändern sollte. So forderte Jonas Trolle, Leiter des Schwedischen Zentrums zur Verhinderung von gewalttätigem Extremismus, das Gesetz so zu ändern, dass auch Gefährdungen der nationalen Sicherheit ein Grund sein könnten, Anträge abzulehnen. Er verwies auf einen Verfassungsparagrafen, der Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung aus Gründen der nationalen Sicherheit erlaubt. Trolle schlug vor, eine solche Formulierung in das Gesetz zu übernehmen, das öffentliche Versammlungen regelt. Justizminister Gunnar Strömme gab am Tag darauf bekannt, sein Ministerium prüfe eine Änderung, schließlich sei Schweden aufgrund der Verbrennungen "zu einem ,vorrangigen' Ziel terroristischer Bedrohungen geworden", wie es der schwedische Staatsschutz Säpo formulierte.

Anhänger der radikalislamischen Partei Tehreek-e-Labiak in Lahore fordern, Pakistan solle die Beziehungen zu Schweden abbrechen. (Foto: Arif Ali/AFP)

In Pakistan kam es nach den Freitagsgebeten landesweit zu Protesten, bei denen die Bürger ihre Wut über die "Schändung des Koran" zum Ausdruck brachten, wie es Premierminister Sharif ausdrückte - er hatte selbst dazu aufgerufen, einen "Tag der Heiligkeit des Korans" zu begehen. Das Parlament hatte am Donnerstag eine Resolution verabschiedet, in der Schweden dazu aufgefordert wird, "angemessene Schritte" gegen die Täter zu unternehmen.

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In der Hauptstadt Islamabad protestierten Anwälte mit Koran-Kopien vor dem Obersten Gerichtshof, während Gläubige vor Moscheen kleinere Kundgebungen abhielten und den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Schweden forderten. In Karatschi, mit etwa 15 Millionen Einwohnern eine der größten Städte der Welt, kam es auch zu den größten Demonstrationen, der Verkehr in der Innenstadt stand teilweise still. In Lahore forderte ein Oppositionspolitiker die Regierung auf, eine Sitzung der "Organisation für Islamische Zusammenarbeit" einzuberufen und den schwedischen Gesandten des Landes zu verweisen.

Die Anhänger von Ex-Premierminister Imran Khan hielten landesweit separate Kundgebungen ab. Die radikalislamische Partei Tehreek-e-Labiak forderte den Abbruch der diplomatischen Beziehungen, bis der für die Koran-Verbrennung verantwortliche Mann bestraft wird.

"Wenn es um den Koran geht, ist sich die ganze Nation einig" - auch Christen protestieren

Sogar christliche Gemeinden protestierten, die nur zwei Prozent der Bevölkerung Pakistans ausmachen. Mehr als 95 Prozent sind Muslime. "Wenn es um den Koran geht, ist sich die ganze Nation einig. Die gesamte muslimische Gemeinschaft ist bestürzt über den Vorfall in Schweden", twitterte Premierminister Sharif dazu. Er wies darauf hin, dass Schweden den Vorfall verurteilt habe, forderte aber, dass das Land klarstellen solle, warum er überhaupt geschehen sei. Er sprach von einem "Komplott, um Gräben zwischen Christen und Muslimen zu schaffen".

Aufgebrachte Demonstranten im pakistanischen Quetta nahe der Grenze zu Afghanistan. (Foto: Banaras Khan/AFP)

Pakistans Außenminister Bilawal Bhutto Zardari kommentierte die Verbrennungen in Schweden ebenfalls auf Twitter, die Schändung sei "ein weiteres Beispiel für die zunehmende islamfeindliche Mentalität, die darauf abzielt, unseren Glauben zu entmenschlichen und zu verunglimpfen". Er will das Thema am 11. Juli bei der Dringlichkeitsdebatte des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen in Genf ansprechen. Selbst wenn man argwöhnen kann, dass die Regierung auch von den innenpolitischen Problemen ablenken möchte: Wenn in Schweden wieder Korane angezündet werden, könnte es in Pakistan brennen.

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