SPD:Die größte Gefahr für Scholz droht aus der eigenen Partei

SPD-Spitze schlägt Scholz als Kanzlerkandidat vor

Scholz und die SPD werden einander erst noch finden müssen. Die Niederlage gegen Walter-Borjans (m.) und Esken (l.) im Wettbewerb um die SPD-Spitze war schmerzhaft.

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Die Genossen schicken den Mann ins Rennen ums Kanzleramt, den sie an der Spitze der SPD nicht wollten. Doch Scholz kann die eigentlich nicht vorhandenen Chancen der Sozialdemokraten am ehesten nutzen.

Kommentar von Nico Fried, Berlin

Es ist ungewiss, ob sich allzu viele Leute mehr als ein Jahr vor der Bundestagswahl schon dafür interessieren, wer SPD-Kanzlerkandidat ist. Lebensnähere Themen als Olaf Scholz scheinen derzeit Schulen, Schatten und Schutzmasken zu sein. Aber die Sozialdemokraten wollen mit ihrer Entscheidung Klarheit demonstrieren.

Während die Grünen noch nicht wissen, wie sie ihre Doppelspitze in eine Spitzenperson verschmelzen könnten, macht die Doppelspitze der SPD den Weg frei für einen Dritten; während in der Union der Showdown noch bevorsteht, küren die Sozialdemokraten den Mann für das wichtigste Regierungsamt, den sie an der Spitze ihrer Partei nicht wollten.

Für Scholz ist die Nominierung eine Genugtuung. Die Niederlage bei der Wahl der Parteivorsitzenden war schmerzhaft, manche Häme gegen ihn als Person demütigend. Die Sozialdemokraten, zumindest ihre Führungsgremien, die Scholz einstimmig nominierten, haben gezeigt, dass sie über ihren Schatten springen können. Sie schicken den Mann ins Rennen, der zumindest ausweislich seiner Bekanntheit und seiner Popularitätswerte am ehesten in der Lage ist, jene Chance zu nutzen, welche die SPD eigentlich nicht hat: die Chance aufs Kanzleramt.

Mit nüchterner Sachlichkeit ist Merkel als Kanzlerin gut gefahren

Scholz wird sicher kein Kandidat sein, der mitreißt. Nüchterne Sachlichkeit ist sein politisches Kapital, Angela Merkel immerhin ist damit seit mehr als 14 Jahren im Amt. Erfahrung macht bei Scholz den Unterschied, jedenfalls zu allen derzeit bekannten Kandidaten der Union und der Grünen, die samt und sonders noch kein Regierungsamt in der Bundespolitik hatten - mit Ausnahme von Norbert Röttgen, den die Kanzlerin am Ende feuerte. Scholz' größte persönliche Schwächen sind ein gewisser Hang zu Besserwisserei und Überheblichkeit sowie ein Humor, den manchmal nur er versteht.

Die größten Gefahren für diese Kandidatur drohen von zwei Seiten: Die Aufarbeitung des Wirecard-Skandals steht erst am Anfang. Dass die Opposition jetzt gegen den Kanzlerkandidaten Scholz einen Untersuchungsausschuss auf den Weg bringt, dürfte gewiss sein. Sein Haus habe getan, was getan werde musste - dieses Wort des Finanzministers Scholz muss die Nachforschungen überstehen.

Die größere Gefahr aber droht ihm aus der eigenen Partei. Die Klarheit, die der SPD jetzt so wichtig ist, sie muss mehr als ein Jahr halten. Die Parteivorsitzenden müssen dem Kandidaten gleichermaßen zur Seite stehen und sich doch hinter ihm einreihen. Dass Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans am Wochenende in konzertierter Aktion ein Linksbündnis favorisierten, liest sich nun so, als dürfe Scholz zwar vorangehen, aber in eine Richtung, die die Parteichefs vorgeben. Olaf Scholz und die SPD werden einander erst noch finden müssen. Wenn das auch ein Grund ist, warum die Nominierung nun so früh geschah, dann ist das zumindest ein sehr guter Grund.

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